Pinsel und Meißel. Teodoro Serrao

Pinsel und Meißel - Teodoro Serrao


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Guitarre, einer Violine und einer Klarinette besteht.

      In der „Künstlerstube“ konnte man ein bis zwei Dutzend Leute essen, trinken, schwatzen oder gestikulieren sehen. Italienisch wurde hier mit jedem möglichen und unmöglichen Accent gesprochen; es waren aber auch Engländer, Spanier und Deutsche da, und jeder bemühte sich, lauter zu sprechen als der andre. Künstler verstehen einander so leicht; sogar ein eben aus London gekommener Engländer, der kein Wort italienisch verstand, hätte hingehen können und würde sich sehr leicht mit seinen Genossen verständigt haben. Sie sprechen durch Bewegungen der Augen, der Beine, des ganzen Körpers; sie zeichnen aufs Tischtuch — was dem Wirt natürlich höchst missfällt — sie zeichnen Linien in der Luft, kurz, es gelingt ihnen immer, sich deutlich auszudrücken.

      Stets verschwören sie es, heute über Kunst zu reden; sie erklären dies für ein ganz verbrauchtes Thema, mit dem man sich nur den Appetit verderbe; aber gleich Motten, die ums Licht flattern und schliesslich hineinfallen, kehrt ihre Unterhaltung beständig zu dem verpönten Gegenstand zurück.

      Sie sind alle verschiedener Ansicht, selbst diejenigen, welche die gleichen Ideen haben und zur selben Schule gehören; sie streiten hitzig erregt, so dass ein Fremder, der ihnen zuhörte, leicht denken könnte, sie seien drauf und dran, einander totzuschlagen.

      In einem Punkt indes stimmen sie alle überein; dass nämlich die Kunst zu Grunde gerichtet sei und zwar durch die Kunsthändler und durch den leidigen Umstand, dass nicht alle Aufträge in der Welt gerade ihnen gegeben werden.

      Und nun wird über diese Kunsthändler, die in den Ateliers mit herzlichem Händeschütteln empfangen werden, aufs grausamste hergezogen und man überschüttet sie mit Schimpfwörtern sämtlicher Sprachen Europas. Sie sind Schurken, Diebe, Mörder, Räuber, Briganten, Schlangen, Hunde, Blutsauger, böse, abgefeimte, gehässige, erbärmliche Schurken, treulose Verräter, Spione u. s. w.

      Wenn alle andern Beweisgründe erschöpft sind, so kommt die alte Frage aufs Tapet, ob die Malerei eine schwerere Kunst sei als die Skulptur, und ewig wird die Fabel von dem griechischen Maler angeführt, der einen Blinden vor eine Statue führte; der Blinde konnte sagen, dass es eine Statue sei, aber er erkannte die Malerei nicht, als er mit seiner Hand über die glatte, gemalte Wand fuhr. Für einen Maler Beweis, dass die Malerei viel schwieriger ist, als die Skulptur; hört aber ein Bildhauer die Geschichte, so schliesst er gerade das Gegenteil daraus.

      Ein solches Frühstück zieht sich, wie man sich leicht denken kann, ziemlich in die Länge; ein Grund dafür — und zwar nicht der unwesentlichste — ist der, dass Künstler darin sind wie die Frauen, die viel über Leute reden, die nicht anwesend sind — und so hat niemand von der Gesellschaft den Mut, allein fortzugehen.

      Hört man einen Künstler sagen, er hege grosse Verehrung für einen andern, so darf man ihm ja nicht glauben. Künstler verehren nur sich und denken, nur wenige seien im stande, so Schönes zu schaffen, wie sie, und diese wenigen seien seit langer, langer Zeit tot und berühmt. Sie verschonen ihre eigenen Lehrer, ja selbst ihre Brüder nicht; ein Künstler ist weit eifersüchtiger auf seine Kunst, als auf seine Frau.

      Sonderbar ist es, dass, obgleich sie alle in direkter Linie von jenem berühmten Maler abzustammen scheinen, der seinen Genossen aus Eifersucht umbrachte, wir doch anerkennen müssen, dass sie in der Zeit der Not von wahrer Grossmut gegeneinander beseelt sind.

      Ich selbst habe einen Künstler, der einen andern beständig herabzusetzen und zu verleumden pflegte, weinen sehen wie ein Kind, als er den Tod dieses Künstlers erfuhr. Er betrauerte ihn aufrichtig und that alles, was in seiner Macht stand, der Witwe und den Waisen beizustehen.

      Als Cormorto und sein alter Freund die „Künstlerstube“ betraten, wurden sie mit lebhaften Begrüssungen empfangen, doch Cormorto vermutete, dass diejenigen, die am höflichsten gegen ihn waren, soeben gesagt hätten, er sei ein Narr und der alte Maler ein Schuft.

      Auch Origlio kam, und Cormorto ging später mit ihm in sein Atelier und verbrachte dort den Nachmittag.

      Sie sprachen über allerlei; endlich sagte Cormorto, als sei es ihm gerade eingefallen: „Ach, wir sind ja auch zu Signorina Angelika eingeladen.“

      „Ja, freilich; wir müssen hingehen. Du sollst hören, wie wundervoll sie spielt.“

      „Willst du mich abholen? Ich will dir ein kleines Porträt zeigen, das ich von ihr entworfen habe.“

      „Ist es gut?“

      „Ja, es hat etwas von ihr, und ich halte es für ein ziemlich gelungenes Pastell.“

      „Gut, ich komme, oder wenn du noch einen Augenblick warten willst, so gehe ich gleich mit dir. — Giacomo!“

      Giacomo war ein alter Ciociaro, der etliche vierzig Jahre Modell gestanden hatte und jetzt in Origlios Atelier lebte. Er diente diesem als Modell, als Hausknecht, als Diener, kurz, er war sein Faktotum. Giacomo kam aus einem anstossenden Zimmer, wo die Punktierer arbeiteten; er trug eine Mütze aus Zeitungspapier auf dem Kopf und half seinem Herrn die Blouse aus- und den Rock anziehen. Dann begann er, die Thonfigur zu befeuchten.

      „Geh bald nach Hause und lege mir meinen Frack heraus, verstanden, Alter?“ sagte Origlio.

      „Sehr wohl.“

      „Also kann ich mich darauf verlassen, dass du mir nicht meinen Jagdanzug herrichtest?“

      „Sie können sich darauf verlassen, Signorino.“

      Cormorto lachte über den vollkommenen Gleichmut, womit der Ciociaro antwortete, und ging mit Origlio von dannen.

      Drittes Kapitel.

      Ihre Wohnung war sehr schön. Da war nichts von der kalten, förmlichen Pracht, die man so oft in den Häusern der Reichen sieht. Alles war einfach und geschmackvoll und zeigte jene gediegene Behaglichkeit, in der man den Reichtum der Bewohner mehr fühlt, als sieht. Drei ineinandergehende Zimmer, die mit einer grossen glasgedeckten Galerie voll exotischer Pflanzen in Verbindung standen, waren der Gesellschaft geöffnet. Die Gemächer waren mit bequemen Sesseln und Sofas von mattrosa Sammet ausgestattet; den Fussboden bedeckte ein weicher, roter Teppich. Die Wände waren mit weissem Atlas bekleidet und mit einem Tizian, sowie einigen Skizzen moderner Künstler geschmückt — in den Ecken vier Bronzestatuetten, dazu eine Menge Wachskerzen. Das war alles, aber alles war harmonisch, und die Gesellschaft lebhaft, heiter und froh, als wäre die Luft von Sympathie und Freude erfüllt.

      Ein jeder schien sich behaglich zu fühlen. Einige Gäste gingen in der Galerie auf und ab, während andre in kleinen Gruppen plauderten; ein Diener an der Thür nannte den Namen jedes Neuankommenden. Angelika, mit ihrem sanften Lächeln, ging von einer Gruppe zur andern. Sie sah sehr schön aus in ihrem dunkelgrünen Sammetkleide, das ihren Schultern und ihrem Halse einen leuchtenden Alabasterton verlieh. Sie erschien, als sei sie aus der Phantasie eines griechischen Bildhauers hervorgegangen; und wenn man sie so heiter, ruhig und strahlend sah, so musste man unwillkürlich des schönen Sonetts von Dante gedenken:

      „Quanto gentile e quanto onesta pare.“

      Angelikas Tante sass bei einigen alten Damen und liess gelassen alles über sich ergehen, was diese zu erzählen wussten. Man fand sie „so reizend“, weil sie der längsten und albernsten Erzählung mit andächtigem Schweigen lauschte.

      Origlio befand sich in angelegentlicher Unterhaltung mit einer kleinen Amerikanerin, die seinen lebhaften Gestikulationen erstaunt zusah. In der That bediente er sich mehr der Gebärdensprache als der Worte, denn sein Kopf war so voller Gedanken und Bilder und Vergleiche, dass er nicht alles, was er dachte, mit blossem Sprechen zum Ausdruck bringen konnte.

      Augenscheinlich interessierte sie sich für den jungen Bildhauer, den sie schon bei früheren Gelegenheiten getroffen, wo er sich ihr den ganzen Abend hindurch gewidmet hatte. Hin und wider erklang ihr silberhelles Lachen, dann verbarg sie ihr rosiges Gesicht hinter ihrem Fächer.

      „Wovon sprecht ihr denn, ihr egoistischen Leute? Könntet ihr nicht auch jemand anders an eurer Unterhaltung teilnehmen lassen?“

      „Von dreien ist meistens einer zu


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