Geballte Ladung Liebe - Katharina Wolf Sammelband. Katharina Wolf
Alibi
Geheimnisse an versteckter Stelle
Ich wurde nie vom Blitz getroffen, habe aber gleich zweimal die große Liebe gefunden.
Für Patrick und Emil
Shoppingtour
Es läutete.
Endlich Schulschluss. Heute war ein anstrengender Tag gewesen. Vor allem die Doppelstunde Englisch, in der siebten und achten Stunde, hatte mich geschafft. Langweilig und ermüdend ohne Ende. Ich wollte nichts mehr, als den Kopf auf meine verschränkten Arme legen und einfach die Augen schließen. Da hätte Miss Baker aber mit Sicherheit etwas dagegen gehabt. Die legte aus mir unerfindlichen Gründen nämlich Wert darauf, dass alle Schüler wach waren und ihr aufmerksam zuhörten, was mir leider von Minute zu Minute schwerer fiel. Aber ich hatte mein Bestes gegeben und zumindest versucht, einen konzentrierten und relativ wachen Eindruck zu machen. Ich musste nur mein interessiertes Schul-Pokerface auflegen, das ich in den letzten zwölf Jahren perfektioniert hatte.
Zum Glück erlöste mich kurze Zeit später das laute Klingeln von meinem Leiden. Acht Schulstunden waren eine Tortur und wirklich mehr als genug für einen Tag. Selbst für mich kleine Streberin.
Ich verließ das alte und graue Schulgebäude mit Sabine, die mit mir Englisch als Leistungskurs belegte. Ich war zwar recht gut in Englisch, fragte mich aber doch im Nachhinein, ob ich bei der Wahl meiner Fächer für die Oberstufe nicht einige grundlegende Fehler begangen hatte. So bereute ich nichts so sehr, wie Kunst und Physik nicht sofort abgewählt zu haben, als ich die Möglichkeit dazu gehabt hatte. Ich war in beiden Fächern mehr als unbegabt.
Sabine und ich waren seit drei Jahren beste Freundinnen, die sich gemeinsam durch die Oberstufe kämpften, und ich nannte sie kurz und knapp Bibi. Draußen standen Manu und Eli und warteten auf uns. Beide hielten die obligatorische Zigarette in der Hand. Aus irgendwelchen Gründen hatten sie sich das Rauchen in der Oberstufe angewöhnt. Wahrscheinlich, weil es cool war, oder man so in der Raucherecke leichter mit Jungs ins Gespräch kam. Nur ich war bislang standhaft geblieben und weigerte mich, dem Gruppenzwang nachzugeben. Mir wurde schon vom Passivrauchen schlecht. Echt eklig und zudem auch noch furchtbar ungesund und teuer. Mit dieser Meinung stand ich leider ziemlich alleine da.
»Da seid ihr ja endlich.« Manu wirkte genervt, wobei sie das eigentlich immer tat. Sie schwang ihre dunkelbraunen Locken über ihre Schulter und blies dann den Rauch ihrer Marlboro Light wie ein Rockstar gleichzeitig aus Mund und Nase. »Wenn ich nicht bald einen Kaffee bekomme, laufe ich Amok.«
Das konnte ich allerdings nachvollziehen. Auch mein müder Körper verzehrte sich nach Koffein.
»Leute, habt ihr Lust, shoppen zu gehen? Wir müssen unbedingt unsere Sommergarderobe auffrischen.« Das war Elis Idee. Einkaufen war ihr größtes Hobby und gleichzeitig auch eine Leidenschaft und Sucht. Ich sah nach oben und schirmte meine Augen mit der flachen Hand von der Sonne ab.
Sommer.
Es war richtig warm. Heute Morgen auf dem Weg zur Schule hatte ich noch eine dünne Jacke tragen müssen. Vor allem am Bahnhof war es in der Früh doch recht kühl gewesen. Aber ab 12 Uhr, wenn die Sonne ihren höchsten Punkt am wolkenlosen Himmel erreichte, waren 25 bis 30 Grad keine Seltenheit mehr. Ich krempelte die Ärmel meines T-Shirts nach oben, um auch meinen Schultern ein wenig Sonne zu gönnen, dann stimmte ich Eli zu. Sie hatte Recht. Ich sollte mir für die Sommerferien unbedingt noch den einen oder anderen neuen Bikini zulegen. Außerdem hätte ich unglaublich gerne einen neuen, großen Strohhut. Am Badesee wollte ich schließlich super aussehen. Auch die anderen Mädels waren einverstanden und schnell in ein Gespräch über Bademode und Miniröcke vertieft.
Unsere kleine, lustige und vor allem extrem laute Mädchen-Clique machte sich auf den Weg in Richtung Innenstadt. Manu sorgte dafür, dass wir den nächsten Starbucks betraten; mit einem mit Kaffee gefüllten Pappbecher in der Hand war sie gleich viel erträglicher.
Ich besorgte mir einen Caramel Macchiato. Schon immer mochte ich es am liebsten süß und klebrig und die paar zusätzlichen Kalorien nahm ich dafür gerne in Kauf. Immerhin ging ich regelmäßig ins Fitnessstudio und durfte mir auch ohne schlechtes Gewissen mal etwas gönnen.
Unser nächster Halt sollte ein Laden sein, der erst vor einigen Tagen in der Innenstadt neu eröffnet hatte. Ein Fachgeschäft für Unterwäsche und Badebekleidung. Das klang zumindest vielversprechend.
»Ich habe bereits gestern einen Blick ins Schaufenster geworfen Die haben richtig tolle Badeanzüge! Außerdem auch noch Badetücher, Taschen und Sonnenbrillen. Wir können uns voll ausstatten.« Bibi kam aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. »Ich habe da so ein blau-kariertes Teil gesehen. Ziemlich freizügig, aber an der Schaufensterpuppe sah es aus wie aus einem Bond-Streifen. Ich muss es einfach anprobieren!«
Sie hatte uns überzeugt. Jede von uns wollte insgeheim so sexy wie ein Bondgirl aus dem Wasser steigen und Halle Berry Konkurrenz machen. Und wer weiß, vielleicht würden wir ja in diesem Sommer alle unseren persönlichen 007 finden?
Wir liefen die vollkommen überfüllte Einkaufsstraße entlang und betraten einen Laden, der auffällig in Pink- und Rosa-Nuancen leuchtete. Genauso aufdringlich und dadurch kaum zu übersehen waren die riesigen Schilder mit der Aufschrift Neueröffnung. Natürlich auch in pink. Fast schon unangenehm. Ich hatte den Drang, eine Sonnenbrille aufzusetzen oder mir die Augen mit den Händen abzuschirmen. Alles hier blendete abartig.
Ich lief durch die engen Gänge und bestaunte diverse Bikinis, Tankinis, Badeanzüge und noch einiges dazwischen, was ich nicht so recht benennen konnte. Alle Schnitte hatten eines gemeinsam: Sie würden der Fantasie nicht mehr viel Spielraum lassen.