Geballte Ladung Liebe - Katharina Wolf Sammelband. Katharina Wolf

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genau ist das?«, fragte ich, da ich so einen Turm noch nie gesehen hatte.

      »Das ist ein Schlosspavillon. Ein echtes Wahrzeichen von hier. Stammt, glaube, ich aus dem 18. Jahrhundert oder so. Heute wird es nur noch für Trauungen genutzt.«

      »Echt schön«, hauchte ich sprachlos.

      »Perfekt«, musste auch Jan zugeben und zog mich noch enger an sich heran.

      »Das war Sebastians erste Wahl. Es war schon immer sein Traum, hier zu heiraten.«, sagte Hiroki und sah dabei unglaublich glücklich und stolz aus. Denn immerhin hatte er es geschafft. Er würde Sebastian diesen großen Wunsch erfüllen.

      Auf einer Rasenfläche vor dem Pavillon standen bereits knapp 30 Leute. Ich erkannte Bianca, die auf uns zugestürmt kam, und einige Jungs, die ich bereits vom Junggesellenabschied kannte. Bianca umarmte erst Hiro, dann Jan und blieb dann vor mir stehen.

      »Du siehst so unglaublich hübsch aus.«

      »Danke«, antwortete ich verlegen. Nicht nur weil ich auf dem unebenen Boden Probleme hatte, mit meinem Bein das Gleichgewicht zu halten. Ich hielt mich an Jan fest, weil ich ihn brauchte. Als Bestätigung. Als Halt. Bianca musterte uns beide und zog eine Augenbraue verwundert hoch. Jan hatte ihr anscheinend nichts gesagt und sie war davon ausgegangen, dass er mit Fernanda erscheinen würde. Wie unangenehm. Sie sprach uns aber nicht darauf an. Vorerst zumindest. Ich war mir sicher, dass sie uns später noch löchern würde.

      Wir gingen auf die Gäste zu und Hiro gab den Karton mit dem Sekt an jemanden weiter, der damit im Inneren des Pavillons verschwand. Hiro wurde von allen stürmisch begrüßt und wirkte nun auch deutlich aufgeregter als noch vor einigen Minuten zu Hause. Er hatte rote Wangen und einen hektischen Blick, der sich immer wieder suchend umsah.

      »Ich glaube, er hat Angst, dass Sebastian es sich anders überlegt hat«, flüsterte ich Jan ins Ohr. Jan schnaubte abfällig und beugte sich dann zu mir herunter.

      »Diesen Gedanken kann er sich abschminken. Sebastian wusste vom ersten Moment an, dass er Hiro einmal heiraten würde.« Dann schaute er mir tief in die Augen und lächelte. »Das wusste ich bei dir auch.« Mein Herz schlug so schnell, dass es nicht mehr gesund sein konnte. Ich hörte das Blut in meinen Ohren rauschen und meine Hände waren trotz der Minusgrade schweißnass. Was machte dieser Mann mit mir? Ich war ihm so dermaßen verfallen, dass ein einziger Satz meinen Körper vollkommen zum Eskalieren brachte. Ich hyperventilierte ja schon fast, wenn er mir nur lange genug in die Augen sah. Da gab es nicht viel schönzureden: Ich war Wachs in seinen Händen und ich glaube, er wusste das genau. Zumindest würde das seinen sexy, selbstsicheren Blick erklären.

      »Da kommt er!«, rief Christian. Wir wandten uns zur Straße hin und sahen einen schwarzen Oldtimer vorfahren.

      »Er wollte wohl seinen Auftritt haben«, schnaubte Hiro und ging dann zu seinem Zukünftigen. Er öffnete die hintere Tür und reichte Sebastian wie ein waschechter Gentleman seine Hand. Sie küssten sich und schauten sich dann einige Sekunden voller Liebe einfach nur an. Für einen kurzen Moment waren die beiden in ihrer eigenen Welt. Ich kam mir vor wie ein Eindringling, sie dabei zu beobachten. Jan nutzte diesen Augenblick, trat vor mich und hauchte mir ebenfalls einen Kuss auf den Mund. Seine Lippen strichen zärtlich über meine und ich konnte einen zufriedenen Seufzer nicht unterdrücken.

      Als ich die Augen öffnete, sah ich Bianca im Augenwinkel lächeln. Okay, viel erläutern müssten wir wohl nicht mehr.

      Die Trauung an sich ging sehr schnell vorbei. Wir, also Hiro und Sebastian sowie Jan und ich, saßen direkt vor der Standesbeamtin, die die Zeremonie durchführte. Der Rest der Hochzeitsgesellschaft hatte sich auf die Stuhlreihen hinter uns verteilt. Die nette Dame erzählte ein paar rührende, persönliche Anekdoten, die den einen oder anderen zum Schniefen und ab und an sogar zum Lachen brachten. Sebastian verdrückte ein paar Tränchen, doch zum Glück hatte ich Taschentücher dabei. Meine erste Aufgabe als Trauzeugin hatte ich somit gemeistert. Dann ging es zum offiziellen Teil über.

      Die Ringe wurden getauscht und beide sagten laut und deutlich »Ja, ich will« – auch wenn es bei Sebastian mit einem kräftigen Schluchzer einherging. Doch es war der abschließende Kuss, der die Ehe der beiden besiegelte und alle zum Jubeln brachte. Die Standesbeamtin schloss die Trauung mit einem Gedicht von Shakespeare, das auch mich sentimental werden ließ.

      Magst du zweifeln, dass die Sterne glühen,

      magst du zweifeln, dass die Sonne sich bewegt,

      magst die Wahrheit du für Lüge halten,

      zweifle aber niemals an der Liebe.

      Ich pflückte mir mit dem Finger eine Träne aus dem Augenwinkel. Vorsichtig, um ja nicht Sebastians Make-Up-Werk zu zerstören. Während des Gedichts und auch jetzt spürte ich Jans Blick wie ein heißes Prickeln auf meiner Haut. Als ich mein Gesicht ihm zuwandte, lächelte er und zwinkerte mir zu. Auch meine Mundwinkel hoben sich und ich spürte eine angenehme Wärme, die sich in mir ausbreitete.

      Auch die beiden Frischvermählten strahlten übers ganze Gesicht. Alles war perfekt. Sebastians Traumhochzeit, so wie er sie sich immer gewünscht hatte.

      Im Foyer des Schlosspavillons waren in der Zwischenzeit Stehtische aufgebaut worden. Auf ihnen befand sich neben diversen Snacks wunderschöner Blumenschmuck in verschiedenen Rot- und Weißtönen. Jeder von uns bekam ein Glas Sekt gereicht und wir feierten das Ehepaar. Sebastian und Hiro ließen sich von allen abklatschen, umarmen und beglückwünschen. Ich war fast etwas neidisch. Die beiden waren so glücklich. Sie strahlten über das komplette Gesicht. Und sie hatten auch allen Grund dazu, denn sie hatten den Partner fürs Leben gefunden. Ich schielte zu Jan, der gerade sein Sektglas leerte und mir nicht von der Seite wich. Er hatte einen Arm um meine Taille gelegt und schenkte mir von Zeit zu Zeit ein kleines Lächeln, das mein Herz rasen ließ.

      Würde das mit uns funktionieren?

      Ohne mir Gedanken zu machen oder es zu hinterfragen, hatte ich Jans lieben Worten und seiner Bitte nach einer zweiten Chance nachgegeben. Er hatte mir weisgemacht, dass ich ihm noch immer viel bedeutete, dass er mich wollte. Und ich war unter seinen Berührungen einfach dahingeschmolzen. Hoffentlich war das alles kein Fehler.

      Der laute Knall eines Sektkorkens, gefolgt von einer Sektfontäne riss mich aus meinen Gedanken. Alle lachten und ein verstört schauender junger Mann bemühte sich, die überschäumende Flasche über die leeren Sektgläser zu halten, um wenigstens nicht allzu viel der prickelnden Flüssigkeit zu verschwenden. Auch ich lächelte und rückte noch einen Schritt näher an Jan. Ich würde ihn nicht mehr hergeben.

      Nachdem unsere Sektgläser geleert und alle Glückwünsche ausgesprochen waren, machten wir uns auf den Weg zur nächsten Location. Das wurde auch Zeit, denn der Schlosspavillon war nicht gerade gut geheizt und langsam fraß sich die Kälte unnachgiebig durch meinen Mantel. An den Autos, die am Straßenrand standen, waren mittlerweile weiße Bänder angebracht worden. Soweit ich mich an Sebastians Planung erinnern konnte, hatte das Paul übernommen. Jan und ich stiegen in das Auto, mit dem wir angekommen waren. Hiro ging mit Sebastian zu dem pompösen Oldtimer, der auf der Fronthaube mit Blumen in Weiß und Rot geschmückt war. Hupend folgte ein ganzer Tross Autos den beiden. Nach etwa zehn Minuten Fahrt erreichten wir einen Parkplatz vor einem großen, schicken Gebäude.

      Wir durchschritten ein mächtiges Eingangstor und staunten nicht schlecht: Vor uns erstreckte sich ein riesiger Festsaal. Nachdem wir unsere Wintermäntel an einer Garderobe aufgehängt hatten, betraten wir mit vielen anderen Gästen den festlich geschmückten und beleuchteten Raum. Ich hatte mich kaum umgesehen und orientiert, da explodierte ein grelles Licht vor mir und sorgte für einen Moment dafür, dass vor meinen Augen schwarze Punkte tanzten.

      »Bitte lächeln!«

      Ich kam kaum dazu, meine Mundwinkel auch nur einen Millimeter in die Höhe zu schieben, als es schon wieder blitzte.

      »Was zur Hölle?«, entfuhr es mir. Das war mit Abstand der aufdringlichste und rücksichtsloseste Fotograf, den ich je gesehen hatte.

      »Das nächste Pärchen bitte!« Und schon wurden wir weitergeschoben,


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