Geballte Ladung Liebe - Katharina Wolf Sammelband. Katharina Wolf

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ein und zitternd aus. Dann erhob er sich und ging wieder zur Tür.

      »Was willst du hier?«

      Jan erschrak und drehte sich zu mir um.

      »Bist du schon die ganze Zeit wach?«

      Ich setzte mich auf, rückte wegen meines eingegipsten Beines etwas schwerfällig nach hinten und lehnte mich mit dem Rücken an die Wand.

      »Ja, ich schlafe nicht sonderlich viel.«

      Er blieb weiter neben meinem Bett stehen und schaute abwechselnd zu mir und zur Tür. Nachdem einige Sekunden verstrichen waren, kam er langsam auf mich zu und setzte sich wieder auf die Matratze.

      »Ich weiß nicht, was ich hier tue«, gab er leise zu und stützte seinen Kopf mit der Hand ab. Er wirkte so viel zerbrechlicher, als er eigentlich war. In sich zusammengesunken. Traurig. Ich musterte ihn. Er schien mit sich zu ringen, drehte sein Gesicht dann aber doch mir zu und schaute mich direkt an.

      »Was ist das mit uns?«

      »Ich weiß nicht, was du meinst.« Ich versuchte, kühl zu bleiben und mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich seine Anwesenheit aus dem Konzept brachte.

      Er schnaubte verächtlich und schüttelte den Kopf. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen. Ganz so, als hätte er Schmerzen. Auf seiner Stirn konnte ich trotz der Dunkelheit tiefe Falten erkennen.

      »Bilde ich es mir nur ein? Ist es denn nur für mich so ... so ...« Er überlegte, suchte nach dem richtigen Wort. »So schwierig? Es ist so verdammt schwer, die ganze Zeit so zu tun, als wäre nichts zwischen uns. Als empfände ich nicht das Geringste für dich.«

      Mein Herz schlug so kräftig in meiner Brust, dass es fast schmerzte. Er musste es hören. Meine Wangen glühten und Tränen bahnten sich langsam, aber sicher einen Weg nach draußen.

      Was zur Hölle geschah hier?

      »Was ist mit dir?« Oh Gott, was erwartete der Irre hier von mir? Ich war kurz vor einem Nervenzusammenbruch! Er kniete sich auf die Matratze und kam mir näher. Er rutschte neben mich und nahm mein Gesicht in seine Hände. Er sah mir tief in die Augen und meine Gefühle konnten ihm einfach nicht verborgen bleiben. Die Sehnsucht. Das Verlangen. Die Liebe. All das musste ihm doch geradezu ins Gesicht springen.

      Ohne auf eine Antwort zu warten, beugte er sich langsam vor und küsste mich. Dutzende elektrische Schläge durchfuhren meinen Körper. Mein Blut kochte und ich konnte ein Stöhnen nicht mehr unterdrücken. Ich krallte mich verzweifelt an seinem T-Shirt fest und versuchte, ihn gleichzeitig näher an mich heran zu ziehen und von mir weg zu drücken. Der Kuss wurde immer stürmischer und auch Jan kämpfte mit seiner Selbstbeherrschung. Er keuchte, als hätte er gerade einen Marathon hinter sich, und zog mir kurzerhand mein Shirt über den Kopf. Wir waren nicht mehr zu stoppen. Wir küssten, bissen, kratzten. Es gab so viel nachzuholen. Sein Körper, sein Geruch, das war alles so gut. So unglaublich sexy. Es machte süchtig. Ich wollte mehr. Ich wollte ihn ganz.

      Er beugte sich über mich und erst, als ich mich erhob und ihm entgegenkommen wollte, zuckte ich zusammen. Ich hatte mal eben kurz mein gebrochenes Bein vergessen. Verdammt.

      »Tut es noch weh?«, fragte Jan atemlos.

      »Geht schon«, gab ich leise zurück.

      Das erotische Prickeln zwischen uns war vorerst verflogen. Mein Bein war ein echter Stimmungskiller. Jan atmete einmal tief durch, rückte neben mich und lehnte sich gegen die Wand. Wir saßen einfach so nebeneinander und schwiegen. Irgendwann musste ich eingenickt sein. Zumindest spürte ich die ganze Nacht Jans Arme um mich. Zum ersten Mal seit Jahren schlief ich ungestört eine ganze Nacht durch.

      »Nora, frühstücken wir zusammen?«

      Sebastian stürmte in mein Schlafzimmer und ich brauchte ein paar Sekunden, um mich zu orientieren. Sein freudiger und schon fast teuflisch glücklicher Gesichtsausdruck erklärte sich mir erst einige Augenblicke später. Jan lag hinter mir und hatte einen Arm um mich gelegt und ich trug nur Unterwäsche. Schlagartig fiel mir all das ein, was nur wenigen Stunden zuvor hier passiert war. Ich erstarrte im Gegensatz zu Jan, der wohl nun auch langsam aufwachte und sich hinter mir bewegte. Er rieb sich die Augen und schien genauso verwirrt zu sein wie ich. Reflexartig zog er mich wieder enger an sich. Er grummelte etwas und hatte wohl nicht vor, sich aus dieser bequemen und warmen Lage zu entfernen. Ich entfernte sachte seine Hand von meiner Mitte und stand auf. Nun war er definitiv wach. Er stützte sein Gesicht mit der Hand ab und beobachtete mich, wie ich mir eine kurze Hose, die auf dem Boden neben der Schlafcouch gelegen hatte, mit viel Mühe und Not über den Gips zog. Dann kramte ich einen kuscheligen Wollpullover aus der Kommode und schlüpfte hinein. Sebastian stand weiter mit verschränkten Armen an der Tür und musterte erst mich, dann Jan. Die beiden wechselten einen Blick, den ich weder deuten konnte noch wollte. Nicht, bevor ich einen Kaffee intus hatte.

      Ich griff nach meinen Krücken, humpelte an Sebastian vorbei und ignorierte den kritischen Blick und die Hand, die sich kurz auf meine Schulter legte. In der Küche angekommen, setzte ich mich an den Esstisch neben Hiroki, der nicht mal Anstalten machte, den Kopf zu heben. Er musste wohl auch erst mal seinen Koffeinhaushalt auf Vordermann bringen.

      »Wo ist Jan?«, fragte Hiro plötzlich und schielte zu mir rüber.

      »In meinem Bett.« Hiros linke Augenbraue hob sich skeptisch. Mehr gab es dazu vorerst nicht zu sagen. Was auch? Ich hatte keine Ahnung, was momentan Stand der Dinge war. Mir entwich ein Seufzer. Es half ja alles nichts. Zuerst brauchte ich Koffein. Zum Glück standen Tassen und eine Kanne frisch gebrühter Kaffee schon bereit.

      Ich konnte Sebastian mit Jan flüstern hören. Allerdings war jedes Wort zu verstehen, denn Sebastian konnte offensichtlich nicht leise reden.

      »Und warum liegst du bei ihr im Bett?«, schrie er nun Jan entgegen. Dessen Antwort entging uns bedauerlicherweise, da er es wohl besser verstand, seine Stimme im Zaum zu halten.

      »Habt ihr miteinander geschlafen?«

      Ein Brummen als Antwort. Worte konnte ich nicht ausmachen. Nur ein Schnauben von Hiro neben mir, der das Ganze wohl komisch fand.

      »Das will ich aber auch für dich hoffen«, drohte Sebastian nun in nicht minder dröhnender Lautstärke.

      Einige Sekunden später betraten die beiden die Küche. Sebastian begab sich direkt an den Kühlschrank und holte gekochte Eier, Schinken und Tomaten heraus. Jan setzte sich mir gegenüber an den Tisch und hielt seinen Blick starr auf die Tischplatte gerichtet.

      »So, ihr beiden ...« Sebastian legte Brot und Wurst vor mich auf den Tisch und setzte sich dann neben Jan. Sein Blick wanderte zwischen uns beiden erwartungsvoll hin und her. »Was ist das jetzt hier?« Er goss Kaffee in eine Tasse und schob sie Jan zu. Der umfasste sie mit beiden Händen und schaute mich über den Tassenrand hinweg an. Er musterte mich zaghaft und wartete wohl auf eine Reaktion von meiner Seite.

      Ich hielt seinem Blick stand, sagte aber nichts. Dann lächelte er und ich lief rot an.

      Waren wir hier im Kindergarten oder was?

      »Hallo?« Sebastian winkte mit seiner Hand zwischen uns auf und ab. »Was geht denn? Seid ihr jetzt wieder zusammen oder wie darf ich das jetzt verstehen?«

      Ich zuckte mit den Achseln und senkte meinen Blick.

      »Ja, sind wir«, kam es von Jan und ich taxierte ihn blitzschnell mit ungläubigem Gesichtsausdruck.

      »Oder nicht?« Jan richtete nun das Wort fragend an mich.

      Das Blut rauschte in meinen Ohren und mein Gesicht glühte. Mein Mund klappte auf, ich schnappte nach Luft und schloss ihn dann wieder.

      Fassungslos schaute ich zu Hiro. Keine Ahnung, warum. Vielleicht hoffte ich auf seine Dienste als Souffleur. So als neutraler und unbeteiligter Betrachter der Situation.

      »Also ich weiß es nicht«, entgegnete er schulterzuckend.

      »Hey, Nora ...« Jan rückte mit seinem Stuhl näher zu mir und nahm meine Hand in seine. »Wir können es ja langsam angehen lassen, okay? Ich meine, nur


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