Geballte Ladung Liebe - Katharina Wolf Sammelband. Katharina Wolf
vor wie auf der Anklagebank.
In einem kurzen Gespräch erklärte mir der Doc, was geschehen war. Ein anderes Auto war uns auf einer Kreuzung links in die Fahrerseite reingeknallt. Anscheinend waren wir über Rot gefahren. Mein Bein war gebrochen. Ein glatter Unterschenkeldurchbruch. Zudem hatte ich ein Schleudertrauma, eine Gehirnerschütterung und zahlreiche Schnittwunden von der gesprungenen Scheibe. Mike, der Fahrer des Wagens, hatte fast identische Verletzungen. Emma und Rob fehlte nichts. Immerhin wurden sie von unseren Körpern geschützt. Wir waren menschliche Airbags.
Dann musste der Arzt mich natürlich auch noch auf meinen Drogenkonsum ansprechen. Ich behauptete einfach, dass es ein einmaliger Ausrutscher war, und versprach, es nicht mehr zu tun. Der Arzt nickte skeptisch. Aber eigentlich interessierte es ihn nicht die Bohne. Das war nicht sein Job. Wahrscheinlich rechnete er insgeheim damit, mich in naher Zukunft sowieso wieder hier anzutreffen.
Danach war ich wieder alleine und atmete erst mal tief durch. Es war wirklich mehr als verwirrend, irgendwo aufzuwachen und nicht zu wissen, wie man dahin gelangt war. Aber na ja, eigentlich dürfte ich mich darüber ja nicht mehr wundern oder überrascht sein. Nach meinen Partynächten mit diversen Drogen war ich hin und wieder in fremden Betten erwacht. Trotzdem saß der Schock tief. Im einen Moment machst du Party und denkst an nichts Böses und im nächsten wachst du einbandagiert in einem Krankenbett auf.
Es vergingen einige Minuten, bevor sich die Tür ein weiteres Mal öffnete. Jan betrat das Zimmer mit einem zaghaften Lächeln, schob einen Stuhl neben mein Bett und ließ sich darauf nieder. Ohne zu zögern, nahm er meine Hand und behielt sie in seiner. Er sagte nichts und ich hatte keine Kraft, mich gegen seine Nähe zu wehren. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der wir beide auf meine weiße Bettdecke starrten, ergriff er das Wort.
»Ich möchte dir so gerne helfen.«
Ich schloss die Augen und verkniff mir einen bissigen Kommentar. Er streichelte meine Handinnenseite und strich mir sanft über die Fingerkuppen. Es war schön und so vertraut. Aber auch schmerzhaft. Wieder brannten Tränen in meinen Augen und ich biss mir auf die Lippe, um mein bebendes Kinn in Zaum zu halten.
Keine Schmerztablette der Welt kam gegen diese Qual an.
Unerwarteter Besuch
Jan war fast immer bei mir. Ab und an ging er nach Hause, um zu duschen und die Kleidung zu wechseln. Er musste sich Urlaub genommen haben. Wie sonst hätte er jede verdammte Minute des Tages hier an meinem Bett verbringen können? Ich hätte ihn ja danach fragen können, doch zog ich momentan Schweigen einer anregenden Konversation vor.
Wenn er hier war, las er meist Zeitung. Lustige Artikel trug er mir vor oder zeigte mir Cartoons und Karikaturen. Ich reagierte nicht wirklich oft darauf. Meistens starrte ich aus dem Fenster.
Er griff oft nach meiner Hand, hielt sie einfach so in seiner. Ich verstand einfach nicht, was das sollte, warum er das tat. Manchmal schrie ich ihn deshalb an, dass er das sein lassen sollte. Ich fragte ihn nicht gerade freundlich, was er hier noch wollte, warum er mich mit seiner Anwesenheit so quälte. Warum er hier bei mir und nicht bei seiner Freundin war. Aber er ging nicht. Ganz egal, wie unfreundlich ich war oder wie oft ich ihn ignorierte oder beschimpfte.
»Ich lasse dich nicht mehr alleine«, war das Einzige, was er auf meine Wutausbrüche erwiderte.
Es war zum Verrücktwerden und zum Haareraufen. Ich konnte sein Mitleid kaum ertragen.
Einmal waren zwei Polizeibeamten bei mir im Zimmer. Ich hatte, um ehrlich zu sein, damit gerechnet und war deshalb wenig schockiert. Sie wollten ein paar Angaben von mir, die den Fahrer des Unfallwagens betrafen. Ich konnte ihnen allerdings sehr glaubwürdig versichern, dass ich ihn, genau wie die anderen beiden, vorher noch nie gesehen hatte. Mit dieser Aussage waren sie vorerst zufrieden. Was für Konsequenzen es für Mike haben würde, der sich wegen Fahrens unter Drogen- und Alkoholeinfluss strafbar gemacht hatte, war mir ziemlich egal.
Ich genoss es, wenn ich alleine sein durfte. Ohne lästige Besucher. Ohne die traurigen Blicke von Sebastian und Bianca, die mir immer ein schlechtes Gewissen machten.
Ich mochte die Ruhe und gleichzeitig hasste ich mich dafür, dass sich meine Gedanken dann nur um Jan drehten. Wenn er da war, war ich nervös und gereizt. Sobald ich alleine war, vermisste ich ihn. Aber was sollte ich dagegen tun? Er hatte nun mal diese Macht über mich und ich keine Chance, mich dieser zu entziehen.
Es klopfte an der Tür und ich wappnete mich wieder für einen dieser Besuche, die immer mehr an meinen Nerven zehrten. Die Tür öffnete sich langsam und ich betete, dass es Hiroki war. Er war der Einzige, der mich nicht schier um den Verstand brachte. Als ich aber sah, wer mein Krankenzimmer betrat, wäre mir jeder andere Mensch lieber gewesen. Sogar dieser eine Prof aus der Uni, der so unglaublich nach Schweiß gestunken hatte, oder Helene Fischer. Ja, sogar diese Schnepfe hätte ich bevorzugt.
»Raus!« Erstaunlicherweise war meine Stimme nicht laut, dafür aber umso bedrohlicher.
»Nora, bitte, ich bleibe auch nicht lange.«
»Geh einfach! Ich will dich nicht sehen!«
»Ich muss mit dir reden, bitte.«
»Was, Pablo? Was willst du mir erzählen? Was kann verdammt noch mal so wichtig sein, dass du hier herkommst?«
Er kam auf mich zugelaufen und betrachtete meine Gestalt mit leicht entsetztem Gesichtsausdruck.
»Oh Mann ey, du siehst echt schlimm aus.« Ich schnaubte und drehte meinen Kopf zur Seite. Die Schnittwunden in meinem Gesicht heilten langsam ab. Aber für ihn musste es trotzdem ein erschreckender Anblick sein. »Ist es so schmerzhaft, wie es aussieht?«
»Geht so«, gab ich leise zurück und ließ meinen Blick dann doch kurz zu ihm wandern.
»Was ist denn mit dir passiert?« Pablo brauchte nichts über meinen Zustand zu sagen. Auch er sah aus wie nach einem Kampf mit einem Pitbull.
»Das ist eine etwas längere Geschichte.« Er rieb sich verlegen über den Nacken und setzte sich auf den Stuhl, der neben meinem Bett bereitstand. »Sagen wir es mal so, ich habe mit Jans Faust Bekanntschaft gemacht.«
Ich schaute ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an und wartete auf weitere Erklärungen. Er bevorzugte es aber, vorerst zu schweigen. Ich nutzte die Zeit, um das zu tun, was ich schon die letzten Tage getan hatte: Ich schaute aus dem Fenster.
»Ich muss mit dir reden.«
»Das erwähntest du bereits.«
»Hörst du mir auch zu?« Er klang verbittert, genau wie ich.
»Ich kann schlecht weglaufen, wie du siehst.« Mein eingegipstes Bein lugte unter der Bettdecke hervor. Pablo starrte es an und atmete dann einige Male geräuschvoll ein und aus. Er schien nach den richtigen Worten zu suchen. Ich würde ihm dabei garantiert nicht helfen.
»Ich habe einen Fehler gemacht und will mich dafür entschuldigen.« Nun musste ich ihn doch anschauen und konnte einen kritischen Blick mit angehobener Augenbraue nicht vermeiden. »Ich wusste ja nicht, dass ich eine Familie auseinanderreiße. Es war eine scheiß Idee. Aber sie meinte, dass sie eh schon fast mit ihm zusammen wäre. Dass sie besser zusammenpassen und du ihn eh nur bremsen würdest.«
Nun machte ich wirklich große Augen und hielt die Luft an. Was wollte mir Pablo gerade mitteilen?
»Pablo, wovon redest du, verdammt noch mal?«
»Es war nicht so, als ob sie direkt mit ihm zusammengekommen wäre. Er hat dir ewig hinterhergetrauert. Wirklich. Das hat meine Schwester richtig sauer gemacht. Du weißt doch, dass Fernanda meine Schwester ist?«
»Jan hatte da was erwähnt.«
»Ihr redet wieder miteinander?«
»Nicht wirklich.«
Pablo lehnte sich kurz zurück, fuhr sich mit dem Handrücken erschöpft über die Augen und kreuzte dann die Arme vor seiner Brust.
»Weißt du, ich war ziemlich in dich