Geballte Ladung Liebe - Katharina Wolf Sammelband. Katharina Wolf
um mich.
»Ich hab schon Schlimmeres gesehen«, gab ich kalt zurück und trank meinen Whiskey aus.
Ich konnte es einfach nicht fassen.
Als wir die Wohnung verließen, stand doch tatsächlich eine weiße Limousine vor uns am Straßenrand. Wie dekadent. Wir alle staunten Bauklötze. Alle außer Jan, der das Ganze organisiert hatte und mit beiden Händen in den Hosentaschen und stolzem Gesichtsausdruck vor dem protzigen Auto stand. Er grinste Sebastian an und schlug ihm auf die Schulter.
»Für meinen Bruder nur das Beste.«
Wir stiegen begeistert ein und machten es uns auf den edlen, roten Ledersitzen gemütlich. Wieder knallten Korken. Dieses Mal war es aber kein billiger süßer Sekt aus dem Supermarkt um die Ecke, denn in der Limousine war tatsächlich Champagner kaltgestellt worden. Jan schenkte allen ein und wir stießen laut jubelnd miteinander an.
Wir tranken und sangen dabei gemeinsam Lieder von ABBA. Was auch sonst. Heute würde wohl wirklich jedes Homo-Klischee bedient werden.
»Money, money, money«, schrie mir Christian in mein rechtes Ohr und verschüttete dabei einige Spritzer kaltes Blubberwasser auf meine Jeans. Egal. Ich lachte und stimmte einfach in den Gesang ein.
»In the rich man’s world!«
Alkohol war schon eine geniale Sache. Schräg gegenüber von mir saß Jan und ich hatte trotzdem gute Laune. Sein kritischer Blick, als ich mir selbst beim Schunkeln mit Christian mein halbes Glas Champagner ins Dekolleté schüttete, war mir total egal.
Wir fuhren relativ lange, was uns aber nicht sonderlich störte. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir auch im Wagen weiterfeiern können. Genug Platz und Alk hatten wir ja. Besser: Als die Limousine irgendwann langsamer wurde und der Fahrer den Wagen am Straßenrand parkte, blickten wir gespannt durch die abgedunkelte Fensterscheibe. Ich erschrak, als Sebastian plötzlich begeistert anfing zu jauchzen.
»Das ist definitiv besser als jeder Stripschuppen!«
Wir standen direkt vor einem Weihnachtsmarkt. Einem gigantisch großen Weihnachtsmarkt. Und wenn jemand Weihnachten mehr als alles andere liebte, dann war das Sebastian. Wir wurden von einem leuchtenden Eingangstor und einem großen blinkenden Weihnachtsmann begrüßt. Kitsch pur und Sebastian war nun mal der ungekrönte Kitsch-König. Er sprang aus der Limousine, wankte kurz, schnappte sich Jan und zog ihn kurzerhand hinter sich her. Wir anderen folgten mit viel Gebrüll.
Das Wetter war nahezu perfekt. Es war trocken und windstill, aber trotzdem kalt genug, sodass der Glühwein schmeckte.
Jan hatte ein kleines Programm vorbereitet. Schnell hatte jeder eine Tasse süßen Glühwein mit Schuss in der Hand. Und nach dem ersten Nippen wusste ich, dass am Hochprozentigen nicht gespart worden war. Nachdem wir alle zufrieden eine Tasse in der Hand hielten, lenkte Jan die Aufmerksamkeit wieder auf sich. Er zog einen kleinen Stoffbeutel aus seiner Jackentasche hervor und hielt ihn Sebastian entgegen.
»Hier, mein lieber, betrunkener Lieblingsbruder, sind Lose drin, auf denen Aufgaben stehen. Viel Glück.« Unsere lustige Truppe klatschte und jubelte Sebastian lautstark zu. Der lachte nur und zog selbstsicher eine kleine gelbe Papierrolle heraus.
»Fängt ja gut an, ich hasse Gelb.«
»Laut vorlesen«, grölte Christian neben mir. Ich würde heute wohl noch mein Gehör verlieren, wenn das so weiterging.
»Aaaaaalso ...«, Sebastian räusperte sich. »Das ist ja einfach! Ich soll einem Kind was Süßes spendieren.«
»Erklär‘s um Gottes willen erst mal den Eltern des Kindes. Nicht dass sie dich für einen Perversen halten«, gab ich hinzu und brachte damit alle zum Lachen. Dabei meinte ich das vollkommen ernst.
Sebastian machte sich auf zum nächstbesten Süßigkeitenstand und erntete dort einiges an Kinderlachen, da er kurzerhand zehn kandierte Äpfel kaufte und jedem der Kids, das nicht bei drei auf einem Baum war, einen in die Hand drückte. Er erklärte daraufhin den Eltern, die sich um ihn scharrten, noch den Grund seiner Großzügigkeit, woraufhin auch diese lachten und ihm die Hand schüttelten. Wohl als Gratulation für seine bald anstehende Vermählung.
Danach kam er hüpfend wieder zu uns zurück und hatte noch ein Karton mit Mohrenköpfen im Gepäck. Na ja, er wusste zumindest, wie er uns bei Laune hielt. Mit Alkohol und Süßkram war er bei mir an der richtigen Adresse.
Das nächste Los, das er aus dem Beutel zog, war schon eine etwas größere Herausforderung.
»Übe mit einer fremden Frau den Hochzeitswalzer«, las er vor und schaute mich hilfesuchend an.
»Fremde Frau«, betonte Jan. »Nora ist außen vor.«
»Verdammt«, fluchte Sebastian und schaute sich verzweifelt um. »Weißt du, wann ich das letzte Mal eine Frau angelabert habe? Da war ich 13 oder so.«
»War das nicht die eine Tussi aus deiner Parallelklasse, die männlicher aussah als du?«, konterte Jan und wich schnell dem angedeuteten Boxhieb von Sebastian aus.
Wir lachten und sprachen ihm Mut zu. Immerhin war er ja ein hübscher Mann und man sah ihm das mangelnde Interesse am weiblichen Geschlecht nicht auf den ersten Blick an. Auf den zweiten vielleicht schon ...
Nach einigem Hin und Her ging er zu einem Mädchen mit braunen Locken und neongrünen Ohrenschützern. Was er ihr sagte, konnten wir leider nicht hören. Aber sie lachte, drehte sich einmal kurz zu ihrer Freundin und zuckte dann mit den Achseln. Einige Sekunden später sahen wir die beiden schon ihre tänzelnden Runden drehen. Sie rempelten zwar hier und da ein paar vorbeischlendernde Menschen an, aber schnell bildete sich ein Kreis um das tanzende Paar und wir applaudierten und pfiffen den beiden aufmunternd zu.
Sebastian hatte es einfach drauf. Ob Männlein oder Weiblein, alle liebten ihn.
»Und nun?« Sebastian kam außer Atem, aber hoch motiviert, zu uns zurück und hüpfte aufgedreht von einem Bein auf das andere.
»Jetzt besorgst du erst mal die nächste Runde Glühwein und lädst die beiden Mädels auch gleich mit ein.« Daraufhin winkte Jan die lockige Tanzpartnerin und deren Freundin zu uns rüber und drückte Sebastian einige Geldscheine in die Hand.
Die beiden jungen Frauen, die sich als Sue und Natascha vorstellten, freuten sich über den kostenlosen Alkohol und flirteten auf Teufel komm raus mit den Jungs, die sich um sie scharten.
Wenn die wüssten ...
Ich hielt mich im Hintergrund und beobachtete das Szenario. Sebastian amüsierte sich prächtig und diese Natascha, eine blonde Schönheit, hatte sich wohl, ohne es zu wissen, den einzigen Hetero herausgepickt. Sie stieß nämlich zum wiederholten Male mit Jan an, ließ die Tassen laut klirren und lachte übertrieben über jeden seiner gar nicht allzu lustigen Sprüche. Würg! Ich konnte mir ein Augenrollen nicht verkneifen. Das wiederum merkte Christian, der vor Lachen ein paar Spritzer Glühwein herausprustete und mir neckisch den Arm um die Schulter legte. Mir war ganz und gar nicht zum Lachen zumute.
Im Laufe des Abends hatte Sebastian noch einiges an Aufgaben, die es zu lösen galt. Er musste 10 Minuten für den Maronen-Mann einspringen, während der sich über eine wohlverdiente Glühweinpause freute. Und Sebastian hatte Verkaufstalent! Er wurde einige Tüten voll heißer Maronen los. Er drängte sie den vorbeilaufenden Passanten geradezu mit Hilfe seines Charmes auf.
Danach zog er ein rosafarbenes Los. Auf dem stand geschrieben, dass Sebastian auf einem Karussell mitfahren musste. Das ließ sich der Gute nicht zweimal sagen. Er fuhr eine Runde in der Kindereisenbahn mit und jauchzte dabei teilweise lauter als die Kids um ihn herum. Beim ersten Tunnel hätte er sich dann, vor lauter Winken und Jubeln, fast zu spät geduckt. Erschrocken hielten wir die Luft an, doch als er wieder auftauchte und sich vor Lachen den Bauch hielt, waren wir alle dermaßen neidisch, dass wir die nächste Runde alle mitfuhren.
Das war ein Spaß!
Danach wurde es etwas schwieriger. Er musste Glöckchen sammeln. Und zwar zehn Stück, die von den Nikolausmützen stammten. Sein betrunkener Kopf war wohl Schuld