Geballte Ladung Liebe - Katharina Wolf Sammelband. Katharina Wolf

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andere als leicht. Ich sprach nicht gerne über mich und vor allem hasste ich es, über die schlimmste Zeit meines Lebens zu sprechen. Aber hatte ich eine Wahl? War ich ihm nicht ein paar Antworten schuldig? Nachdem ich ihn über Monate und Jahre aus meinem Leben ferngehalten hatte, sollte ich ihn nicht wieder von mir stoßen.

      »Hast du irgendwann in den letzten Jahren daran gedacht, dir das Leben zu nehmen?«

      Ich setzte mich auf und schaute ihn direkt an.

      »Nein, ich ...« In seinen Augen erkannte ich solch eine Verzweiflung, dass ich mir in diesem Moment nicht sicher war, mit wem ich mehr Mitleid haben sollte. Mit ihm oder mit mir?

      »Ach ...« Ich fuhr mir mit beiden Händen durch die Haare und presste dann die Fäuste auf meine Augen. »Das ist nicht so einfach zu erklären.« Sebastian hatte Tränen in den Augen. Oh Mann. »Okay, hör mir kurz zu. Ich hatte überlegt, wie es wäre, nicht mehr da zu sein. Nicht mehr so weiterleben zu müssen. Aber ans Sterben habe ich nie gedacht. Das ist ein großer Unterschied. Kannst du das verstehen?«

      Er schüttelte den Kopf. Wie sollte er auch, verdammt? So kranke, abartige Gedanken konnte er ja schlecht nachvollziehen. Dafür war er viel zu glücklich. Ich wollte ihm nicht sagen, dass ich andere Methoden gefunden hatte, um aus dem Leben zu fliehen. Meinem trostloses Dasein ein wenig Sinn einzuhauchen. Mir eine eigene, wenn auch kurze und falsche Realität zu schaffen.

      Wir redeten nicht weiter darüber. Was sollte man auch noch mehr dazu sagen? Sebastian hatte bestimmt noch tausend Fragen, die ihm auf der Zunge lagen. Aber ich glaube, er hatte Angst vor den Antworten. Verständlich. Also schwiegen wir.

      Nach einer Weile zog er mich näher an sich, bis ich wieder auf seiner Brust lag. Er schlang beide Arme um mich und legte sein Kinn auf meinem Kopf ab. Schön, warm, kuschelig. Ich hörte sein Herz laut und regelmäßig in seiner Brust schlagen. Wenn er nur nicht er wäre, sondern der Richtige. Es könnte alles so perfekt sein.

      »Ach Sebastian, warum musst du schwul sein?«

      »Ich wusste es. Du stehst auf mich.« Er lachte und seine Brust bebte unter meinem Ohr.

      »In hundert Jahren nicht.« Ich zwickte ihm in die Seite und mir wurde etwas leichter ums Herz. Das beklemmende Gefühl in der Brust ließ nach, wenn er da war. Zumindest ein wenig. Sebastian tat mir gut. Diese Wirkung hatte er schon immer auf mich gehabt.

      Ich hätte ihn nicht aus meinem Leben ausschließen dürfen. Das war ein großer Fehler gewesen.

      Jedoch nicht der größte.

      Mitternachtsgespräche

      Sebastian konnte einem wirklich auf die Nerven gehen. Ich persönlich wusste ihn zu schätzen und liebte ihn sehr, aber die arme Dame von Catering würde wohl ab jetzt Alpträume von ihm bekommen. So viele Extrawünsche hatte ich in meinem Leben noch nie gehört. Neben dem feinsten Filet von Schwein und Rind würde es natürlich auch Fischspezialitäten und diverse Beilagen geben. Bis dahin okay. Alles nachvollziehbar. Aber dann forderte er auf einmal nicht nur eine vegetarische, nein, sogar zusätzlich auch noch eine vegane Alternative. Auch beim Dessert sollte an nichts gespart werden. Egal, ob Panna Cotta, Mousse au Chocolat, Tiramisu und diverse Kuchen und Kekse - es wurde an alles gedacht. Zusätzlich würde für all diejenigen, die als Magenschließer nicht so gerne Süßes mochten, noch eine monströse Käseplatte gereicht werden. Mit Sorten aus allen Herren Ländern, versteht sich.

      Alles schön und gut, dachte sich wohl auch die Catering-Dame bis dahin. Der Kunde ist König. Als es dann aber ums Bezahlen ging, verstand wohl niemand mehr Spaß. Sebastian verhielt sich wie auf einem türkischen Basar. Er handelte und zockte mit einem ziemlich verwirrenden Pokerface. Zwischendurch war ich doch etwas peinlich berührt. Aber das Schlimmste war, dass er tatsächlich erfolgreich damit war. Er schaffte es, einen Rabatt von über 20 Prozent herauszuschlagen. Ich schüttelte nur noch fassungslos den Kopf. Manchmal zahlte sich Dreistigkeit einfach aus. Sollte ich mir vielleicht auch angewöhnen.

      Nun, einige Stunden später, saß ich alleine auf dem Sofa im Wohnzimmer und schaute die gefühlt hundertste Folge Greys Anatomy hintereinander. Sebastian hatte alle Staffeln im DVD Regal stehen und da dachte ich mir: Why not? Ich hatte ja schon ziemlich viel von der Serie gehört und neben den Dramen dort wirkte mein Leben geradezu langweilig. Sebastian hatte sich mit einigen Kumpels in einer Kneipe verabredet. Und da Hiroki heute auch unterwegs war, hatte ich sturmfreie Bude. Mit Chips, Cola und nervenaufreibenden Arztserien machte ich es mir gemütlich und genoss die ruhigen Stunden eingekuschelt in einer Decke.

      »Noraaaaaaaaa ...«

      Ich schreckte auf. Was zur Hölle war das? Ich rieb mir die Augen und schaute mich in der dunklen Wohnung um. Der Fernseher zeigte das DVD-Menü und erhellte das Wohnzimmer in einem schwachen Licht. Ich hörte einen lauten Rülpser und ein darauf folgendes Kichern.

      »Hallo?«, fragte ich von meinem Platz aus in den dämmrigen Flur. Dort kauerte eine Gestalt auf dem Boden.

      »Nora?«

      »Hiro?«

      »Wo is Sebassian?« Er hörte sich quengelig an.

      »Hiro, warum sitzt du auf dem Boden?«

      »Meine Schuhe, ich kann meine Schuhe nich aussiehn. Sebassian hat gesacht, wenn ich mit Schuhen in de Wohnung komm, kastriert er mich. Ja, das hatter gesacht!«

      Ich schob die Decke von meinen Beinen und lief zu ihm. Ich schaltete das Licht im Flur an und erntete ein Stöhnen aus Bodennähe.

      »So hell.«

      »Hat Licht so an sich.«

      Ich kniete mich zu ihm hinunter und erkannte das Problem sofort. Er hatte es geschafft, den Knoten beider Schuhe so festzuziehen, dass ich da keine Chance sah, das jemals zu entwirren.

      »Da hilft nur noch Amputation, Hiro.«

      »Oh neeeeeeeeeeein«, jammerte er und strampelte mit den Füßen. Was Alkohol aus einem gestandenen Mann machen konnte ... Ich rollte mit den Augen.

      »Miss Steele, ham Se gerade mit den Augen gerollt?«

      »Hiro, zu zitierst nicht wirklich aus Fifty Shades of Grey?«

      »Öhm, doch!« Ich rollte ein weiteres Mal mit den Augen und erntete ein Kichern. Wie viel Promille musste man haben, um sich selbst für Christian Grey zu halten? Ich schätze, Hiro befand sich im zweistelligen Bereich.

      »Hiro, bleib hier sitzen, ich hole eine Schere.«

      »Amuntation? Mussu meine Füße amuntieren?«

      »Ähm, ja klar, Hiro ...«

      Nachdem ich seine Schnürsenkel durchgeschnitten, ihn aus seinen Schuhen befreit und mit Müh und Not zur Couch geschleppt hatte, schenkte ich ihm ein Glas Wasser ein.

      »Trink!«

      »Jacky?«

      »Klar, trink!«

      Er gehorchte. Wenigstens etwas.

      »Und, was hast du so getrieben, außer dich grundlos volllaufen zu lassen?«

      »Woher wilssu wissen, dasses keinen Grund gab?«

      »Gab es einen?«

      »Immer«, antwortete er wie aus der Pistole geschossen.

      »Nenne mir nur einen.«

      »Lass uns doch mal über was Innersanteres sprechn, Nora.« Als er meinen Namen aussprach, stupste er mit dem Zeigefinger gegen meine Nasenspitze. Er wollte wohl noch mal bestärken, dass ich gemeint war, weil sich ja auch noch so viele andere Menschen im Raum befanden. Doch leider ging sein Plan nicht auf. Er rutschte ab und landete direkt in meinem rechten Auge. Ich fluchte leise vor mich hin und wischte mir mit dem Handrücken die Tränen von der Wange, während Hiro kicherte und irgendetwas vor sich hin brabbelte.

      »Okay, was denn? Was willst du mit mir besprechen?« Hiro setzte sich gerade hin und sah mir direkt in die Augen. Auch wenn ihm das nicht leicht zu fallen schien.


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