Geballte Ladung Liebe - Katharina Wolf Sammelband. Katharina Wolf
zu husten.
»Über was bitte?«, fragte ich mit piepsiger Stimme.
»Sein Hiiiiintern, du wirs ihn doch mal betrachtet ham ...«
»Ähm, ja.«
»Nich schlecht, oder?« Das war er tatsächlich nicht. Und ich ging nicht davon aus, dass sich in den letzten Jahren etwas daran geändert hatte.
»Was willst du denn mit Jans Hintern?«
»Was unterstellstn du mir hier eigentlich, ich will gar nichts von ...«
»Jaja, Hiro«, unterbrach ich ihn. »Du hast mit dem Thema angefangen.«
»Ich?«
Ich seufzte und wünschte, ich wäre auch nur annähernd so voll wie er. Dann könnte ich diesem Gespräch vielleicht etwas Sinnvolles abgewinnen.
»Na ja, egal, Hiro, wie wär‘s, wenn du jetzt schlafen ge-«
»Er hat von dir gesprochn«, brach es plötzlich aus ihm heraus. Hatte ich mich gerade verhört?
»Wer hat von mir gesprochen?«
»Jan, vorhin. Wir warn einen trinkn, wie man unschwer erkennen kann.« Er lachte und zeigte mit beiden Daumen auf sich. Er schien auch noch stolz auf seinen aktuellen Zustand zu sein. »Hat ziemlich viel ausgegebn. Fast die komplette Rechnung ging auf ihn.« Er kicherte wenig männlich und lehnte sich dann wieder zurück. »Wollte wissn, wies dir geht und wassu so treibst.«
»Was hast du zu ihm gesagt?«
»Dassu ein frustrierter kleiner Emo bis undn ganzen Tag Zuhaus rumhockst.«
»Hiro!«, schrie ich ihn entsetzt an.
»Hätt ich lügn solln?«
Ich schüttelte den Kopf und fuhr mir mit beiden Händen durchs Haar.
»Darf ich dich was fragn, Nora?« Jetzt klang seine Stimme leise. Fast so, als wolle er mir ein Geheimnis entlocken. Ich nickte nur. »Wie warn das vor vier Jahrn? Mitm Kuss un so. Jan hat da bissl was erzählt, aber isch habs nisch verstandn.«
Ich versteifte mich und schnappte überrascht nach Luft. Der Abend, den ich in meinem Kopf immer und immer wieder hatte Revue passieren lassen und seit meinem Umzug verzweifelt versuchte, aus meinem Gedächtnis zu verbannen. Ich hasste die Erinnerungen an die Abi-Party.
»Das war nichts«, antwortete ich leise.
»Du hattest also nich schon Ewichkeiten ‚n Verhältnis mit ‚nem annern oder so?«
»Hiro, der Typ hat mich einfach geküsst. Ohne mein Einverständnis. Da war sonst nichts.«
»Also war‘s nich deine Schuld?«
»Doch.«
»Wieso? Es war ja eindeutich ‚n Missverstännis.«
»Aber ich hätte es niemals so weit kommen lassen dürfen. Vielleicht habe ich ihm Hoffnungen gemacht oder hab die Zeichen falsch gedeutet, irgendwelche irreführenden Signale gesendet. Was weiß ich ... Ich hab ihn zu nah an mich rangelassen. Das war der Fehler.«
»Un dessalb läss du jezz niemanden mehr an dich ran.«
Ich schaute ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue skeptisch an.
»Bin ich hier beim Therapeuten gelandet oder was?«
Hiro rülpste als Antwort und lachte anschließend. Ob über meinen angeekelten Gesichtsausdruck oder über sich selbst, wusste ich nicht.
»Ich glaube, ich bin zu betrunkn, um weiter logisch zu denkn. Aber vielleicht solltest du mal mit Jan über alles sprechn.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Lass gut sein, Hiro. Passt schon. Lass uns lieber ins Bett gehen, es ist schon nach Mitternacht.«
»Ich geh nich mit dir ins Bett«, gab er entsetzt zurück.
»Idiot, Sebastian kommt bestimmt bald heim. Wenn der dich so sieht, wird er die Drohung mit der Kastration vielleicht doch noch in die Tat umsetzen.«
»Ich hab keine Schuhe an«, brüllte Hiro prompt los und hob beide Füße in die Luft. Demonstrativ zeigte er auf seine grauen Socken. »Ich bin unschuldich.«
»Okay, Hiro, ich bin Zeuge und werde notfalls auch unter Eid für dich aussagen.«
»Danke, Nora.« Er schien ehrlich erleichtert zu sein, dieser besoffene Idiot.
»Und jetzt gehst du lieber mal ganz schnell ins Bett und schläfst deinen Rausch aus.«
»Wo is Sebassian?«
»Irgendwo. Keine Ahnung. Der kommt bestimmt auch bald nach Hause.«
Hiro stöhnte und wuschelte sich wild durch sein Haar, bis es ihm in alle Richtungen vom Kopf abstand.
»Nora? Bringsu mich ins Bett?«
Ich rollte mit den Augen, stand auf und streckte ihm eine helfende Hand entgegen.
»Miss Steele, es war mir eine Freude.«
»Du mich auch, Hiro.«
Kleider machen Leute
Wir stiegen aus dem Auto und eh ich mich versah, standen Hiro links und Sebastian rechts von mir. Das ging so schnell, als hätten sie übernatürliche Fähigkeiten. So wie dieser blasse Edward-Typ, der ja auch nonstop in Lichtgeschwindigkeit um Autos herumwirbelte. Anscheinend hatten die beiden Angst, ich würde im nächsten Moment einen Fluchtversuch starten und wegrennen. Mir war auch irgendwie nach Flucht zumute. Wenn mir eines aus der Vergangenheit mit Sebastian in Erinnerung geblieben war, dann die schrecklichen Shoppingerlebnisse mit ihm. Ich persönlich konnte langen Einkaufstouren noch nie viel abgewinnen. Aber wenn ich ein neues Kleidungsstück brauchte oder gerade Ausverkauf war, konnte man sogar mich mal an einem Wühltisch oder in einem überfüllten Einkaufscenter erwischen.
Aber mit Sebastian war es die Hölle!
Er war schlimmer als jede Frau!
Er konnte sich nie entscheiden, war mit allem unzufrieden, hatte zu hohe Ansprüche und war viel zu schnell schlecht gelaunt. Als eine Verkäuferin sich einmal tatsächlich erdreistet hatte, ihm zu sagen, dass ihm das Hemd, das er anprobiert hatte, wunderbar stand, hatte er sie vor der versammelten Belegschaft angeschrien und lautstark gefragt, ob sie noch ganz richtig im Kopf war. Im Nachhinein musste ich grinsen, wenn ich daran dachte. Das war mittlerweile bestimmt schon fünf oder sechs Jahre her. Aber ich war mir sicher, dass Sebastian sich in puncto Shopping garantiert kein bisschen geändert hatte.
»Ey, aber ich hab nicht allzu lange Zeit. Ich hab noch ‚nen Termin. Da darf ich echt nicht zu spät kommen! Also entscheide dich schnell für einen Anzug. Kann ja nicht so schwer sein. Hose, Hemd, Sakko. Fertig!«
»Du hast leicht reden. Meinst du, das ist der erste Laden, in dem wir was Passendes suchen?« Hiroki schielte mich mit einer kritisch hochgezogenen Augenbraue von der Seite an. Er hatte einen leicht genervten Unterton in der Stimme.
»Was? In wie vielen Läden wart ihr denn schon?«
»Das ist der Fünfte.«
»Der Fünfte?«, schrie ich schockiert.
»Nicht jeder hat das Glück, gleich im ersten Laden das Richtige zu finden«, gab Sebastian etwas bissig zurück.
»Du hättest ja den Gleichen nehmen können. Aber das wolltest du ja auch nicht.«
»Wer Partnerlook trägt, hat auch auf Facebook ein Partnerprofil. Das geht gar nicht.«
»Ich glaube ja, dass er gar nicht weiß, was er anziehen möchte«, sagte Hiro zu mir und zeigte dabei mit dem Daumen auf seinen zukünftigen Gatten, der beleidigt seine Unterlippe nach vorne schob und uns finster anschaute.
»Aber wenn ich es sehe, dann weiß ich es!«
»Wir