Geballte Ladung Liebe - Katharina Wolf Sammelband. Katharina Wolf
... Der beste Kuss aller Zeiten.
Der Tag danach
Als ich erwachte, spürte ich zuerst ein Kitzeln in der Nase. Ich kräuselte sie und schnaubte, aber das störende Gefühl wollte nicht verschwinden. Ich war zu müde, um mich zu rühren oder gar die Augen zu öffnen. Schließlich wurde das Gefühl aber so unangenehm, dass ich nicht mehr drum herum kam. Ich musste meine Hand bewegen und das, obwohl ich so müde und so angenehm warm in meine Decke eingewickelt war. Ich kratzte mich mit vom Schlaf noch tauben Fingern im Gesicht und spürte Haare.
Ich öffnete ein Auge und entdeckte Jans Haarschopf direkt vor mir. Ich hatte wohl eine seiner Haarsträhnen eingeatmet. Wie ekelhaft war das bitteschön?
Ich stützte meinen Kopf mit der Hand ab, den Ellenbogen auf dem Kopfkissen und er wandte unbewusst mir sein Gesicht zu. Er sah so schön aus. Er hatte ewig lange Wimpern, seine Haare standen ihm wirr und sexy vom Kopf ab und ich konnte einen leichten Bartschatten an Wangen und Kinn erkennen. Ich würde ihn ja gerne noch ewig so beobachten und anschmachten. Einfach den unbeobachteten Moment ausnutzen. Aber es war zu verlockend. Ich musste ihn berühren. Sacht fuhren meine Finger über seine Schläfen, die Linie seines Kinns entlang. Langsam streichelte ich über die sinnliche Rundung seiner Oberlippe und erschrak, als ich seine offenen Augen bemerkte.
»Hey du«, hauchte er.
»Hey du«, gab ich leise zurück.
Dann lächelte er mich an und zeigte eine Reihe weißer Zähne. Automatisch bewegten sich meine Mundwinkel nach oben. Ich konnte nichts dagegen tun. Er hatte diese Wirkung auf mich.
Jan streckte sich neben mir genüsslich, gähnte laut, packte mich und zog mich ganz eng an sich heran. Er presste seinen Schritt verführerisch an meinen Hintern.
»Du Schuft.« Er brummte und rieb sich aufreizend an mir. »Du scheinst ja erstaunlich fit zu sein, wenn man bedenkt, was du gestern noch so alles getrunken hast.«
»Sprich bitte nicht davon, ich bin total fertig.«
»Nur untenrum fit?«
»Genau«, hauchte er mir warm in den Nacken und verschaffte mir damit eine Gänsehaut am ganzen Körper. Er knabberte an meinem Ohrläppchen und mir entfuhr ein Stöhnen. Das Geräusch alleine genügte ihm. Er drehte mich auf den Rücken, legte sich zwischen meine Beine und stützte sich mit den Armen links und rechts von mir ab. Er küsste mich stürmisch und rieb sich verführerisch an mir. Ich war kein Morgenmensch und nach dem Aufstehen eigentlich zu nichts zu gebrauchen, aber zu Sex mit Jan würde ich niemals nein sagen.
»Wie hat dir die Hochzeitsfeier gefallen?« Ich lag mit dem Kopf auf seiner nackten Brust und er streichelte mir verträumt über meinen Oberarm.
»Eine geniale Feier. Den Zwischenfall blende ich einfach mal aus.«
Fernanda ... sie soll in der Hölle schmoren.
»Können wir bitte nicht über sie sprechen? Dafür ist es gerade zu gemütlich«, gab Jan seufzend zurück.
»Nichts lieber als das.«
Nach dem Drama und Jans Liebeserklärung war Fernanda gegangen. Sie war zornig und wutschnaubend aus dem Raum gestürmt und laut Hiro kam sogar Rauch aus ihren Ohren, wobei mir das etwas übertrieben vorkam.
Als Jan und ich Hand in Hand den Festsaal wieder betraten, wurden wir von stürmischem Applaus begrüßt. Allen voran natürlich Sebastian und Christian, der sich mit einem Taschentuch schnäuzte und theatralisch einige Tränchen wegtupfte. Wir hatten wohl für die romantischste aller Showeinlagen gesorgt. Na ja, dann war das Drama wenigstens für etwas gut gewesen. Auch wenn ich persönlich gerne darauf verzichtet hätte.
Einige Minuten lagen wir schweigend und eng aneinander gekuschelt einfach nur so da und dachten an den gestrigen Abend. Ich küsste ab und an seine Brust und genoss ansonsten seine zärtlichen Berührungen. Aber eines wollte ich dann doch noch loswerden.
»Sag mal ...« Ich drehte mich zu ihm um und schaute ihm direkt in die Augen. »Du empfindest nichts mehr für sie?«
»Bitte Nora, rede dir nicht schon wieder etwas ein.«
»Ich meine ja nur ... Du warst mit ihr auch fast zwei Jahre zusammen, oder? Das ist, na ja, das geht doch nicht spurlos an einem vorbei.«
Jan legte sich auf den Rücken, kreuzte die Arme hinter dem Kopf und blickte an die Decke.
»Es waren ja nicht mal komplette zwei Jahre. Das war eine On-Off-Sache. Und mit der Lüge ... Ich werde ihr niemals verzeihen, dass sie uns auseinandergebracht hat. Damit hat sie alles zerstört.« Ja, das war wirklich ein starkes Stück. So eine linke Tour konnte man weder vergessen noch verzeihen.
Ich war zufrieden mit seiner Antwort. Vorerst.
»Wie spät ist es eigentlich?«, Jan lag mit seinem Gesicht an meinen Bauch gepresst, atmete gegen meinen Bauchnabel und hatte die Arme um mich geschlungen. »Meinst du, die beiden Frischvermählten sind schon wach?«, fragte er und drehte seinen Kopf in meine Richtung.
»Bei denen ging‘s bestimmt noch heiß her, immerhin war das ihre Hochzeitsnacht.« Ich zog meine Augenbrauen ein paarmal anzüglich in die Höhe.
»Uuuuuäää, too much information«, stöhnte Jan und vergrub sein Gesicht zwischen meinen Brüsten.
»Du bist doof.« Ich kicherte und schlang meine Arme um ihn.
Sebastian und Hiro hatten die Nacht, im Gegensatz zu uns, in einem Hotel verbracht. Natürlich in einer Hochzeitssuite mit kühlem, prickelndem Champagner, auf dem Bett verstreuten Rosenblättern und was man eben noch so für eine romantische Nacht brauchte. Ich kannte mich da nun wirklich nicht allzu gut aus. Auf jeden Fall wollten sie, dass ihre gemeinsame Nacht besonders war und nicht mit Jan und mir im Nebenzimmer. Verständlich.
»Bestimmt bekommen sie gerade Frühstück aufs Zimmer.«
»Oooh, jetzt bin ich neidisch. Ich will auch im Bett frühstücken«, nörgelte ich und spürte in dem Moment erst, wie hungrig ich war.
»Weißt du was?« Jan richtete sich abrupt auf und schaute mich mit großen Augen an. »Ich mache Frühstück, okay? Du solltest eh ein wenig mehr essen.« Er pikste mir in die Rippen und ich zog daraufhin einen Schmollmund. Er küsste mich auf eben diesen und streichelte mir über meinen nackten Rücken. »Versteh mich nicht falsch, du bist echt heiß.«
»Jaja, ist schon klar«, winkte ich ab und verdrehte die Augen.
»Also wie wär‘s? Ich brate uns ein paar Eier, ein bisschen Toast und Wurst dazu und bin dann gleich mit allem wieder hier. Kaffee oder Tee?«
»Kaffee, bitte.«
»Okay.« Er beugte sich zu mir hinunter, um mir erneut einen liebevollen Kuss auf die Lippen zu hauchen. »Warte hier auf mich.« Dann sprang er nackt aus dem Bett, schlüpfte in seine Boxershorts und lief beschwingt in Richtung Küche.
Natürlich würde ich auf ihn warten. Ich hatte viel zu lang auf ihn verzichten müssen.
Vier Jahre waren eine verdammt lange Zeit. Es war heftig und nicht selten war ich der festen Überzeugung gewesen, daran zu zerbrechen. Unterzugehen. Keine Kraft mehr zu haben weiterzumachen. Ich konnte immer noch nicht so recht glauben, dass diese Zeit einfach vorbei sein sollte. War das mein Happy End?
»Den Kaffee immer noch mit Milch und ohne Zucker?«, rief mir Jan aus der Küche zu und ich konnte ein Grinsen nicht verbergen.
»Jap, hat sich nicht geändert.«
Genau wie meine Gefühle.
Ich liebte diesen Mann so sehr. Und er? Er schien mich auch zu lieben. Die Vergangenheit war scheiße gewesen. Einiges war schief gelaufen. Wir hatten beide Fehler gemacht und ich bereute nichts so sehr wie meinen.
Aber uns wurde eine zweite Chance geschenkt. Ob wir sie nutzen würden?
Würde es halten?
Wer wusste schon