Rescue: Zeig's mir mit Gefühl. Janice Blendell
verstand gar nichts. Warum sollte sie plötzlich gehen wollen?
„Okay.“ Sie knetete ihre Hände, bevor sie ihre Arme um ihren Körper schlang.
„Komm.“ Marc ging vor und öffnete eine große, schwere Holztür. Dahinter befand sich eine Steintreppe, die in den Keller führte.
Sobald er durch die Tür gegangen war, ging automatisch ein schwaches Licht an. Am Fuß der Treppe führte ein steinerner Weg, ähnlich einem in einer alten Burgruine, weiter in den Keller hinein. An den Wänden waren elektronische Fackeln angebracht, die jetzt ebenfalls leuchteten und den Gang erhellten.
Karen zog die Augenbrauen hoch und folgte Marc die Treppe hinunter. Ron war direkt hinter ihr. Sie fröstelte und schlang die Arme fester um ihren Oberkörper.
Von dem Gang gingen mehrere Türen ab. Als er eine Tür vor ihr öffnete, stand Karen in einer Art Gewölbe, das einem Folterkeller ähnelte. Erschrocken hielt sie die Luft an.
An einer Wand hingen Peitschen, Gerten, Stöcke und Dinge, die sie noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen hatte. Böcke und Andreaskreuze standen in Nischen mit Rundbögen. Die Atmosphäre wirkte erdrückend und bedrohlich. So etwas hatte sie schon mal auf einer Internetseite gesehen. In ihr zog sich alles zusammen, und der Drang, zu flüchten, wurde übermächtig. Hektisch blickte sie zur Tür.
Marc bemerkte ihr Unbehagen und trat dicht an sie heran. Er berührte ihre Schulter.
Karen zuckte zusammen und wagte es nicht, sich zu bewegen. Starr wie eine Salzsäule stand sie da.
„Du befindest dich in unserem Privatclub. Ron und ich praktizieren schon lange BDSM. Wir sind Master und dominieren Frauen, die das wollen. Ich kann verstehen, wenn dich das beunruhigt, aber ich kann dir versichern, dass weder ich noch Ron eine Gefahr für dich sind. Du kannst jederzeit gehen, wenn du das möchtest. Versuch, dich etwas zu entspannen, es ist alles in Ordnung.“ Marc redete beruhigend auf sie ein.
Karen hatte schweißnasse Hände, sie verstand nicht, was er ihr damit sagen wollte. Aber sie konnte sich etwas entspannen. Der Knoten in ihrer Brust löste sich. Sie glaubte ihm, dass weder er noch Ron ihr etwas antun wollten. „Warum zeigt ihr mir das alles?“
„Damit du das, was wir die gleich erzählen werden, besser verstehen kannst. Hinter der Tür dort hinten links ist ein kleines Büro. Komm mit, dort können wir uns hinsetzen und reden.“ Ron ging vor und machte ihr die Tür auf, Marc folgte ihnen.
In dem Raum standen ein Schreibtisch, ein Drehstuhl und ein weiterer Tisch mit zwei Stühlen. Marc rückte ihr einen Stuhl zurecht und setzte sich ihr gegenüber, Ron nahm den Drehstuhl und setzte sich ebenfalls an den Tisch.
Er erzählte ihr dann ohne Umschweife von Tom und der Session mit Susan. Marc beobachtete Karens Reaktion darauf. Sie schüttelte mehrfach den Kopf, riss die Augen auf und wollte anscheinend das Gesagte nicht wahrhaben.
„So ein Blödsinn“, schnaubte sie.
„Karen, bitte, es ist die Wahrheit, ich war dabei“, versuchte Ron, seine Aussage zu untermauern.
„Ich kenne Tom schon eine Weile, und er hat mir nie in irgendeiner Weise wehgetan oder etwas gemacht, was mir nicht gefiel.“
„Vielleicht will er dich in Sicherheit wiegen. Keine Ahnung, ich weiß es nicht, aber ich habe gesehen, zu was er fähig ist.“
„Ich kann das nicht glauben.“ Sie sah die Männer entrüstet an.
„Welche Erklärung hast du denn für den Tisch, den er bei uns in Auftrag gegeben hat?“, versuchte Marc zu intervenieren.
„Praktizierst du mit Tom BDSM?“, fragte er weiter.
„Nein! Ich habe keine Ahnung davon. Ich bin nicht … also … ich habe keine Erfahrung mit derartigen Spielen.“ Gereizt sah sie die Männer an und rieb sich über ihre Stirn. „Hört zu, ich habe keine Erklärung für den Tisch, aber es gibt sicher eine. Ich vertraue Tom, und es gibt für mich auch keinen Grund, warum ich das nicht tun sollte. Er ist momentan auf Geschäftsreise, aber wenn er am Wochenende nach Hause kommt, werde ich das mit ihm klären.“ Karen verschränkte die Arme vor ihrer Brust.
„Karen, ich bin mir sicher, dass Tom Watts gefährlich ist“, versuchte Ron es erneut.
„Danke für die Fürsorge, aber wie schon gesagt, das glaube ich nicht. Ich werde jetzt gehen.“ Sie stand auf und wollte zur Tür raus, als Ron sie zurückhielt.
„Warte.“ Er kramte in einer der Schreibtischschubladen und holte eine Visitenkarte hervor, auf die er seine und Marcs Handynummer schrieb, bevor er sie ihr reichte. „Du wirst sicher das Richtige tun, aber ruf an, wenn du noch Fragen hast oder Hilfe brauchst.“
„Gut, wenn es euch beruhigt.“ Karen griff nach der Visitenkarte und ging aus dem Büro. Marc und Ron folgten ihr.
In dem Kellerraum blieb sie kurz stehen und schaute sich noch einmal um. Alles, was sie sah, war erschreckend und faszinierend zugleich. Ron verfolgte jeden ihrer Blicke und ihre Reaktion auf die Möbel und Schlagwerkzeuge, die sich in dem Raum befanden.
„Neugierig geworden?“, fragte er scherzhaft.
Karen bekam roten Wangen, schüttelte den Kopf und Ron lachte.
„Komm, ich bringe dich zu deinem Wagen.“
Kapitel 3
Auf dem Weg nach Hause gingen Karen tausend Gedanken durch den Kopf. Welchen Grund hätten die beiden, ihr Lügen zu erzählen? Ist vielleicht doch etwas Wahres an den Aussagen dran? Bei dem Gedanken umfasste sie ihr Lenkrad so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Kann ein Mensch wie Tom zwei Seiten haben? Bin ich so verliebt, dass ich in Tom jemand anderen sehe als Ron und Marc? Aus lauter Verzweiflung darüber, was sie glauben oder nicht glauben sollte, liefen Tränen an ihren Wangen runter. Sie wischte sie, wütend über sich selbst, mit dem Handrücken weg. Es gab nur eine Möglichkeit: Sie musste bis zum Wochenende warten und dann mit ihm über die Vorwürfe von Ron und Marc sprechen.
Am Abend rief sie ihre Freundin Zoe an, die sie schon seit der Grundschule kannte. Sie telefonierten regelmäßig, da Zoe in Minneapolis wohnte und ein spontaner Besuch nicht möglich war. Dafür war die Entfernung zu groß. Karen konnte mit ihr über viele Dinge sprechen, das Thema Sex gehörte jedoch nicht dazu, da Zoe sehr konservativ erzogen worden war. Von ihrer Beziehung zu Tom wusste sie jedoch.
Sie schilderte Zoe die Situation, ließ aber seine angeblichen Vorlieben in puncto Sex aus und erwähnte weder das Landhaus noch die beiden Männer, die sie dort getroffen hatte. Sie erzählte ihr, dass es Gerüchte gebe, Tom wäre in einer Beziehung schon mal handgreiflich geworden, und dass sie deswegen völlig durcheinander sei.
Zoe hörte ihr zu, konnte ihr aber keinen wirklich guten Rat geben, denn sie kannte Tom bisher nicht persönlich und konnte ihn nicht einschätzen. Zoe stimmte Karen aber zu, dass sie auf jeden Fall mit ihm darüber reden müsse. Zoe bot ihr an, dass Karen jederzeit zu ihr kommen könne, falls es zum Ende der Beziehung kommen sollte.
Karen beendete das Gespräch und war dankbar für das Angebot. Den ganzen Abend über schnürte diese Ungewissheit ihr die Kehle zu. Sie könnte Tom anrufen, aber sie befand, dass es kein Thema war, das am Telefon geklärt werden könnte. Karen entschied sich dazu, früh ins Bett zu gehen.
Trotzdem war sie am nächsten Morgen müde und wenig ausgeruht. Sie versuchte, ihrer Arbeit in der Kanzlei so gut es ging nachzukommen. Wenn eine Kollegin sie darauf ansprach, dass sie blass und müde wirke, gab sie vor, dass eine Erkältung im Anmarsch sei.
Der Donnerstag verging quälend langsam. Tom würde am Abend nach Hause kommen, dann hätte sie Gewissheit. Sie erwartete ihn gegen sieben zurück.
Den ganzen Tag über hatte sie sich Gedanken gemacht, wie sie Tom auf das, was Ron ihr erzählt hatte, ansprechen sollte. Immerhin hatte sie ihm