Keiner zwischen uns. Carolin Hristev

Keiner zwischen uns - Carolin Hristev


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sind wir noch nicht zusammen.

      »Finde ich auch.« Ich schaffe es, dass dieser Satz einigermaßen normal klingt.

      Wieder strahlt sie mich an.

      An der Haltestelle holt sie ihr Handy raus. »Wollen wir Nummern tauschen?«

      »Ja, klar!«

      Während ich ihre Nummer eintippe, steht sie so dicht neben mir, dass ihre glatten braunen Haare mich an der Schulter kitzeln.

      Und in diesem Moment taucht Marie auf. Ich gucke hoch und sehe sie genau auf uns zukommen. Sie schaut mir direkt in die Augen.

      »Hi, Nelson«, piepst sie.

      »Hi, Marie!«, sage ich verwirrt. Sie quetscht sich an mir vorbei und guckt auf den Fahrplan, und für einen Moment steht rechts von mir Katharina und links von mir Marie.

      Voll merkwürdiges Gefühl.

      Dann stellt Marie sich drei Schritte von uns entfernt hin, guckt auf die Straße und rührt sich nicht mehr.

      Katharina redet weiter von dem Segelkurs, den sie in den letzten Ferien gemacht hat. Ich versuche, mich darauf zu konzentrieren, was sie sagt. Und nicht darüber nachzudenken, dass zweieinhalb Meter von mir entfernt meine große Liebe steht. Und zweieinhalb Zentimeter von mir entfernt dieses Mädchen, das ich die ganze Nacht im Arm gehalten habe. Definitiv eine merkwürdige Situation.

      Aber irgendwie finde ich es gut. Hey Marie, denke ich, ich bin dir wahrscheinlich ziemlich egal, aber guck mal, es gibt auch andere Mädchen! Und ob du’s jetzt glaubst oder nicht, manche wollen sogar in meinem Arm schlafen! Und Katharina lacht und erzählt, wie sie beinahe über Bord gegangen wäre und zupft dabei mit einer Hand an meinem T-Shirt herum, und mit der anderen hält sie immer noch meine Hand.

      »Danke für alles!«, flüstert sie in mein Ohr, als der Bus vor uns hält.

      Ganz, ganz kurz umarme ich sie. »Komm gut nach Hause!« Es klingt richtig profimäßig. Als würde ich das jeden Tag zu Mädchen sagen, die bei mir übernachtet haben.

      Die beiden klettern fast nebeneinander in den Bus, und ich weiß gar nicht, auf wen ich mich konzentrieren soll. Katharina winkt noch mal durch die Scheibe, und dann sind sie weg.

      Ich schlendere langsam nach Hause.

      Was man an einem ganz normalen Tag so alles erleben kann …

      »Ein nettes Mädchen«, sagt Mama, »aber eine Erklärung hätte ich trotzdem gerne!«

      Ich erzähle, wie Katharina von ihrem Ex ins Gesicht geschlagen wurde und heulend vor dem Club stand, ohne Schlüssel und so.

      Mama findet es gut, dass ich geholfen habe.

      »Wo hast du sie denn schlafen lassen?«

      »In meinem Bett.«

      »Und du hast dann wahrscheinlich auf der Couch gelegen.«

      Ich muss kurz überlegen. Mama ist ziemlich gechillt. Aber ist sie gechillt genug?

      »Nee. Sie wollte in meinem Arm schlafen.«

      Mama guckt mich mit großen Augen an.

      »Sonst war nichts«, sage ich schnell. »Die war todmüde, und ich auch, und wir haben einfach nebeneinandergelegen und gepennt.«

      Mama reißt immer noch die Augen auf und ich frage mich, ob sie wirklich so gechillt ist, wie ich dachte.

      »Nelson …«

      »Hm?«

      »Ich find’s schön, dass du so ein nettes Mädchen kennengelernt hast. Aber wir müssen über einige Dinge sprechen. Eine Beziehung …«

      »Mama! Das ist keine Beziehung.«

      »Umso wichtiger ist es, dass man bestimmte Dinge beachtet.«

      Oh Mann. Hätte ich mal den Mund gehalten …

      Doch es wird gar nicht sooo schlimm. Mama hält mir einen zwanzigminütigen Vortrag über Teenagerschwangerschaften und Verhütung und Verantwortung und als sie fertig ist, fragt sie mich, ob ich sie verstanden habe. Ich nicke, und ich glaube auch, dass ich sie wirklich verstanden habe, und dann entlässt sie mich nach draußen.

      Ich sitze auf dem Krokodil und tippe eine Nachricht an Hamza. Und während ich auf ihn warte, denke ich daran, wie weich Katharinas Haare sind. Und wie sanft und warm sich ihr Körper neben meinem angefühlt hat.

      »Na, Checker?«, sagt Hamza und hält mir die flache Hand hin. Wir klatschen uns ab.

      »Na«, sage ich und versuche, so zu klingen, als wäre ich wirklich voll der Checker. Dann schweige ich erst mal. Als Checker muss man vor allem eins können: Cool schweigen.

      Hamza setzt sich neben mich. Er spielt mit dem Fußball herum, den er mitgebracht hat. »Lass hören, Digga. Wie war’s?«

      »Geil«, sage ich. Was sonst?

      »Wie is’n so’n Frauenkörper?«

      »Geil«, sage ich. Dann schweige ich wieder. Und versuche, mich zu erinnern. Und die passendsten Worte zu finden. Die besten Worte, um dieses Wunderschöne zu beschreiben: Einen Frauenkörper.

      »Zart, halt.«

      »Und wie weit hat sie dich rangelassen?«

      Das ist jetzt ein bisschen ein Dilemma für mich.

      Aber Hamza ist mein bester Freund. »Also, sie hat einfach in meinem Arm geschlafen«, nuschel ich deshalb. Ich erwarte, dass er sich gleich lachend auf dem Boden wälzt und brüllt, wie man sich so eine Chance entgehen lassen kann.

      Hamza lässt den Ball auf seiner Fußspitze hüpfen und sagt nichts. Er hat das wohl erwartet. Er kennt mich halt. Egal für wie cool die anderen mich halten.

      Ich entspanne mich ein bisschen, als ich merke, dass Hamza über etwas ganz anderes nachdenkt.

      »In deinem Arm geschlafen … Und deine Mutter ist nich durchgedreht?«

      »Nee. Wär deine durchgedreht?«

      »Mein Vater. Zu durchgedreht wär er.«

      »Was hätte er gemacht?«

      »Weiß nich. Ausgerastet, halt. Aber immerhin war es ja eine Frau.«

      Ich muss lachen. Was könnte es denn sonst sein, ein Alien?!

      »Lass kicken gehn, Nelson.« Hamza macht eine Kopfbewegung Richtung Bolzplatz.

      Dann gehen wir kicken. Aber zwischendurch muss ich immer wieder an Katharina denken. Und zweimal merke ich, wie ich leise »Katharina« vor mich hin sage. Nur, um zu hören, wie es klingt.

      Als ich am Abend im Bett liege, schreibe ich Katharina eine Nachricht.

       Hi image gut nach Hause gekommen?

      Zehn Minuten lang warte ich auf eine Antwort. Dann spiele ich ein bisschen auf meinem Handy. Wenn man sich ablenkt, ist Warten nicht so schwer.

      Kurz nach halb eins lege ich das Handy weg.

      Irgendwie bin ich traurig.

      7

      MARIE

      Gülcan schlummert so selig, als gäbe es kein Leid auf dieser Welt. Als ob ihre beste und zutiefst unglückliche Freundin überhaupt nicht neben ihr läge und dringend ihres Trostes bedürfe. Ich seufze, in der Hoffnung, dass sie davon aufwacht. Resultat: Gülcan lächelt im Schlaf.

      Ich seufze etwas lauter, doch es ist aussichtslos. Resigniert drehe ich mich auf den Bauch und angle unter dem Bett nach meinem Handy und Gülcans Kopfhörern. Ich stelle Lanas Once upon a dream an und leide vor mich hin.

      Nelson. Nelson hat eine Freundin. Ich war


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