Strafsache van Geldern. Hans Hyan

Strafsache van Geldern - Hans Hyan


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wie lange waren Sie verheiratet?“

      „Ein Jahr, Herr Vorsitzender!“

      Hallmann sah den jungen Anwalt fest an, als wollte er gerade in diesem Moment keine Unwahrheit aufkommen lassen:

      „Wie war Ihre pekuniäre Lage bei Ihrer Heirat?“

      Aber Paulus dachte nicht daran, zu lügen:

      „Ich habe damals viel gespielt ... und habe gesellschaftlich alles mitgemacht, wozu ich durch meine Klientel verleitet wurde. Es ist ja nicht unbekannt, dass es im wesentlichen Halbwelt war, die zu mir kam. Dadurch, ich meine, durch mein wildes, zügelloses Leben, bin ich in Schulden geraten und hatte recht unangenehme Wechselschulden.“

      „Die Ihre Frau bezahlt hat, als Sie sie heirateten — — und jetzt frage ich Sie etwas, Angeschuldigter, was Sie mir auch dann beantworten sollen, wenn es Ihren Charakter in ein ungünstiges Licht setzt ... die Zeugen werden ohnehin ... ich meine besonders die Leumundszeugen — werden Sie gerade darin belasten!“

      Van Gelderns Gesicht blieb unbewegt:

      „Ich weiss das, Herr Vorsitzender! Ich täusche mich nicht darüber, dass ich zu der Zeit ein Leben geführt habe, wie ich es nicht hätte führen dürfen. Aber wenn mir die Anklage vorwirft, dass ich meine Frau nur geheiratet habe, weil sie meine Schulden bezahlt hat, so ist das —“

      Van Geldern hatte sich erhoben und reckte, wie er es stets in Augenblicken des Affekts tat, die gewölbte Brust vor:

      „—so ist das eine Lüge, Herr Vorsitzender!“

      Er hatte das Wort laut in den Saal gerufen und fuhr ruhiger fort:

      „Ich habe meine Frau sehr gern gehabt, ehe ich sie näher kennenlernte. Sie war eine charmante Person — solange sie nicht ihre Anfälle bekam. Was eine Hysterikerin bedeutet, das kann nur der ermessen, der Tag für Tag, Monat für Monat mit einer solchen Frau zusammengelebt hat. Streit ohne jeden Anlass, zu jeder Tages- und Nachtzeit und kein Nachgeben. Ein ewiges, zermürbendes Sich-aneinander-Reiben. Um nichts! Um Dinge von solcher Geringfügigkeit, dass man’s nicht glauben sollte! Die tieferen Ursachen allerdings ...“

      Der Vorsitzende hob wieder die Hand.:

      „Ich will Sie ja nicht in Ihren Ausführungen beschränken, Angeklagter, aber für die Charakter- und Seelenanalyse der Prozessbeteiligten oder Betroffenen stehen uns zwei Sachverständige von hoher Qualität in der Person dieser beiden Herren da zu Verfügung. Machen Sie mir die Freude und halten Sie sich streng an die Darstellung der Tatsachen!“

      Paulus nickte sein Einverständnis:

      „Ich habe auch meiner Frau das für mich verauslagte Geld — es waren etwas mehr als fünfzigtausend Mark — zu zwei Dritteln zurückerstattet ...“

      „Das stimmt! Aus den sehr ordentlich geführten Büchern Ihrer Frau geht hervor, dass sie über dreissigtausend Mark zurückerhalten hat ... Im übrigen eine einwandfreie Buchführung — wie stimmt die mit der angeblichen Liederlichkeit Ihrer Gattin überein?“

      „Herr Landgerichtsdirektor, es gibt Frauen, die wahre Musterbilder in ihrem geschäftlichen Leben und zu Hause in der Wirtschaft einfach unbrauchbar sind. Schon der Umstand, dass sie die nötige Zeit ...“

      Hallmann winkte ab:

      „Ich verstehe! Also Sie führten eine unglückliche Ehe, — es ist sogar zum Schlagen zwischen Ihnen beiden gekommen?“

      „Ja, leider ... meine Frau geriet bei solchen Anlässen in eine derartige Erregung, dass sie jeden Gegenstand nach mir warf, gleichviel, ob es nun ein Buch oder ein Glas oder sonst irgend etwas war. Sie stiess mich mit den Füssen, kratzte und schlug auf mich ein, wenn ich sie nicht ganz energisch abwehrte.“

      „Ich verstehe nur nicht, dass Sie das so lange mitgemacht haben! Ein Mensch, der Achtung vor sich selbst besitzt, trennt sich dann doch von der Frau! Um so mehr, als hier die Existenzfrage gar nicht ins Gewicht fiel. Ihre Frau hat, wie wir wissen, in ihrem Modeatelier recht erhebliche Einnahmen gehabt, und auch Sie waren ja trotz Ihrer Jugend schon ein grosser Geldverdiener!“

      Doktor Vierklee sah auf:

      „Darf ich einmal unterbrechen, Herr Landgerichtsdirektor? ... Ich habe bei der Verhandlung gegen einen Mörder, die Sie, Herr Landgerichtsdirektor, so mustergültig geleitet haben, aus Ihrem eigenen Munde den prachtvollen Satz gehört: ‚Der Vorsitzende ist nicht der Staatsanwalt! Wenn jener anklagt, soll der Verhandlungsleiter zugunsten des Angeklagten abwägen und schlichten‘!“

      Der massige Mann in der Mitte des Richtertisches war einen Augenblick ganz still. Es schien, als denke er nach. Dann sagte er so offen und freimütig, dass jeder im Saal für ihn war:

      „Sie haben ganz recht, Herr Doktor. Aber Sie müssen mir auch zugestehen, dass es für einen Menschen nichts Schwereres gibt, als gegen seine Überzeugung dem zu helfen, der für sein Verbrechen keinerlei Hilfe erwarten darf.“

      Doktor Vierklee nahm das Monokel aus dem Auge und putzte mit einem gelbseidenen Tuch daran:

      „Sie nehmen mit der Linken, Herr Vorsitzender, was Sie eben mit der Rechten gegeben haben! Aber man darf von niemand verlangen, dass er über seinen eigenen Schatten springt!“

      Hallmann sah den Anwalt nachdenklich an. Dann zuckte er die Achseln und wandte sich wieder seiner Aufgabe zu.

      2

      Sie behaupten also, Angeklagter, dass Sie nach diesem Zank das Haus verlassen, dann ein Auto genommen hätten und ... na, erzählen Sie uns mal selber, was Sie nun gemacht haben!“

      „Ich habe, wie Sie, Herr Vorsitzender, eben sagten, eine Autodroschke genommen und bin ziellos umhergefahren.“

      „Was heisst ziellos?“

      „Ich habe erst eine Adresse angegeben, und als der Wagen dort hielt, eine andere und so weiter. Ich weiss nicht, wie oft, auch nicht, wohin ich gefahren bin ... das weiss ich in der Tat nicht!“

      „So! — Also Sie wissen nichts davon? ... Ja, das ist schlimm für Sie ... und das schlimmste ist, dass ausser Ihnen auch niemand etwas davon weiss! Das Gericht ebensowenig wie Ihr eigener Anwalt. Wir haben uns alle Mühe gegeben, den Schofför herauszufinden, mit dem Sie damals gefahren sind.“

      „Der Mann kann Berlin inzwischen verlassen haben ... er kann krank sein ... am Ende lebt er nicht mehr!“

      „Und was kam nachher? Was taten Sie dann? ... Wo sind Sie damals ausgestiegen aus dem Auto, das Sie benutzten?“

      Van Geldern hob die Schultern: „Ich kann mich nicht mehr entsinnen. Es ist, als ob über diese Stunde sich ein dichter Schleier gelagert hätte ... Ich weiss nur, dass ich vorher schon einmal ausgestiegen bin und, wie es leider meine Gewohnheit ist, wenn derartige Aufregungen über mich kommen, in einem Café am Bayrischen Platz eine Anzahl grosser Kognaks getrunken habe.“

      „Sie trinken im allgemeinen nicht?“

      „Nein, sehr selten.“

      „Aber an diesem Tage? Warum tranken Sie denn ... so unmässig?“

      Wieder die hebende Bewegung der Achseln und jener Blick aus den Augen van Gelderns, der über Menschen und Raum hinweg oder durch sie hindurch sehen zu wollen schien: „Ich kann es nicht sagen ... nein, und ich glaube, das weiss niemand, warum in solchen Momenten ein wahnsinniger Durst nach Alkohol den Menschen überfällt ... Richtig besinnen kann ich mich erst wieder auf alles von dem Augenblick an, wo ich in Westend war und in die Villa getreten bin.“

      „Sie waren doch mit dem Auto nach Berlin und in Berlin hin und her gefahren?“

      Der Angeschuldigte nickte: „Ganz recht, Herr Vorsitzender ...“

      „Na, wie sind Sie denn wieder nach Westend gekommen? ... Daran müssen Sie sich doch wenigstens erinnern!“

      „Ich weiss es aber nicht, Herr Landgerichtsdirektor! ... Und ich kann nur das sagen, was ich weiss!“

      „Sicherlich!


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