Villa im Tiergarten. Artur Hermann Landsberger

Villa im Tiergarten - Artur Hermann Landsberger


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zu erkennen, daß das auch ihre Meinung war, während Töns mit einem Blick auf Frida, die eben ins Zimmer trat, widersprach:

      „Das sagst du! — Ich liebe ein anderes Genre.“

      „Haben Sie schon gefrühstückt, Frida?“ fragte Fräulein Fleck, und die erwiderte:

      „Nein! Das war ja ein Lärm heute nacht! Ich habe von acht Uhr früh an kein Auge mehr zugemacht!“

      „Das geht natürlich nicht,“ erklärte Töns. „Wer für uns arbeitet, muß nachts seine Ruhe haben.“

      „Um acht Uhr ist die Nacht vorbei,“ erklärte Rolf, aber Frida sagte:

      „Der Schlaf in den Morgenstunden ist für junge Mädchen der gesündeste.“

      „Wir brauchen vor allem einen tüchtigen Organisator,“ sagte Töns. „Ich werde meinem Vater nach Essen telegraphieren.“

      Ich widersprach: „Warum nicht gleich einen Betriebsrat! Ihr vergeßt, daß es sich um eine Tiergartenvilla handelt, nicht um einen Fabrikbetrieb. Hier kann nur eine Frau Ordnung hineinbringen!“

      „Das ist auch meine Meinung,“ sagte Burg.

      Das Gefühl, ihn auf meiner Seite zu wissen, stärkte mein Rückgrat.

      „Natürlich darf es nicht die erste beste sein,“ fuhr ich fort.

      „Ich fühle mich dem nicht gewachsen,“ erklärte Fräulein Fleck.

      „Vielleicht Frida,“ meinte Töns. Und die schlug ihre blauen Augen so weit auf, daß sie sofort ein paar Stimmen für sich hatte.

      „Es muß natürlich eine Frau sein,“ sagte ich, „der wir uns alle, auch Sie, meine Herren,“ wandte ich mich an Burg und Nitter — „bedingungslos unterordnen.“

      „Also eine Dame!“ sekundierte Burg, und ich, froh, wenigstens von einem verstanden zu werden, sagte und begrub damit Fridas Chancen:

      „Das ist es! Eine vollendete Dame muß es sein! Eine, der wir alle mit Respekt begegnen.“

      Töns, auf den Rolf leise eingeredet hatte, sagte halblaut:

      „Damit fährt auch dein Häslein in die Grube!“

      „Also, wer ist das?“ fragte ich.

      „Die anerkannt hübscheste ...“

      „Das sagtest du schon mal. Und das ist für diesen Posten gewiß kein Nachteil. Aber was kann sie sonst?“

      „Repräsentieren,“ erwiderte Rolf.

      „Und du glaubst, daß sie im Verkehr mit Männern ...“

      „... Klasse für sich ist!“ fiel mir Rolf ins Wort. „Und zwar unter Garantie!“

      „Dann könnte ich ebensogut Lola vorschlagen,“ erklärte Etville. „Die kennt sich noch besser unter Männern aus.“

      „Herrschaften,“ sagte ich, „es handelt sich um die Hausdame einer Tiergartenvilla, nicht um die Attraktion eines Nachtbetriebes! Wer hier wohnt, muß sich primär auf den Tag einstellen, nicht wie ihr, auf die Nacht.“

      „Da ich den Tag über arbeite,“ sagte Rolf, „und ich schlafe,“ fuhr Etville fort, „und ich dichte,“ beteuerte Timm, „so haben wir nur nachts Zeit, uns auszutoben.“

      „Dies Recht tastet niemand an. Aber je mehr ihr bummelt, um so wohltuender muß es für euch sein, wenn in eurem Hause Ordnung und Sitte herrscht!“

      „Ordnung schon,“ meinte Töns, „aber Sitte ist meist sehr langweilig.“ — Und Rolf meinte:

      „Dann können wir ja lieber gleich in ein Hospiz ziehen.“

      „Unser Haus soll weder ein Hospiz noch ein Bordell sein. Der Takt einer Dame muß eben das Richtige treffen. Diese Dame werde ich suchen. Und zwar heute noch.“

      „Du hast mit jedem Wort recht,“ erklärte Töns. „Aber ich zweifle, daß du sie findest.“

      Am nächsten Morgen stand in fünf großen Tageszeitungen folgendes Inserat:

      Dame

      aus guter Familie, die gut aussieht, Takt und Energie besitzt, wird zur Organisation und selbständigen Führung frauenlosen Haushalts von fünf Junggesellen und entsprechender Dienerschaft bei höchstem Gehalt zu sofortigem Antritt gesucht.

      Wie zu erwarten war, schleppte der Briefträger mit jeder Post Stöße von schriftlichen Bewerbungen an. Die Fernsprecher waren ständig in Bewegung, und auf der Treppe drängten sich Mädchen und Damen jeden Standes und jeden Alters von früh ab bis in die Abendstunden. Frida und Fräulein Fleck, die am Vormittag zu verschiedenen Zeiten das Haus verlassen hatten, wurden von den Bewerberinnen, obgleich sie beteuerten, daß sie Angestellte seien, gezwungen, sich anzustellen, und erschienen erst wieder, als ich gegen acht Uhr abends auf den guten Gedanken kam, durch einen Telephontrichter zu brüllen: „Habemus dominam“, was zunächst zwar nur die Wirkung hatte, daß alle aufsahen, um sich dann aber auf meinen weiteren Ruf: „Der Posten ist besetzt“, ungläubig nur noch toller zu gebärden.

      Gegen Mittag hatten Passanten, die dem merkwürdigen Schauspiel von der Straße aus erst neugierig und dann mißtrauisch zuschauten, die Polizei auf uns gehetzt, die in Gestalt eines hohen Beamten und zweier Assistenten erschien und uns einem peinlichen Verhör unterzog. Ich stellte vor: „Baron von Etville“ — Der eine Beamte lächelte ungläubig. Ich fuhr fort: „Herr Anton Töns aus Essen a. d. Ruhr“ — Jetzt grinsten alle drei und sahen sich an, als wollten sie sagen: „Verstehste, das sollen wir glauben.“ — Ich fuhr unbeirrt fort: „Der Ihnen sicherlich bekannte deutsche Dichter Karl Theodor Timm“. — Hier unterbrach mich der Beamte erregt und sagte:

      „Es genügt. Wir sind im Bilde! Daß man im Tiergarten neuerdings wilde Spielklubs errichtet, ist uns bekannt. Daß man sich aber die Namen bekannter Persönlichkeiten zulegt und durch ein äußerst raffiniertes Inserat Mädchen anlockt, das ist in meinem Revier neu.“

      „Sie zweifeln an der Richtigkeit meiner Angaben?“ fragte ich.

      „Die polizeilichen Meldungen der Herren, wenn ich bitten darf.“

      „Sie wohnen erst seit gestern bei mir und sind daher noch ...“

      „... nicht gemeldet,“ fiel er mir ins Wort. „Ich bin im Bilde.“

      „Und Sie? Wer sind Sie?“ fragte er mich.

      „Ich bin der ebenfalls nicht ganz unbekannte Schriftsteller Peter Lenz.“

      Die drei Beamten sahen sich an.

      „Kenn’ ich nicht!“ sagte der Führer. „Was schreiben Sie denn?“

      Auf dem Tisch lag unglücklicherweise ein Roman von mir: „Frau Dirne“. Der eine Beamte hatte ihn bereits in der Hand und reichte ihn seinem Vorgesetzten. Der warf einen Blick darauf und sagte:

      „Stimmt alles genau! Das Buch wird beschlagnahmt. Es enthält sicherlich Material“ —

      Dann wandte er sich wieder an mich und forderte ziemlich barsch:

      „Ihre Geschäftsbücher!“

      „Ich führe keine.“

      „Ich verstehe, Sie wollen Ihre Abnehmer schützen. Nützt Ihnen nichts! Die Haussuchung wird sie schon zutage fördern.“

      „Ja, für was halten Sie uns?“ fragte ich.

      „Das ist doch klar!“ sagte Töns.

      „Nämlich?“

      „Für Mädchenhändler!“ — Wir lachten so laut und so ehrlich, daß die Beamten stutzig wurden.

      „So weist euch doch aus!“ bat ich. Und Töns zeigte seinen Paß, bei dessen Lektüre das Gesicht des Beamten lang und länger wurde. Auch Etville wies ein paar Mitgliedskarten der ersten Klubs vor, Burg zeigte Zeugnisse aus fürstlichen


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