Villa im Tiergarten. Artur Hermann Landsberger

Villa im Tiergarten - Artur Hermann Landsberger


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erschien auch Karl Theodor Timm. Er trug ein blauseidenes Hausjackett und die Scherbe im Auge.

      „Schau an!“ sagte er, noch ehe ich ihn vorstellen konnte. „Sie also sind von Linggen?“ — Er besah sie etwa, wie man ein neues Stück Möbel betrachtet, von dem man weiß, daß man es täglich ein paarmal zu Gesicht bekommen wird.

      Jetzt erst nannte ich seinen Namen.

      „Ich weiß,“ sagte sie. „So ein Gesicht vergißt man nicht — zumal, wenn man ihm im Ausland begegnet. — War es nicht in Buenos Aires? — Oder ...? Halt! es kann auch zwei Jahre später in Yokohama gewesen sein.“

      „Schon möglich!“ erwiderte Timm. „Was hatten Sie denn in Yokohama zu suchen?“

      „Ich begleitete meinen Vater in einer diplomatischen Mission. Leider war ich noch ein halbes Kind und habe daher nicht viel davon gehabt.“

      „Und nach Yokohama ausgerechnet zu uns?“ fragte Timm grinsend.

      „Dazwischen liegt mancherlei,“ erwiderte Inge.

      „Und nicht viel Angenehmes,“ ergänzte ich, in der Hoffnung, dem Gespräch eine andere Richtung zu geben. Aber Timm war wißbegierig:

      „Immerhin von Yokohama bis zu uns ist ein weiter Weg.“

      „Den ich Ihnen später vielleicht einmal erzählen werde,“ entgegnete Frau Inge. „Im Augenblick aber nicht.“

      Ich erklärte, daß dazu auch keinerlei Veranlassung vorläge und daß für uns viel wichtiger wäre zu erfahren, ob sie nach nunmehriger Inaugenscheinnahme der fünf Junggesellen bereit sei, den ihr angetragenen Posten zu übernehmen.

      Inge antwortete zunächst ausweichend:

      „In einem Punkte will ich die Wißbegier Meister Timms befriedigen. Was allein im Leben für mich noch Reiz hat“, — wir horchten auf, Etville ganz besonders — „ist der Versuch oder der Sport — oder wie sonst Sie es nennen wollen — ungewöhnliche Situationen zu schaffen und ihrer Herr zu werden.“

      „Dann sind Sie am richtigen Platz,“ sagte Rolf — weniger aus Ueberzeugung als aus dem Wunsch heraus, Frau Inge zu halten.

      „Das Inserat hatte jedenfalls diese Wirkung. Nachdem ich nun das Vergnügen habe, Sie zu kennen“ — sie zögerte und fuhr dann fort und fragte: — „Darf ich offen sein?“

      „Bitte!“ sagten wir.

      „Nun, ein wenig an Reiz hat es für mich verloren.“

      Wir machten alle fünf die denkbar dümmsten Gesichter, Karl Theodor Timm fiel sogar die Scherbe aus dem Auge. Nur Töns lachte laut und meinte:

      „Sie haben uns aber schnell erkannt.“

      „Das ist es!“ gab sie zu. „Viel zu schnell! Und das macht die Erfüllung meiner Erwartungen nicht grade wahrscheinlich.“

      „So uninteressant sind wir Ihnen?“ fragte Timm.

      „Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen,“ wich sie aus, „daß einer von Ihnen mich vor eine Situation stellt, die mir Kopfzerbrechen macht. — Wirklich nicht, Herr Timm! Selbst wenn Sie mich eines Tages bitten sollten, Ihnen bei der Zelebration der schwarzen Messe zu assistieren.“

      Karl Theodor lächelte verächtlich und sagte:

      „Ueber derart harmlose Vergnügungen bin ich längst hinaus.“

      „Und doch bezweifle ich, daß Sie imstande sind, das einzige, wovor ich mich im Leben fürchte — und was ich oft schon glotzend wie ein Reptil heranschleichen sehe, von mir zu bannen: die Langeweile. Sobald die den Rachen aufreißt, um mich zu verschlingen, rette ich mich in ein besseres Jenseits.“

      „Sie suchen also Sensationen?“ fragte Rolf.

      Frau Inge sagte:

      „Ja und nein! Es läßt sich schwer sagen! Denn es gibt kein Programm. Es sei denn, daß ich die Dummheit um jeden Preis fliehe, selbst da, wo sie mit Bergen Goldes und dem Paradies auf Erden lockt.“

      „So dumm sind wir nicht, daß Sie vor uns zu fliehen brauchen,“ beteuerte ich.

      „Jedenfalls möchte ich nicht, daß Sie mich falsch verstehen. Ein Gedicht wie ‚Weich küßt die Zweige der weiße Mond‘ oder ‚Ueber allen Gipfeln ist Ruh‘ bewegt mich viel stärker als Dantes ‚Hölle‘ oder Grünewalds ‚Kreuzabnahme‘.“

      „Dann haben Sie keine Chancen, Timm!“ sagte Rolf, und der blonde Arier Karl Theodor fuhr sich mit der Hand durch das seidenweiche Haar, verzog den Mund und sagte:

      „Nebbich!“

      Ich fühlte, daß diese Zwiesprache Frau Inge in ihrer Absicht, zu bleiben, nicht grade bestärkte.

      In diesem Augenblick erschien Burg und gab Etville durch ein kaum merkbares Zeichen zu erkennen, daß er ihn zu sprechen wünsche.

      Etville wollte aufstehen, aber ich hielt ihn zurück und sagte:

      „Warum? Es ist doch besser, daß die Baronin gleich die Gewohnheiten des Tags kennenlernt.“ —

      „Auto oder Nachtlokal?“ fragte Töns.

      Burg verzog keine Miene.

      „Sag ihm doch, er soll reden!“ bat ich Etville. — Der wandte sich an Burg und sagte:

      „Also!“

      „Dreihundertachtundsechzigtausend Mark,“ las Burg von einem Zettel.

      „Sie hatten schon teurere Nächte!“ sagte Timm und hätte noch mehr gesagt, wenn ihn nicht ein vernichtender Blick Burgs verblüfft hätte.

      „Es handelt sich um Wäsche für Bister,“ fuhr Burg fort, ohne Timm eines Blickes zu würdigen, und während Etville den Scheck ausschrieb, sagte er: „Es tut mir leid, aber die Rechnung war quittiert.“ — Und dabei ließ er den Zettel, dem jeder von uns schon rein äußerlich das Nachtlokal ansah, in seiner Rocktasche verschwinden.

      „Darf ich wissen, wer Sie sind?“ fragte Frau Inge.

      Burg wartete einen Augenblick ab, ob Etville antworten würde, und da der schwieg, so sagte er:

      „Ich bin der persönliche Diener des Baron Etville.“

      Ich merkte, daß Burgs Takt manchen Fehler von uns ausglich, und schöpfte wieder Hoffnung, daß sie bleiben würde. Und in der Tat sagte sie, während sich Burg diskret zurückzog:

      „Ja, meine Herren, Sie kennen mich nun, und ich kenne Sie. Falls Sie also glauben, daß ich hier am Platze bin ...“

      „Sie wollen also?“ riefen wir gleichzeitig; nur Karl Theodor grinste und schwieg.

      „Nun, Herr Timm?“ fragte Frau Inge, und er erwiderte:

      „Ich bin mit allem einverstanden.“

      „Sie bleiben!“ riefen wir und sprangen auf. Und einer nach dem andern drückte ihr die lange, schmale Hand, von der sie die schwarzen Schweden gezogen hatte. Auf dem dritten Finger trug sie einen in Platin gefaßten Smaragd von vollendeter Reinheit.

      Während ich Champagner kommen ließ, lud Etville sie für den Abend in die Oper, Rolf in die Skala ein, während Töns erklärte:

      „Die dummen Theater! Kommen Sie lieber mit mir was zu Pelzer.“

      Frau Inge lachte und lehnte alles ab.

      „Das ist ja ein Tempo, meine Herren! — Ich bleibe heute und morgen bei meiner Tante ...“

      „Was für einer Tante?“ fragte Timm.

      „Sie kennen sie vielleicht. Sie schreibt auch, Gräfin Benz.“

      „Timm schreibt nicht,“ berichtigte Töns. „Karl Theodor dichtet.“

      „Ich glaube doch, ich bin dem Posten nicht gewachsen,“ erwiderte Frau Inge.

      „Was


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