Abenteuer im Sibirien-Express. Lisa Honroth Löwe

Abenteuer im Sibirien-Express - Lisa Honroth Löwe


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die ihm und Astrid herzlich entgegengeschritten kam. Ihr sonst so verschlossenes Gesicht zeigte jetzt eine weiche, freudige Erwartung.

      „Meine liebe Dorothee“ — er hielt warm ihre Hand, während er sie auf die Stirn küsste —:

      „Wie reizend, dass du uns mit Viky entgegengefahren bist. An allem spürt man die Heimat. Ach, es ist schön, wieder einmal zu Hause zu sein“, sagte er aus vollem Herzen.

      „Und hier“, dabei zog er die kleine Astrid, die sich etwas scheu hinter ihm gehalten hatte, zu sich heran, „meine liebe Dorothee, bringe ich dir Fräulein Sjörberg und empfehle sie all deiner mütterlichen Güte.“

      „Seien Sie herzlich willkommen, Fräulein Sjörberg.“

      Die Fürstin streckte Astrid die Hand entgegen:

      „Mein Mann hat mir soviel Liebes von Ihnen geschrieben, mein Kind. Ich möchte Ihnen helfen.“

      Astrid beugte sich bewegt über die Hand der gütigen Frau.

      „Wir hatten uns von Pfarrers schon verabschiedet, Theodor“, wandte sich Frau Dorothee jetzt an ihren Gatten, „man wollte auch unser Wiedersehen nicht stören. Ich denke, wenn es euch recht ist, fahren wir jetzt gleich nach Hause, damit Fräulein Astrid auch noch bei Tage ihre neue Heimat sieht.“

      „Gern, wie du es wünschst, Dorothee.“

      Der Fürst reichte seiner Frau ritterlich den Arm.

      — — — — — — — — — —

      Die Fahrt nach Schloss Rodenhausen verging unter leichtem Geplauder.

      Viky belegte Astrid gleich ganz mit Beschlag und war so lebhaft, dass Astrid gar nicht viel zum Reden kam.

      Die Fürstin erkundigte sich bei Rodenhausen nach dem Verlauf der Reise:

      „Du wirst und diesmal viel erzählen müssen, Theodor“, sagte sie. „Du kannst dir denken, dass dieser Krieg in der Mandschurei uns sehr interessiert. Wir haben hier gar keine rechte Vorstellung davon.“

      „Das kann ich mir denken. Oh ja, ihr werdet viel Interessantes von mir zu hören bekommen. Aber jetzt lass mich zuerst einmal den Frieden der Heimat geniessen und erzähle mir vor allem, wie es bei uns aussieht. Wollte Alexander nicht auch bald seinen Urlaub nehmen und ihn bei uns verbringen?“

      „Ja er freut sich schon auf dich und seinen kleinen Jungen. Ich glaube, Theodor, du wirst auch viel Spass an dem kleinen Robby haben.“

      Ein glückliches Lächeln glitt über ihre vornehmen Züge:

      „Er ist ein richtiger kleiner Sonnenschein“ , fügte sie hinzu.

      „Ach, wir sind ja würdige Grosseltern.“

      — Rodenhausens Geufzer war halb ernst,halb scherzhaft gemeint —:

      „Wenn man so allein in der Welt draussen ist, vergisst man das leicht und kommt sich jünger vor, als man in Wirklichkeit ist. Du hast mir ja öfter geschrieben, dass sich der kleine Robby so nett entwickelt. Ich habe ihm einen sehr drolligen chinesischen Hampelmann mitgebracht. Das wird mich hoffentlich zu seinem Herzchen finden lassen.“

      Er unterbrach sich und sah glücklich und wie gebannt auf das Schloss, das jetzt vor seinen Blicken auftauchte:

      „Astrid, drehen Sie sich einmal um, dort können Sie unser Schloss schon liegen sehen.“

      Astrids Augen wurden weit und leuchtend. Sie vermochte gar nicht zu sprechen. Aber dann umklammerte sie Rodenhausens Hände fest, als brauchte sie einen Halt. Das kleine, scheue Mädchen war ganz Gefühl und Begeisterung:

      „Ach, Onkel Rodenhausen, ist das schön. So etwas habe ich noch gar nicht gesehen. Ich glaube, wenn ich da immer wohnen könnte, würde ich nie fortreisen wollen.“

      Viky platzte jäh in die Stimmung hinein:

      „Für ein paar Wochen geht es schon hier. Aber wissen Sie, Fräulein Astrid, so für die Dauer, da möchte ich doch die Grossstadt nicht mehr entbehren. Hier gibt’s keine Museen, keine Theater und keine Konzerte —“

      „Ja, und kein freies Stundentenleben“, fügte die Fürstin kopfschüttelnd hinzu.

      „Dafür aber einen Papa, der sehr lange auf Reisen war und jetzt wieder einmal ausfürlich seine Tochter geniessen möchte“, lachte der Fürst, „und der jetzt noch dazu seiner Tochter eine kleine Gefährtin migebracht hat, die ihr hoffentlich Kameradin sein wird.“

      „Na, ja, Papa“, meinte Viky vergnügt, „jetzt wird’s wohl auch erst mal ganz nett bei uns werden, und was später wird, findet sich von selbst.“

      Der Wagen fuhr durch das Schlosstor über die herrliche Terrasse und hielt vor der grossen Freitreppe.

      Die Dienerschaft empfing den Fürsten respektvoll und freudig. Es war doch schön, dass der Herr wieder einmal in Hause war.

      „So, Viky“, meinte die Fürstin, „ich denke, du zeigst jetzt Fräulein Astrid ihre Zimmer, und wenn sie und Papa sich etwas erfrischt haben, darf ich zum Tee in die Halle bitten.“

      Astrid durchschritt mit Viky die weiten Gänge des alten, schönen Schlosses.

      So hatte sie sich ihre neue Heimat nicht vorgestellt. Ob Rodenhausen sie überraschen wollte? Er hatte so schlicht und einfach von zu Hause erzählt. Obgleich Astrid selbst Reichtum und Weite gewöhnt war, hier kam sie sich wie im Märchen vor. Alles war hell und licht. So hatte sie in den Büchern von deutschen Schlössern gelesen.

      „Sehen Sie, Astrid,“ Viky öffnete beim Eintreten in Astrids Zimmer gleich das Fenster, „das Schönste hier ist der Blick über die Berge. Und hier, unter Ihren Zimmern, die Schlossterrasse, die ist meine ganze Liebe. Von ihr aus hat man den weitesten Ausblick über die Berge und ins Tal. Und von jeder Ecke der Terrasse zeigt sich die Landschaft wieder anders.“

      Dann wies sie mit der Hand weiter hinaus auf den Lauf eines kleinen Flüsschens:

      „Sehen Sie, dort hinten im Tale, an beiden Seiten des kleinen Wassers, das sind die letzten Häuser unseres kleinen Stadt. Sie streckt sich sehr weit hinaus, da sie sich durch die Berge in der Breite nicht ausdehnen kann. Und von der Schlossterrasse aus werden Sie erst richtig all die bunten Häuser sehen, die sich an den Schlossberg anlehnen.“

      „Ich habe noch nie soviel Farben in einer Landschaft gesehen“, meinte Astrid begeistet. Und all diese roten und blauen und gelben Häuser! Jetzt verstehe ich es, dass Sie immer froh sein können, Prinzessin Viky, und immer vergnügt. Glauben Sie, dass ich es hier auch werde? Onkel Rodenausen hat gesagt,er hofft es. Ach so“ — sie geriet in leichte Verlegenheit —„Ihr Papa hat mir nämlich erlaubt, ihn ,Onkel Rodenhausenʻ zu nennen, weil wir doch soviel Schweres miteinander erlebt haben“, setzte sie kindlich erklärend hinzu.

      „Gott, ich finde, so onkelhaft hat sich Papa Ihnen gegenüber eigentlich gar nicht benommen, vielmehr wie ein jugendlicher Ritter“, erwiderte Viky. „Ach, so ein Abenteuer möchte ich auch einmal erleben. Fanden Sie Papa eigentlich icht schrecklich forsch, als er Sie da so rettete, Astrid?“

      „Es war wenig Zeit, darüber nachdenken, Prinzessin Viky. Es war nämlich nicht gerade ein Salon-Abenteuer.“

      Jetzt war Astrid die Ueberlegene.

      „Ich dachte“, meine Viky lachend, „Sie wären da im Ural an Räuber und all so etwas gewöhnt.“

      „Nun, zum täglichen Leben gehören solche Ueberfälle gerade auch nicht“, meinte Astrid, „menn das Leben bei uns allerdings auch gefahrvoller ist als hier.“

      „Ich denke mir die jungen Mädchen im Ural immer so mit dem Revolver in der Hand auf dem Pferde sitzend“, meinte Viky übermütig, „das heisst, Astrid, Sie reiten doch wirklich? Da tue ich nämlich auch leidenschaftlich gern.“

      „Ja, geritten bin ich viel“, antwortete Astrid, „mit Papa“ — die Erinnerung durchzuckte sie schmerzlich — „und mit Herrn Redderson, der bei


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