Zwillinge. Lotte Dalgaard
großes, saftiges Steak vielleicht. Mit Bernaise. Das war schon eine Weile her. Oder Sparerips mit Kartoffeln und brauner Soße. Sie konnte schon kochen, seine Line, der machte so schnell keiner was vor. Er kam in die Stube und da fand er sie, auf dem Sofa lümmelnd in irgendeinem hässlichen Jogginganzug, der nicht gerade ihren großen Hintern verbarg. Naja, immerhin war der schön weich und man konnte gut drauf liegen. Und ihn durchkneten. Der machte ihn einfach direkt geil. Aber schön war der nicht.
„Liegst du hier rum? Bist du müde? So alt bist du doch noch gar nicht!“
Jonas lachte lauthals über seine eigene Bemerkung und Line fragte sich zum Gott-weiß-wievielten Mal, ob sie so müde war, weil er in ihrem Leben war. Sie gab und gab, aber zurück bekam sie nicht viel. Wie war sie bloß in so einer Beziehung geendet? Warum hatte sie keine größeren Ansprüche an das Leben und den Menschen, mit dem sie es teilte? Wie immer fand sie keine Antwort. Und Jonas Aussagen ignorierte sie.
„Jetzt komm, BBW, und schenk deinem Mann ein Glas kalten Weißwein ein.“
Line stand auf und ging in die Küche. Die war ganz neu, mit hellem Laminat, grauen Arbeitsplatten und neuen Armaturen. Und es war ihr Bereich. Jonas kam hier nur rein, um eine neue Flasche Wein zu holen oder am Fenster zu rauchen.
Jonas hatte eine CD von Pearl Jam angemacht, saß auf dem Sofa mit einer Zigarette, die er noch nicht angezündet hatte, und sang Eddie Vedders Lied stumm mit. Er lächelte Line an, als sie mit dem Weinkühler und einem kalifornischen Chardonnay, den sie bereits geöffnet hatte, hereinkam. Line ging an den braungebeizten Barschrank und nahm zwei Weingläser heraus. Sie setzte sich ans andere Ende des Sofas und direkt legte ihr Jonas seine Füße in den Schoß.
„Aahh, magst du mir nicht die Socken ausziehen und ein wenig die Füße massieren, Schatz? Das ist genau das, was ich jetzt brauche.“
So saßen sie da, jeder in seiner Sofaecke mit einem Weinglas in Reichweite und wirkten wie ein glückliches Paar. Aber Line wusste, dass sie bald etwas Drastisches tun musste. Sie hatte schon viele Male versucht, mit ihm über eine Therapie zu reden, aber Jonas war in eine Verteidigungshaltung gegangen und wollte nichts davon hören, dass er ein Problem hatte.
Als die Flasche Weißwein leer war und er aufstand, um eine neue zu holen, war es noch nicht einmal 17.30 Uhr und Line musste mit dem Abendessen beginnen.
„Kannst du nicht ein wenig langsamer machen?“, fragte sie, wohlwissend, dass er genau das nicht konnte.
„Was geht dich das an?“, erwiderte er und sie ging in die Küche, ohne sich auf eine weitere Diskussion einzulassen.
Jonas rümpfte die Nase, als das Essen auf dem Tisch war. Er nahm eine Lammfrikadelle und einen Löffel Tomatensalat. Während er aß, widmete er seinem iPhone seine gesamte Aufmerksamkeit. Als er fertig war, nahm er sein Weinglas und ging in die Küche, um eine zu rauchen. Er schloss die Tür und rief höchstwahrscheinlich Per an, mit dem er es liebte, ein wenig zu schnacken, wenn er etwas getrunken hatte.
Er räumte seinen Teller nicht ab. Aber nein, er konnte ja auch nicht mehr tragen. Weinglas in der einen Hand, Telefon in der anderen. Line ließ die Teller und Schalen mit den Essensresten stehen. Sie griff sich noch eine Frikadelle und setzte sich auf das Sofa um den Rest der Nachrichten zu sehen.
„Lammfrikadellen und Kaninchenfraß! Sowas kann man doch einem Mann nicht servieren. Ich habe den ganzen Tag geschuftet und dann bekomme ich so‘n Weibergericht.“
Jonas teilte seinen Frust mit Per, der ihn am Telefon darin bestätigte, dass das von Line nun nicht sonderlich durchdacht war.
„Immerhin ist sie gut im Bett, eine richtige Milf“, sagte Jonas und warf seine Zigarette, anzüglich über diesen Kosenamen grinsend, aus dem Fenster. Er überlegte, ob er noch eine Flasche Weißwein öffnen oder zu Rotwein übergehen sollte. Es war noch eine Flasche Weißwein übrig, drei rot. Und er hatte keine Lust, dass er morgen keinen Weißwein mehr hatte, also machte er sich einen Roten auf.
„Ich mach´ mal eben den Lautsprecher an und leg dich auf den Tisch, während ich mir eine neue Flasche aufmache. Also halt dich die nächsten Minuten ein wenig zurück.“
Per lachte und Jonas Laune war deutlich besser, als vor einer halben Stunde. So ein bisschen Ruhe und ein Gespräch unter Männern war genau das Richtige. All diese Gefühlsduselei und das Gelaber über alles Mögliche waren so ermüdend. Nee, so ein Gespräch unter Gleichgesinnten, mit einem, der über seine Witze lachte und nicht nörgelte, war das, was er brauchte.
Als Jonas aufgelegt hatte und in die Stube kam, war beinahe eine Stunde vergangen. Jetzt hatte er Rotwein in seinem Glas und seine Augen waren leer. Wenn er nicht so verdammt gut aussähe, fände Line, er wäre bemitleidenswert.
„Du hast den Fernseher angemacht? Du kannst die Stimmung mal so richtig versauen.“
„Ja, oder vielleicht versaust du die gemütliche Stimmung mit deiner ewigen Sauferei und Telefonitis“, entgegnete Line.
„Wenn du jetzt so kommst, habe ich kein´ Bock hier zu sitzen.“
Line unternahm nicht mal den Versuch, ihn aufzuhalten. Sie wusste, wo er hinging. In seine Stammkneipe auf der Ecke, wo er Billard spielen und trinken konnte, ohne sich das Gerede von „meckernden Weibern“ anzuhören.
„Ja, dann hau doch ab“, sagte sie und wartete, dass er sich erhob. Aber das tat er zu ihrer Überraschung nicht.
„Nein, lass uns wieder lieb miteinander sein“, sagte er stattdessen. „Kannst du nicht ein wenig runterkommen, sodass wir einen gemütlichen Abend haben? Ich hatte einen harten Tag auf Arbeit.“
Here we go again, dachte Line und nahm das Glas Rotwein, das er ihr reichte, entgegen. Als Mikkel um 9.00 Uhr nach Hause kam, Lucas Mutter hatte ihn gefahren, war Jonas besoffen und Mikkel gegenüber überschwänglich. Während Line schon Zähne putzte, konnte sie Jonas hören, wie er Mikkel von seiner Trekkingtour mit Per und dessen großem Bruder durch Schweden erzählte. Sie ließ die beiden in der Küche sitzen, wohlwissend, dass Jonas in diesem Zustand nicht die beste Gesellschaft für ihren Sohn war, aber sie war einfach zu müde, Mikkel ins Bett zu schicken. Sie ging ins Schlafzimmer und fiel todmüde in den Schlaf.
Kapitel 9
Es war wieder so weit. Ich merkte mein stärker werdendes sexuelles Verlangen wie ein unwillkommenes Summen im Körper und wusste, ich musste es befriedigen. Oder besser befriedigen lassen.
Ich nahm mein Telefon hervor und rief die Nummer an, die ich unter S gespeichert hatte. S wie Sex. S für Sabrina. Sabrina in der Grünen Straße ließ mich immer ein und wandte mir ihren kleinen, strammen Hintern zu. So konnte ich mein Glied in sie stoßen, ohne, dass dabei anderer Körperkontakt vonnöten gewesen wäre.
Ich bekam einen Termin und fuhr mit dem Zug in die Stadt, dann musste ich meinen Wagen nicht vor dem Bordell am Hafen stehen lassen.
Ich klingelte, es wurde geöffnet und eine halbe Stunde später waren sowohl mein Geldbeutel als auch meine Hoden erleichtert. Einmal 800 Kronen. Und eine Ladung angestautes Sperma. Und ich selbst war zugleich ruhig und rasend.
Der Körper war ruhig. Das Gemüt rasend. Gedemütigt. Leer. Einsam. Es fehlte etwas. Ich hatte Freundinnen gehabt, das hatte nur nie lange gehalten. Sie drängten sich auf, wollten ein Teil meines Lebens sein. Wollten bestimmen, kamen mit gutgemeinten Vorschlägen und arrangierten Unternehmungen, an denen ich gar nicht teilnehmen wollte.
Die wollten Kinder. Und neue Gardinen. Und sonntags die Familie zum Kaffee einladen. Dann lieber allein sein. So geht es mir am besten. Trotz der Einsamkeit und dem Gefühl, dass mir etwas Wichtiges entgeht.
Kapitel 10
Am Mittwoch, den 9. März, gab es neue Informationen im Fall der vermissten Zwillingsmädchen aus Fredensborg. Ein 32-jähriger Mann aus Humlebæk rief um 17.33 Uhr die Polizei Nordseeland an und erzählte, er habe am Dienstag, den 1. März, um kurz vor halb zehn abends zwei Teenagermädchen gesehen, auf die die Beschreibung von Nanna und Nikoline passte. Die Wachthabende nahm den Anruf entgegen.
„Ich heiße Jan