Incels. Veronika Kracher

Incels - Veronika Kracher


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ist es, die Buchstaben »E« und »R« in einem Wort in Versalien zu schreiben, um anzudeuten, man plane, es Elliot Rodger gleichzutun: »I think women should get to know my pERsonality« bedeutet hier nichts anderes als »Ich kokettiere damit, Frauen zu ermorden, weil sie nicht mit mir schlafen«.

      Threads werden in unterschiedliche Kategorien unterteilt, beispielsweise »Lifefuel« – aufmunternde und positive Nachrichten oder Erfahrungen. Diese bewegen sich auf Ebenen wie: »Ein Incel erhält plastische Chirurgie und wird sofort als Normie wahrgenommen« über »Eine saudi-arabische Rapperin wurde aufgrund feministischer Aussagen inhaftiert« oder »Eine Schlampe jammert darüber, dass sich niemand für sie interessiert« bis hin zu »Der Corona-Virus wird uns alle umbringen«. Mehrere Postings halten andere User dazu an, sich nicht dem Suizid hinzugeben, dies wird jedoch von anderen regelmäßig als »Coping« abgetan (außerdem: es sagt einiges über eine Subkultur aus, wenn Aussagen wie »Bringt euch nicht um« in einer derart erschreckenden Regelmäßigkeit auftreten). Andere Threads nennen sich »Suicidefuel« oder »Ragefuel«: in »Suicidefuel« suhlen sie sich in ihrer Hoffnungslosigkeit und der vermeintlichen Unerreichbarkeit von Liebe und Sex, in »Ragefuel« lassen sie ihrem Hass auf Frauen, die hier regelmäßig verbal zu »Toilets« degradiert werden, freien Lauf. Andere Threads sind dafür designiert, sich als Opfer von »toxischer Weiblichkeit« zu inszenieren, die Aussagen von Frauen ins Lächerliche zu ziehen, profeministische Männer zu verhöhnen oder seiner Wut über eine nur auf das Aussehen fixierte Gesellschaft freien Lauf zu lassen. Drei Momente ziehen sich wie ein roter Faden durch das Forum: Frauenhass, Selbsthass und pathologisches Opferdenken.

      Das zweitgrößte Forum mit rund 13.200 Mitgliedern trägt den Namen lookism.net und deklariert sich selbst stolz als die »Forefront of the coping movement«. Der Begriff des »Lookism«, der mir selbst ironischerweise aus der linken Szene bekannt ist, bezeichnet die Diskriminierung einer Person aufgrund ihres Aussehens. Nun ist dieser Begriff schlicht verkürzt: Die Diskriminierung aufgrund der Tatsache, nicht hegemonialen Schönheitsstandards zu entsprechen, ist kein gesellschaftlich verankerter Herrschafts- und Unterdrückungsmechanismus wie beispielsweise Rassismus. »Lookismus« ist eher Ausdruck patriarchaler und kapitalistischer Verhältnisse, die Schönheitsstandards vorgeben und vermitteln, dass das Befolgen dieser Standards erstrebenswert sei. Vor allem Mädchen und Frauen leiden unter diesen Vorstellungen, da weibliche Körper wesentlich stärker sexualisiert und objektiviert werden als männliche. lookism.net ist auf Looksmaxxing ausgelegt und eher in der Redpill-Ideologie verortet. Die User haben noch nicht aufgegeben, zumindest zum Normie aufsteigen zu können, aber auch hier ist Misogynie ein dem Forum zugrundeliegendes Moment. Man spricht über Sport, plastische Chirurgie und Diäten. Auch andere Formen dessen, was hier als »Selbstoptimierung« missverstanden wird, werden diskutiert, wie beispielsweise mögliche Wege zum finanziellen Erfolg (»Moneymaxxing«) – für die meisten User scheint dieser Weg mit Bitcoins gepflastert zu sein. In einem dritten Bereich des Forums veröffentlichen User Fotos, um sich gegenseitig zu bewerten. Stellenweise werden die Bilder bearbeitet, um zu spekulieren, welches Maß an Attraktivität sich denn mit bestimmten Eingriffen erreichen ließe. Häufig aufzufinden sind Anfragen nach plastisch-chirurgischen Eingriffen und Empfehlungen, welche Eingriffe dem User zu einem attraktiveren Aussehen verhelfen können. Was gänzlich fehlt, ist die Erkenntnis, dass man Selbstliebe und -achtung nicht an das eigene Aussehen knüpfen sollte, dass man sich lieben kann, so wie man ist, und dass plastische Chirurgie kein Ausweg aus vernichtendem Selbsthass ist. Ähnlich toxisch ist die Seite looksmax.me mit ungefähr 6.400 Usern, ebenfalls ein Forum, das Toxizität und Selbstzurichtung als »Selbstoptimierung« verkaufen möchte.

      Ein kleineres Forum ist die Seite incels.net mit etwas über 4.000 Usern. Es zeichnet sich, mehr als die anderen Foren, durch einen zynischen und (selbst-)ironischen Tenor und sogenanntes »Shitposting«, also bewusst provokative Postings, aus, bei denen es schwer ist zu beurteilen, inwieweit die Inhalte ernsthaft vertreten werden oder mit Incel-Klischees gespielt wird. In einem FAQ33 wird deklariert, Frauenhass würde bei einigen Mitgliedern der Szene vorkommen, sei jedoch kein Merkmal der Szene als solcher. Einige Zeilen später wird behauptet, man solle Frauen »nicht anders als ein Stück Fleisch« behandeln; alles andere sei unter der Würde der »Supreme Gentleman« – so die auf Elliot Rodger rekurrierende Selbstbezeichnung der User. Wenig überraschend ist der Tenor auch hier von Frauenhass und Selbsthass geprägt. Interessanterweise stellt incels.net ein sogenanntes »Bluepill«-Forum für Diskussionen mit Nicht-Incels zur Verfügung, doch anstatt der angekündigten »konstruktiven Kritik« werden auch dort primär misogyne Projektionen artikuliert, Sex mit Minderjährigen als legitim erklärt und das übliche Incel-Kreiswichsen betrieben. Meines Erachtens ist es irrelevant, ob Postings, die Frauenhass predigen, »Shitposting« oder genuin misogyn sind: es bedarf bereits einer Disposition zum Menschenhass, um sich überhaupt auf diesen Foren aufzuhalten und sich dort zu artikulieren. Des Weiteren würde ich die These aufstellen, dass auch ironisches Shitposting zu einer Verrohung führt: wer permanent mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit kokettiert, kann die ironische Distanz früher oder später nicht mehr aufrechterhalten und wird zunehmend desensibilisiert. Aus Ironie wird Ernst. Dies zeigt sich in einer Regel des Forums meines Erachtens recht deutlich. »Exzessiver Rassismus« ist verboten – was auch immer »nicht exzessiver Rassismus« sein mag.

      Zumindest im Ansatz eine Ausnahme bildet das Forum Yourenotalone.co, das früher den Namen Incelistan.net trug und das sich als »nicht gewalttätig und gender-inklusiv« beschreibt. Auch Frauen, sogenannte »Femcels« zählen zu den Nutzer*innen, LGBTQ-Feindlichkeit wird mit einem Bann sanktioniert, »Meinungsfreiheit« und »politische Unkorrektheit« sind jedoch in Ordnung – außer User*innen artikulieren sich allzu toxisch. »Dieses Forum soll ein Ort sein, der weniger toxisch als andere Incel-Foren ist […].« Trotzdem ist es in Ordnung, Frauen wie auch Männer als Gruppe zu kritisieren. User*innen werden zur Selbstoptimierung durch soziale Kontakte, Sport, positives Denken oder besseres Essen angehalten, anstatt therapeutische Hilfe zu suchen. Laut einem Moderator haben die Mitglieder des Forums keinerlei Überschneidungen mit der Nutzerbasis von incels.co gemein; allzu misogyne Postings werden kritisiert. Dennoch äußern auch auf diesem Forum männliche User projektiv aufgeladenen Betrachtungen von Frauen, die auch hier als oberflächlich und dem Leid der Incels gegenüber als ignorant dargestellt werden. Leider ist auch auf Yourenotalone.co Selbstmitleid omnipräsent, auch wenn der Umgang der User*innen miteinander ein gutes Stück solidarischer ist als auf den anderen Boards. Es ist bezeichnend, dass das am wenigsten gefährliche Forum nur knapp über 300 User*innen hat.

      Da auf Incel-Foren regelmäßig über sexuelle Gewalt gegen Frauen und Kinder fantasiert wird oder man Massenmörder glorifiziert, sind mehrere Foren bereits gesperrt worden. Zu ihnen zählen beispielsweise die Seite Truecels.org, auf der es ein Unterforum namens Hall of Heroes gab, auf dem User den gefallenen Helden ihrer Bewegung, ihren Vorgängern und anderen ihnen ideologisch nahestehenden Gewaltverbrechern huldigen konnten, beispielsweise Elliot Rodger, Anders Breivik, Kämpfern des Islamischen Staates oder Jack the Ripper. Ein weiteres Forum, auf dem Vergewaltigung und Mord zu den üblichen Gesprächsthemen zählten, nannte sich Incelocalypse, dessen User nicht einmal verschleierten, dass sie pädosexuelle Bedürfnisse hatten, sondern offen über den Konsum von Kinderpornographie und den Missbrauch von Mädchen sprachen. Nachdem das Forum geschlossen wurde, gründete der Administrator Nathan Larson ein Forum mit dem Namen Raping Girls is Fun, auf dem er offen darüber fantasierte, erst drei Jahre alte Kinder zu Tode zu vergewaltigen, und die sogenannte »Rapepill« propagierte. Vergewaltigung, so Larson, sei ein natürlich männliches Bedürfnis, und die einzige Möglichkeit für Incels, an Sex zu kommen. Das Forum wurde im Februar 2020 geschlossen. Leider komme ich nicht umhin, mich im zweiten Teil des Buches etwas genauer mit diesem Mann zu befassen, bei dem mir schleierhaft


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