Olli und die Hundefänger. Mathias Meyer-Langenhoff
und kamen uns vor wie richtige Seebären. Nur der Sonnenbrand störte, denn daran konnte man natürlich merken, dass wir gerade erst mit unserer Segeltour angefangen hatten. Meinten jedenfalls die Mädchen. Mir war das egal.
Aber als wir durch die Stadt liefen, brannten mir ganz schön die Arme. Die Erwachsenen gingen sofort in ein Café. Uns Kindern war das zu langweilig, wir wollten uns lieber die Stadt angucken.
„In einer Stunde seid ihr wieder auf dem Schiff!“, rief Mama uns nach. „Dann gibt es Abendbrot!“
Logo, wir wollten pünktlich sein, denn Segeln machte Kohldampf. Aber das klappte dann doch nicht so ganz ...
*
Wo ist Gisbert? - Meike erzählt
Ich war froh, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Segeln war zwar cool, aber im Hafen war es cooler. Da wackelte es nicht dauernd und man hatte mehr Auslauf. Gisbert fand das auch, denn er zog an der Leine wie ein Verrückter.
„Wo will der hin?“, wollte Lara wissen.
„Wahrscheinlich so weit wie möglich von der Anna Lena weg“, vermutete ich.
„Kann ich gut verstehen, denn ich hatte während der Fahrt dauernd ein mulmiges Gefühl im Magen. Aber wenn dir jetzt schon komisch ist, wie ist das denn bei richtigem Sauwetter?“
Ich antwortete lieber nicht.
Langsam liefen wir an den vielen Schiffen vorbei, die hintereinander am Ufer des Kanals lagen. Fast bei jedem blieb Gisbert einmal stehen, um sein Bein zu heben. Die Jungs lachten sich immer halb tot, aber mir war das peinlich.
„Jetzt hört mal auf mit eurem doofen Lachen. Das ist eben ein Hund.“
Vor allem Olli kriegte sich gar nicht mehr ein. „Gisbert ist ein Pisser! Gisbert ist ein Pisser!“ Er krähte herum wie ein Irrer.
Das ging auch Lara auf die Nerven. „Halt’s Maul, Olli!“, schnauzte sie ihn mal wieder an.
„Genau!“, sagte ich. „Jetzt hältst du mal die Leine, bei dir macht er das nämlich bestimmt genauso.“
Zu meiner Überraschung übernahm er Gisberts Leine ohne Widerspruch und beruhigte sich sogar. Und Gisbert hob weiter alle paar Meter sein Bein, um mit seinem Hundestrahl die Gegend zu markieren.
Ich quatschte gerade mit Paula, als Olli schon wieder anfing, auszuflippen. „Gisbert, bleib hier, stopp, verflixt noch mal, du sollst stehen bleiben!“ Er schrie, was seine Lungen hergaben.
Ich bekam gerade noch mit, wie mein Hund mit seiner Leine hinter einer Häuserecke verschwand. Ich war echt sauer auf Olli. „Kannst du nicht aufpassen, warum lässt du Gisbert denn einfach los?“, blaffte ich ihn an.
„Hab ich doch gar nicht. Die Leine ist mir weggerutscht. Ich kann auch nichts dafür, dass dein Hund dann sofort abhaut!“
„Hört auf, den holen wir zurück“, beruhigte uns Hannah.
Ich zuckte mit den Schultern, aber bestimmt hatte meine Schwester recht. So schnell wir konnten, rannten wir hinter Gisbert her. Als wir die Ecke erreichten, an der wir ihn aus den Augen verloren hatten, war aber nichts von ihm zu sehen. Wir standen am Eingang des Marktplatzes, direkt in der Stadtmitte.
„Da hinten ist er, da!“, rief Olli auf einmal und zeigte auf ein weißes Haus. Tatsächlich. Mein Gisbert bettelte vor einer Caféterrasse mit wedelndem Schwanz zwei ältere Ehepaare an. Sie hatten Kuchenteller und Getränke vor sich stehen. Leise und vorsichtig schlichen wir uns an.
„Bleibt stehen, sonst läuft er wieder weg“, flüsterte ich den anderen zu. Dann sprang ich nach vorne und trat auf seine Leine. „Jetzt habe ich dich, du Ausreißer!“, rief ich.
Keine Ahnung wieso, aber plötzlich geriet ich ins Straucheln. Sekunden später lag ich mich mitten auf dem Tisch der Leute, bei denen Gisbert gerade gebettelt hatte. Oh, war das peinlich! Ich merkte, wie ich den Kuchen platt drückte. Fette Sahnetorte, denn es fühlte sich kalt und klebrig an. Und dann diese ekelige Mischung aus heißem Kaffee und kaltem Bier. Die Leute waren mit einem Aufschrei aufgesprungen, bekamen aber trotzdem noch eine Menge ab.
Als ich mich aus dem Chaos hochgekämpft hatte, waren die beiden Frauen gerade dabei, ihre Hosen und Pullover abzuwischen. Die Männer starrten mich zuerst entgeistert an, fingen dann aber an zu lachen. Auch die Frauen konnten sich nicht mehr halten.
„Meine Güte, Kind, wie hast du das denn gemacht?“, prustete einer der beiden Männer.
„Tut mir leid“, stammelte ich, „mein Hund, der war weggelaufen, wirklich ... ich ...“ Weiter kam ich nicht, ich merkte, wie mir Tränen in die Augen schossen. Ich bekam kein Wort mehr heraus. Hannah nahm mich schnell in die Arme.
„Aber wo ist denn jetzt dein Hund?“, fragten die Frauen.
Ich trocknete mir die Augen. Gisbert war tatsächlich schon wieder verschwunden.
„Der hat sich bestimmt auch total erschreckt“, meinte Hannah.
Plötzlich hörten wir die Jungs rufen. „Hier ist er, hier, Meike, komm schnell!“
Fragend sahen wir die beiden älteren Ehepaare an. „Lauft los“, sagte einer der beiden Männer, „für den Schaden kommen wir auf. Macht euch keine Gedanken.“
„Das ist total nett von Ihnen“, schniefte ich, „es tut mir wirklich leid.“ Dann rannten Hannah und ich in die Richtung, aus der die Jungs gerufen hatten.
Gisbert war quer über den Marktplatz genau den Weg zurückgelaufen, auf dem er gekommen war. Olli, Pit und Hanjo hatten sich ihm bis auf ein paar Schritte genähert.
„Wartet, nicht weitergehen!“, rief ich. „Für ihn ist das ein Spiel, das einzige, was jetzt hilft, ist ein Leckerchen!“ Ich wühlte in meiner Hosentasche nach einem Hundekeks, denn wenn er einmal Spaß am Weglaufen hatte, konnte man ihn nur damit überzeugen, stehen zu bleiben.
„Keine Angst, der entwischt mir nicht noch einmal, ich bin der beste Hundefänger der Welt.“
„Stopp, nein, nicht!“, schrie ich, aber es war zu spät.
Olli machte zwar einen echt eleganten Torwartsatz, aber Gisbert war eben Gisbert und kein Ball. Als Olli landete, war mein Hund längst wieder über alle Berge. Ich hätte dem Supertorwart die Augen auskratzen können, jetzt hatte er die Sache schon zum zweiten Mal verpatzt.
„Warum hast du nicht gewartet? Jetzt ist er endgültig weg!“ Ich war nicht mehr nur sauer, sondern richtig sauer.
„Typisch mein Bruder“, zischte Lara, „macht immer den dicken Max.“
Olli sagte nichts.
„Jetzt hört auf, zu meckern“, meinte Hanjo, „er hat doch alles gegeben. Gisbert kann nur am Kanal weitergeflitzt sein. Am besten fragen wir die Leute auf den Booten, vielleicht hat jemand ihn gesehen oder sogar eingefangen.“
„Ist wohl das beste“, seufzte ich.
Dann gingen wir von Schiff zu Schiff. Wir sprachen bestimmt mit allen Seglern in Enkhuizen, aber keiner hatte meinen Hund gesehen. Auch Leute, die uns unterwegs entgegenkamen, fragten wir. Jedes Mal Fehlanzeige. Olli rannte voraus und quatschte die Leute als Erster an. Man merkte, dass er etwas gutmachen wollte. Er tat mir sogar ein bisschen leid, denn wenn ich ehrlich war, hätte mir das mit der Leine auch passieren können. Gisbert war eben ein ziemlich frecher Hund. Er war auch nicht das erste Mal weggelaufen. Aber Ollis große Sprüche waren eben einfach oft ziemlich daneben.
„So finden wir ihn nie“, seufzte ich, „am besten wir gehen zurück zur Anna Lena.“ Die anderen nickten.
„Moment, am anderen Ufer liegt noch ein