Olli und die Hundefänger. Mathias Meyer-Langenhoff
Mal. Vor allem Mama passierte das oft.
Oben wartete ich noch ein bisschen. Aber es kam niemand. Jetzt konnte ich meinen Plan zu Gisberts Befreiung starten. Leise überquerte ich die anderen Schiffe Richtung Ufer. Meine Vorsicht wäre eigentlich gar nicht nötig gewesen. Entweder waren die Besatzungen an Land oder es war so ein Trubel an Bord, dass mich auch dann niemand bemerkt hätte, wenn ich wie ein Elefant über die Decks getrampelt wäre. Aber so konnte ich wenigstens schon mal das Schleichen üben.
Dann war ich am Ufer. Auf zum Buitenhaven. Wo war der noch mal? Ach ja, irgendwie zurück bis zur Zugbrücke und dann links. Mann, waren heute Abend viele Leute unterwegs. Am alten Hafen war es eng wie auf einem Kirmesplatz. Klar, hier gab es ja auch eine Kneipe neben der anderen. Erst als ich an der Zugbrücke vorbeikam und in den Buitenhaven einbog, wurde es ruhiger. Aber wie sollte ich jetzt die Marijke finden? Ich wusste nur, dass sie auch ein Plattbodenschiff war. Nur lagen da so viele, alle im Päckchen. Wenn die Marijke ganz hinten ankerte, war es bestimmt nicht leicht, sie zu sehen.
Ich ging langsam um das Hafenbecken herum. Wonach sollte ich jetzt Ausschau halten? Am besten nach einem Schiff mit Käfigen. Nichts zu sehen. Was jetzt? Es blieb mir nichts anderes übrig, als jedes einzelne Päckchen genau zu untersuchen. Blöd irgendwie, weil ich dann von Schiff zu Schiff musste. Und wo sollte ich anfangen? Am besten direkt an der Hafeneinfahrt. Hier lagen fünf Schiffe nebeneinander. Leider konnte ich den Namen des ganz hinten liegenden Schiffes nicht erkennen. Also schlich ich achtern, ihr wisst schon, hinten, von Deck zu Deck.
Keine Menschenseele. Ob hier auch alle unterwegs waren? Oder schliefen die Leute schon? Dann durchzuckte es mich – das letzte Schiff im Päckchen war tatsächlich die Marijke. Da hatte ich echt Schwein gehabt. Das Holzschild mit den goldenen Buchstaben war groß und gut lesbar. Ich hatte sie also wirklich gefunden.
Schnell duckte ich mich hinter die Reling, erst mal die Situation checken. Das Hundefängerschiff sah ziemlich heruntergekommen aus. Überall lag Dreck, an den Bordwänden blätterte die schmutzigbraune Farbe ab, nicht mal das Hauptsegel war richtig eingepackt. Achtern und vorne war die Marijke beladen. Ich konnte nicht erkennen, was es war, weil die Ladung mit einer Plane bedeckt war. Aber ab und zu hörte ich ein Schmatzen und Jaulen. Das mussten die Hunde sein.
Ansonsten war alles ruhig. Jetzt nur noch Gisbert finden. Meike würde Augen machen. Ich war Olli, der Tierbefreier. Ihren Hund retten? Eine meiner leichtesten Übungen. Auf allen vieren schlich ich auf die Marijke und entschied mich, zunächst hinten zu suchen. Ich zog die Plane zur Seite.
Tatsächlich, Hundekäfige. Die Tiere hatten mich natürlich längst gerochen, denn sie standen fast alle in ihren Drahtverhauen, bellten oder winselten und sahen mich mit traurigen Augen an. Ob die nicht mal was zu fressen und zu saufen bekamen? Am liebsten hätte ich sie sofort freigelassen. Drei Schäferhunde, ein Dackel, sogar zwei Golden Retriever waren dabei, aber leider kein Gisbert. Ich schlich nach vorne – auch nichts.
„Ich komme gleich zurück, keine Angst“, flüsterte ich.
Was jetzt? Mir blieb nur, unter Deck nachzugucken. Vorausgesetzt, die Kajütentür war nicht abgeschlossen, und vorausgesetzt, diese Hundefänger waren wirklich in der Kneipe. Vorsichtig versuchte ich, die Lukenklappe aufzuschieben. Wow, sie ließ sich tatsächlich öffnen. Sie quietschte, bestimmt nicht laut, aber trotzdem fielen mir vor Schreck beinahe die Ohren ab. Ich sprang zurück und versteckte mich hinter dem Segelbaum. Wenn jetzt jemand hochkam, konnte ich ihm vielleicht noch entwischen. Mein Herz raste, aber es blieb alles ruhig.
Ich zählte leise bis zehn, dann kroch ich wieder zu der Luke und tastete mich auf der steilen Treppe in den Bauch des Schiffes. Puh, hier stank es wie Hulle. Nach Hunden und allem möglichen Anderen, worauf ich besser nicht eingehe. Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, war mir klar, warum. Es war irre schmutzig, die Fenster der Kajüte waren blind, sie schienen noch nie geputzt worden zu sein. Ich glaube, auf dem Tisch und in der Spüle stapelte sich das Geschirr von tausend Jahren. Uraltes, verschimmeltes Brot, Teller mit Zigarettenkippen, eingetrocknete Essensreste, Kaffee oder Tee, der wahrscheinlich irgendwann im letzten Jahrhundert gekocht worden war. Mannomann, wenn das Mama sah, die würde einen Anfall kriegen.
Aber auch hier kein Gisbert. Oder hatten sie ihn schon verkauft? Meine letzte Chance waren die Schlafkajüten. Ich öffnete die Tür zum Gang. Da waren noch mehr Käfige, fast alle leer, aber in dem letzten, ganz hinten an der Wand, da lag Meikes Hund. Er erkannte mich sofort, denn er begann, wie wild herumzuhüpfen. Schnell öffnete ich die Tür. Gisbert sprang mir fast auf den Arm, ich konnte ihn kaum halten. Er zappelte und leckte dauernd durch mein Gesicht.
„Da bist du ja, du alter Ausreißer. Das kommt davon, wenn man nicht gehorchen kann.“
So richtig schuldig fühlte Gisbert sich nicht. Egal, Hauptsache ich hatte ihn gefunden. Jetzt nur noch schnell verschwinden.
„So, mein Junge, ab nach Hause. Aber vorher müssen wir noch deine Kumpel befreien.“
Auf einmal fing Gisbert an zu knurren, im gleichen Augenblick riss mir eine Hand von hinten an den Haaren.
„Was machst du hier, du kleiner Pisser?“, keifte mir eine extrem unsympathische Stimme ins Ohr.
Mir war sofort klar, wer mich erwischt hatte. Das konnte nur Elli sein, diese Piratenzicke. „Aua, sofort loslassen!“
„Damit du wieder abhauen kannst, was? Von wegen, Bürschchen!“ Sie öffnete eine Kajüte und schubste Gisbert und mich brutal hinein. Ich flog hin, knallte gegen irgendetwas Hartes und war weg. Filmriss!
*
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