Frau ohne Welt. Teil 2: Der Krieg gegen das Kind. Bernhard Lassahn

Frau ohne Welt. Teil 2: Der Krieg gegen das Kind - Bernhard Lassahn


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Welt geworden. Eine böse, geile Welt. Die vielfältigen Maßnahmen gegen sexuelle Gewalt und gegen Missbrauch – wie die vom Donna-Vita-Verlag – haben ein Nein-Gefühl zunächst herausgekitzelt, dann aufgeblasen und in vielen Fällen überhaupt erst erschaffen. Nun herrscht der Horror einer ständigen Bedrohung durch männliche Sexualität. Das will die Mikado-Studie der Uni Regensburg genauer erforschen. Sie richtete an Acht- und Neuntklässler Fragen wie diese: »Hat dich jemals jemand dazu gedrängt, seinen Penis oder den einer anderen Person in den Mund zu nehmen?« »Wurdest du jemals von einer anderen Person zur Prostitution (Sex gegen Geld) gezwungen?« Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend stellt für solche Erhebungen Millionenbeträge zur Verfügung und belohnt Mädchen, die mit ja antworten, mit Aufmerksamkeit; sich selbst belohnt es mit der Einbildung, dass seine Politik richtig sei.

      Das Ja-Gefühl ist eine Falle. Das musste nicht nur der Junge aus Erfurt erleben. Ein Ja darf gar nicht sein, weil es ein Ja zum Missbrauch wäre. Auch Päderasten sollten sich nicht auf das Jawort eines Kindes berufen dürfen. Sie versuchen es nichtsdestoweniger. Vielleicht werden sie bald Erfolg damit haben, denn ein Kind soll neuerdings ein »Recht auf Sexualität« geltend machen dürfen, und wenn das Kind »selbst« bestimmt und die »Gefühle« immer »Recht« haben, dann ist die Tür zur Legalisierung von Sex mit Kindern geöffnet.

      Kindern bleibt ein Ausweg aus der Zwickmühle: Das Ja zur gleichgeschlechtlichen Liebe. Was sie an »Vielfalt« akzeptieren sollen, ist nicht viel, sondern wenig. Akzeptieren soll ein Kind nicht etwa eine verlockende Vielfalt, sondern die speziell empfohlene Homosexualität, die den Vorteil hat, dass sie frei ist vom Missbrauchsverdacht. Da lernt ein Junge in der siebenten Klasse, wie man ein Kondom benutzt, und der Lehrer sagt dazu – es folgt eine Szene aus dem richtigen Leben von heute mit echten Kindern –: »Und dann ab damit in den Popo!«

      Für Mädchen lautet die Lösung: lesbisch werden. Die Vagina-Monologe der Theaterautorin Eve Ensler wurden am V-Day (V wie Vagina, wie Victory Over Violence und wie Valentinstag), dem Aktionstag gegen Gewalt, im Europaparlament vorgetragen – um Zeichen zu setzen. Eines der Zeichen, das in einer Szene aus den Monologen gesetzt wird, sieht so aus: Ein junges Mädchen wird von einer älteren Frau zum lesbischen Sex verführt. Anschließend wird ihm erklärt, dass es keine Vergewaltigung war.

      So ist es korrekt. Aber es müssen alle mitmachen. Wenn Eltern nicht mitmachen wollen und ihre Kinder vom Sexualkundeunterricht fernhalten, droht ihnen – zumindest in einigen Bundesländern – Erzwingungshaft. So wird die behauptete »Zwangsidentität«, der wir angeblich unterliegen, mit echtem Zwang abgeschafft. Dann haben wir tatsächlich eine Zwangsidentität.

       Blutige Experten

      Beim Thema Sex wird gelogen. Da fragt man Frauen und Männer, ob sie schon mal fremdgegangen sind, und stellt fest, dass es so viel mehr Männer als Frauen sind, die einen Seitensprung zugeben, dass da schon rein statistisch etwas nicht stimmen kann. Dann gibt es eine zweite Fragerunde, diesmal – so behauptet man jedenfalls – mit einem Lügendetektor. Schon tun es Frauen und Männer etwa gleich oft.

      Auch im Krieg wird gelogen. Wir haben es heute mit einem besonderen Krieg zu tun – dem Geschlechterkrieg. Da wird gelogen wie in anderen Kriegen auch. Und wie in der Politik. Verdeckte Foulspiele, kleinere und größere Gesetzesübertretungen gehören schon beim normalen Politikbetrieb zum Tagesgeschäft. Für feministische Aktivisten, die außerhalb der »männlichen Logik« unterwegs sind, ist es ein selbstverständlicher Teil ihres Tuns, mit Übertreibungen, Halbwahrheiten und mit künstlichen Aufgeregtheiten zu operieren, die sie für zutiefst berechtigt halten, solange alles dem »guten Zweck« dient.

      Was als guter Zweck gilt, geht aus den fünf Punkten hervor, in denen Dale O’Leary die Forderungen der Pekinger Weltfrauenkonferenz zusammengefasst hat. Wir sollten uns nicht täuschen und in dieser Frage etwa einen Streit zwischen konservativen und fortschrittlichen Kräften erwarten. Sie streiten nicht, sie sind sich einig. Der Konsens umfasst alle, er geht über Partei- und Landesgrenzen hinweg. Es ist eines der Kennzeichen totalitärer Regime, dass sie, wie uns Hannah Arendt erklärt, die Frage, ob sie links oder rechts sind, unbedeutend machen.

      Für die Konservativen ist das Mitschwimmen mit der Gender-Agenda eine Frage des Machterhalts, für alte Linke und neue Grüne Voraussetzung für die Erfüllung eines Traums aus einer ganz frühen Phase der russischen Revolution – des Traums von Wilhelm Reich, dem »Vater der sexuellen Revolution«. Er war nicht der einzige Träumer. Auch Georg Lukács, ein Vordenker der Frankfurter Schule, der vor allem als Literaturkritiker bekannt wurde, hatte, als er stellvertretender Volkskommissar für Unterrichtswesen der ungarischen Räterepublik war, ein Programm der freien Liebe eingeführt.

      Das ist wenig bekannt.

      Umso bekannter ist das Schlagwort von der »antiautoritären Erziehung«, das zum Grundbestand der 68er Ideale gehört und schon deshalb großen Widerhall fand, weil man in dem »autoritären Charakter«, wie ihn Erich Fromm beschrieb, genau den Typus erkannte, der für Fremdenhass, Kadavergehorsam und letztlich für den Krieg verantwortlich war. Wenn man der Entstehung so eines »Charakters« entgegentrete, so die Folgerung, wehre man den Anfängen und leiste damit einen Beitrag zum Frieden. Diesen Eindruck vermittelte das 1960 erschienene Buch Summerhill: A Radical Approach to Child Rearing. Der britische Pädagoge Alexander S. Neill berichtet darin von Erfahrungen, die er schon in den zwanziger Jahren in der von ihm gegründeten Privatschule Summerhill gemacht hatte – einer Schule, die auf Kinder mit Verhaltensproblemen spezialisiert war.

      Neill war ein Freund von Wilhelm Reich, der wiederum seinen Sohn Peter zu ihm auf die Schule schickte. Obwohl Neill mit dem Ausdruck »antiautoritär« nicht in Verbindung gebracht werden wollte, veröffentlichte der Rowohlt Verlag die deutsche Taschenbuchausgabe 1969 unter dem Titel Theorie und Praxis der antiautoritären Erziehung. So neu und provokant sie wirken mochten, die Methoden der sogenannten antiautoritären Erziehung waren alt und schon fast wieder in Vergessenheit geraten.

      Unter »antiautoritär« wurde nicht zuletzt »sexuell freizügig« verstanden. Die Sexwelle, die in den sechziger Jahren heranrollte, erfasste nun auch Kinder, und das galt als – politisch gesehen – gut so. Das berühmte Foto aus der Kommune 1 zeigt nackte Männer und Frauen neben nackten Kindern. In Universitätsstädten wurden »Kinderläden« gegründet, die sich – wie Buchläden von Buchhandlungen – vom Kindergarten dadurch unterschieden, dass sie »fortschrittlich« und mehr oder weniger antiautoritär waren. Auch in jungen Familien setzte sich ein »antiautoritärer« Erziehungsstil durch, der den Eltern das Gefühl gab, auf der Höhe der Zeit zu sein, aber eigentlich nur darin bestand, dass man die Kinder machen ließ, was sie wollten.

      In manchen der Kinderläden konnten die Kleinen schon bis vier zählen und lernten die Parole: »Eins, zwei, drei, vier. Kommunisten sind wir!« Eine politische Identität wurde ihnen so früh wie möglich eingetrichtert. Eine sexuelle auch. Theorien, die die Themen Sexualität und Marxismus verbanden, wurden abgestaubt und wiederaufgelegt; Hans-Peter Gente gab die Taschenbücher Marxismus Psychoanalyse Sexpol Band 1 und 2 heraus – das Kurzwort Sexpol steht für den von Wilhelm Reich begründeten Reichsverband für proletarische Sexualpolitik, eine Unterorganisation der damaligen KPD. Im Jahre 1970 schrieb Hans-Jochen Gamm, der bekannt war für eine radikal verstandene pädagogische Parteilichkeit, die sich am Marxismus orientiert: »Wir brauchen die sexuelle Stimulierung der Schüler, um die sozialistische Umstrukturierung der Gesellschaft durchzuführen und den Autoritätsgehorsam einschließlich der Kinderliebe zu den Eltern gründlich zu beseitigen.«

      Was ist die Grundidee – damals wie heute? Zuerst wird ein Keil zwischen die Generationen getrieben. Die Kinder werden den Eltern entfremdet, um sie dem Staat zu überlassen, dem sie dann schutzlos ausgeliefert sind.

      Können wir das hinnehmen?

      Wenn wir jemanden an unsere Kinder heranlassen, der sie für »Vielfalt öffnen« will, können wir dann nicht auch erwarten, dass er seinerseits offenlegt, was für Interessen er hat und wie vielfältig diese sind? Wir sollten Aufklärung über die Aufklärer verlangen. Was wollen sie? Wollen


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