Frau ohne Welt. Teil 2: Der Krieg gegen das Kind. Bernhard Lassahn

Frau ohne Welt. Teil 2: Der Krieg gegen das Kind - Bernhard Lassahn


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können.

      Auch wir sollen keine Wurzeln schlagen können. Das Modell der Gender-Agenda erinnert an die Bedingungen im Paradies oder an die Geschichte von Blaubart. Im Paradies war es Gott, der zu Adam und Eva sagte: Ihr dürft alles, nur eins nicht. Im Märchen war es der unheimliche Blaubart, der seiner Frau einen Schlüsselbund anvertraute, von dem sie alle Schlüssel ausprobieren durfte, nur einen nicht. Das Gebot von heute lautet: Habt noch mehr sexuelle Vergnügungen als bisher, aber kriegt keine Kinder.

      Das heißt, dass wir uns auf Vergnügungen spezialisieren sollen, die nicht mit Zeugung verbunden sind. Deshalb soll es auch mehr Homosexualität geben, mehr Verhütung, mehr Abtreibung – mehr Pornofilme. Die werden zwar im Programm von Peking nicht ausdrücklich erwähnt, gehören aber ins Gesamtbild.

      Pornos sind Propagandafilme gegen das Kinderkriegen. Eine Befruchtung findet ganz offensichtlich nicht statt. Dazu wird der bildhafte Beweis geführt; es gibt eindeutige Szenen, die zeigen, dass auf diese Art keine Kinder gezeugt werden. So wie neuerdings im Abspann mancher Filme zu lesen ist, dass »für diesen Film keine Tiere gequält« wurden, so könnte es im Abspann von Pornos heißen: »Bei den Dreharbeiten wurden garantiert keine Kinder gezeugt.« Dabei geht es fast ausschließlich um das »Instrumentarium« der Zeugung, das nun für andere Zwecke genutzt wird: zum bloßen Vergnügen, das damit allerdings zum zweifelhaften Vergnügen wird.

      Die Filme folgen einem Schema, bei dem festgelegte Stationen durchlaufen werden. Sie erinnern an einen sportlichen Wettkampf, an einen Dreikampf – oral, genital, anal – bei dem wir zum Schluss nicht überrascht wären, wenn die Kamera auf eine Jury schwenkte, die nach Punkten wertet, wie sich das Paar in den drei Disziplinen geschlagen hat.

      Auf zweierlei Weise wird damit eine gigantische Gleichmacherei vorangetrieben. Zum einen durch die unendliche Menge der weltweiten Porno-Produktionen, die immergleiche Szenenfolgen mit austauschbaren Darstellern vorführen, als würde ein Ideal von »ewiger Gleichgültigkeit« angestrebt. Zum anderen dadurch, dass die jeweiligen »Disziplinen« – wie beim Dreikampf Werfen, Springen, Laufen – als gleich bedeutend hingestellt werden, was sie nicht sind. Sie sollen aber so gesehen werden.

      Wie auch immer wir uns sexuell betätigen und auf welche Art wir zum Orgasmus kommen, es soll stets gleichwertig sein.

      Doch selbst wenn wir »die Sache«, wie man früher in der DDR dazu sagte, sportlich sehen, merken wir, dass nicht alle Disziplinen gleichermaßen beliebt sind, es haben auch nicht alle dieselben Risiken und Nebenwirkungen. Selbst wenn wir nur das Vergnügen suchen, die Sache rein hedonistisch angehen und nach dem »besten Sex« fragen, wie er uns in Ratgeberbüchern empfohlen wird, finden wir eine eindeutige Antwort:

      Es ist nicht alles gleich.

      Es gibt eine »Königsdisziplin« unter den sexuellen Praktiken, die alle anderen zweitklassig macht. Sie ist die Grundform der sexuellen Betätigung, alles andere sind Varianten, Trostpreise und Verlegenheitslösungen, die durchaus ihre besonderen Reize haben, auf die man aber notfalls auch verzichten könnte. Sie haben die Melancholie des Zweitbesten und den Nachgeschmack von Methadon. Sie bringen uns nicht die Befriedigung, die uns der Idealfall einer sexuellen Vereinigung verschaffen kann, sie führen uns bestenfalls in den sechsten, nicht aber in den siebenten Himmel.

      Frauen haben ausgerechnet dann am meisten Vergnügen, wenn sie die Pille abgesetzt, gerade ihre fruchtbaren Tage haben und obendrein das Ticken der biologischen Uhr vernehmen. Es gibt nach wie vor nur eine Art der sexuellen Begegnung, bei der die Geschlechtsteile beider Partner aufeinandertreffen, im Film A Clockwork Orange wird es hämisch »das alte Rein-Raus-Spiel« genannt. Es ist die Grundform, von der alle anderen Möglichkeiten abgeleitet sind, die tendenziell näher an der Selbstbefriedigung liegen, was die Austauschbarkeit erleichtert und unversehens den Beitrag des Gegenübers zu einer Art Dienstleistung macht. »I guess, you call it love«, heißt es in einem Song von Leonard Cohen, »I call it service.«

      Den Zeugungsakt haben wir nie als Ersatzbefriedigung oder als Perversion bezeichnet. Unsere Körper belohnt uns, indem er im idealen Fall all das an Oxytocinen, Endorphinen und sonstigen Neurotransmittern ausschüttet, was er auf Lager hält. Mehr noch: Es wird ein Fenster zur Unendlichkeit aufgemacht; es erfüllt sich uns der Wunsch, die Sehnsucht, der biologische Auftrag … wie immer wir es nennen wollen, uns fortzupflanzen und zu »verewigen«.

      Wenn es nicht so wäre und andere Praktiken eine genauso vollständige Befriedigung böten, bräuchte man keine Verhütungsmittel und hätte auch nie welche gebraucht. Dann würde es uns leichtfallen, auf den »klassischen« Geschlechtsakt zu verzichten, der das Risiko der Schwangerschaft enthält, weil wir problemlos auf andere sexuelle Betätigungen ausweichen könnten, die gleichbedeutend wären (was sie jedoch nicht sind), die uns genauso ein Gefühl von Befriedigung verschaffen könnten (was sie aber nicht können) und nichts vermissen ließen (was sie eben doch tun).

      Unser Sexleben ist selbst dann nicht folgenlos, wenn wir meinen, wir hätten alles dafür getan, dass es nicht zu einer Schwangerschaft kommt. Die vielzitierten Risiken und Nebenwirkungen, die auf keinem Beipackzettel stehen, betreffen aber nicht nur eine ungewollte Schwangerschaft, sondern auch die Folgen eines Lebens ohne Kinder, sie betreffen die Bedeutung, die wir dem Leben selber geben. Es genügt nicht, mögliche Nebenwirkungen für die nächsten neun Monate zu beachten, wir müssen auch die Langzeitwirkungen bedenken.

      Wenn wir die »Liebe«, die zunehmend zum Synonym für sexuelle Aktivität verkümmert, von der Zeugung trennen, trennen wir zugleich die Zeugung von der Liebe. Der Schnitt wirkt in beide Richtungen. Von der Liebe, wie wir sie früher besungen haben, bleiben nur Restbestände; sie wird immer unvollständiger und schließlich verzichtbar. So wird der Weg frei für eine künstliche – eine lieblose – Befruchtung. Allein dadurch, dass Verhütungsmittel und Möglichkeiten zur künstlichen Befruchtung existieren, finden bedeutende Veränderungen in unseren Wertvorstellungen statt.

      Selbst wenn wir die Mittel und Möglichkeiten nicht nutzen.

      Die intime Begegnung wird zu einem Akt, der immer banaler wird, je mehr er sich von der Zeugung entfernt. Sie wird zum Liebesspiel, das zwar leidenschaftliche Züge annehmen kann, aber doch immer nur Spiel bleibt. Es fehlen die Ernsthaftigkeit und die Bereitschaft, die süße Mühsal, die ein neues Leben mit sich bringen würde, zu ertragen.

      Mit den Verkümmerungen, die der Liebe angetan werden, wenn wir die einmalige Qualität durch vielfältige Quantitäten ersetzen, schleicht sich eine unstillbare Sehnsucht ein und führt zu einer süchtigen Suche nach mehr und immer mehr. Auf die Dauer lässt sich der Gedanke nicht verdrängen, dass wir uns gegen das Leben entschieden haben, ohne dass es uns aufgefallen wäre und ohne dass wir uns an den Termin, an dem die Entscheidung gefallen ist, erinnern könnten. Es stimmt schon: Ein Orgasmus ist eine auf das Höchstmaß gesteigerte Lebenslust. Wenn jedoch der Wille zum »Leben« an der »Lust« fehlt, wird die Lust, die nun auf sich allein gestellt ist, immer schaler. Vielleicht kann man sich, wenn wir den Vergleich nicht auf die Goldwaage legen, so ein Sexleben als eine Art von Bulimie vorstellen: Wir wollen essen, uns aber nicht ernähren.

      Verhütungsmittel verführen uns dazu, Beziehungen auf Vor behalt einzugehen. Doch der Vorbehalt ist trügerisch, er ist keine wirkliche Neutralität, keine Indifferenz. Er ist bereits ein ganzes Nein zum Kind und ein halbes Nein zum Partner. Wir leben mit einem unausgesprochenen Nein, ohne dass es uns bewusst ist.

      Unter solchen Umständen sollen Kinder, die nicht gewollt sind, ihrerseits ja zum frühkindlichen Sex sagen. Das wollen sie nicht. Erwachsene wollen es. Die wiederum haben verschiedene Interessen. Die einen pflegen ihre (noch) verbotenen Gelüste nach Sex mit Kindern – womöglich schämen sie sich dafür und suchen nach Auswegen. Die anderen schämen sich nicht. Sie sehen in so einem hochsensiblen Punkt die geeignete Stelle, die Gesellschaft im großen Stil anzugreifen und womöglich umzustürzen. Wir haben es also mit zwei Varianten von Kindesmissbrauch zu tun: Die einen benutzen Kinder für ihre Gelüste, die anderen für ihre Vorstellung von Revolte und Aufruhr.

      Genau das will – wie schon der Name sagt – die Frauen-Bande Pussy Riot, die für den Martin-Luther-Preis Das unerschrockene Wort nominiert wurde. Die Damen nennen sich nicht etwa Bunt Kiski, wie ihr Name auf Russisch


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