Unsere Zukunft auf deiner Haut. E.M. Lindsey
beendete seinen Lauf mit klopfendem Herzen und verschwitztem Rücken ‒ genau so, wie er es haben wollte. Seine Mittagspause war schon vorbei, aber er glaubte nicht, dass das irgendjemanden interessieren würde, da die meisten der Konten, die er betreute, auf dem aktuellen Stand waren, sodass keiner seiner Klienten einen Grund hatte, sich zu beschweren. Er stieg vom Laufband, sprühte es ein und wischte es ab, bevor er zu den Umkleideräumen ging, aber bevor er um die Ecke bog, schnappte er ein Gespräch an der Rezeption auf.
»…und Sie haben ernsthaft nichts? Ich meine, gibt es eine Möglichkeit, etwas einzurichten?«
»Hören Sie, Ma'am, ich bin mir Ihrer Situation bewusst, aber das ist das Beste, was wir Ihnen anbieten können. Unsere Versicherungspolice deckt einfach keine… Menschen wie Sie ab.«
»Menschen wie mich. Alles klar.«
Etwas an dem niedergeschlagenen, erschöpften Tonfall der Frau hatte ihn neugierig gemacht. Er trat um die Ecke und da sah er sie. Sie saß im Rollstuhl, war für das Fitnessstudio angezogen und hatte hellbraune Haare, die zu einem unordentlichen Knoten gebunden waren. Ihre behandschuhten Hände lagen an den Rädern ihres Stuhls und sie funkelte den Mann an der Rezeption aus dunklen Augen an.
Niko trat vor, bevor er sich dessen bewusst war. Sie drehte sich um und sah ihn sofort widerspenstig an, als er vor ihr stehen blieb. »Ich habe gelauscht«, platzte er heraus.
Ihre Augenbrauen schossen nach oben. »Äh, schön für dich? Ich bin keine Jungfrau und auch nicht in Nöten, also spiel woanders den weißen Ritter.«
Er konnte sein Lachen nicht zurückhalten und sah, wie ihre Lippen ein wenig zuckten. »Das ist nicht… ähm. Ich habe da diesen Freund ‒ eine Art Bekannter, würde ich sagen ‒ er macht Ziegenyoga im Park.«
Sie blinzelte ihn für einen langen Moment an. »Okay?«
»Er sitzt auch im Rollstuhl«, erklärte er. »Er hält manchmal Kurse für Menschen mit Behinderungen ab. Also, äh, ja. Ich dachte, vielleicht…«
»Ja«, sagte sie hastig, die Worte schossen geradezu aus ihr he-raus. »Ernsthaft? Ist das dein Ernst?«
Er rieb sich über den Nacken. »Ich weiß eigentlich nicht viel über das, was er tut, aber neulich hat er mir von einem Yoga-Kurs an diesem Wochenende erzählt.« Er biss sich auf die Lippe und sagte dann: »Willst du mir deine Nummer geben? Dann kann ich dir die Details schreiben.«
Sie kniff die Augen zusammen und schob ihren Stuhl ein Stück zurück. »Hör mal, Mann, das mit dem Yoga ist super hilfreich und so, aber ich bin verlobt.«
Er lachte wieder und seine Wangen brannten. »Nein, ich… Scheiße. Das ist kein Anmachspruch, versprochen. Ich bin schwul. Im Sinne von richtig, richtig schwul.«
Sie errötete leicht und sah nur wenig zerknirscht aus. »Oh.«
»Ich wollte deine Nummer tatsächlich nur für die Kurse. Ich gehe dieses Wochenende zu dem Yoga-Kurs. Am Samstag im Rose Garden Park. Um neun.« Als Beweis zog er sein Handy heraus und zeigte ihr Sams Nachricht auf dem Display.
Sie betrachtete ihn einen Moment lang, zuckte dann mit den Schultern und griff hinter sich nach der Tasche, die an ihrem Rollstuhl hing. Nachdem sie ihr Handy herausgezogen hatte, zögerte sie kurz, schaltete das Display ein und schaute ihn an. »Okay, gib mir deine Nummer und ich werde darüber nachdenken. Ich bin übrigens Kristen.«
Er grinste und rasselte seine Nummer herunter. »Ich bin Niko«, sagte er zu ihr, als er sah, dass sie Möglicherweise gruseliger Fitnessstudiotyp in ihre Kontakte eingab. »Aber das ist auch okay.«
Sie zuckte unbeeindruckt mit den Schultern und änderte den Eintrag nicht. »Du kannst dir deinen richtigen Namen in meinem Telefonbuch verdienen, indem du kein Riesenarschloch bist. Aber ich trainiere seit ein paar Wochen hier und habe nicht viel Hoffnung.«
Nikos Blick zuckte zu dem Mann hinter dem Tresen, der sie beobachtete, als wären sie der neuesten Seifenoper entsprungen, und Ärger stieg in ihm auf. »Willst du mit mir einen Smoothie trinken gehen? Äh, einen platonischen Smoothie. Ich habe nur… es war ein seltsamer Morgen, und wenn dein Tag bisher ähnlich war…« Er verstummte und wedelte mit der Hand in Richtung Rezeption.
Sie funkelte den Kerl noch einmal an und nickte dann. »Normalerweise würde ich dir sagen, dass du dich verpissen sollst, aber die Saftbar hat gerade eine frische Ladung Pfirsiche geliefert bekommen, und ihr Pfirsichkuchen-Smoothie ist zum Niederknien. Im wörtlichen Sinne. Also ja.«
»Gib mir fünf Minuten, um mich kurz frisch zu machen und meine Sachen zu holen. Theoretisch bin ich in meiner Mittagspause und ich glaube nicht, dass ich mich sonderlich beliebt machen würde, wenn ich so stinkend wieder auftauche.« Er ging los, blieb jedoch stehen, als er hörte, wie sie ihm etwas hinterherrief.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich da viele Leute beschweren«, meinte sie und grinste, als er sich mit hochgezogenen Brauen zu ihr umdrehte. Sie zuckte mit den Schultern und lehnte sich zurück. »Was denn? Idiot oder nicht, du weißt genau, dass dein Arsch der Knaller ist.«
Niko verdrehte die Augen, grinste aber und eilte dann los, um sich umzuziehen. Er fühlte sich ein wenig leichter, als wäre in ihm eine Glühbirne angegangen, die ihm signalisierte, dass er kein vollkommener Versager war. Dass er mit Fremden sprechen und tatsächlich Freunde finden konnte, ohne eine große Sache daraus zu machen. Er war ein funktionierender Mensch, und diese Tatsache musste er einfach nutzen.
Er machte sich schnell frisch und benutzte großzügig Deo, dann schnüffelte er kurz an sich, um sich zu vergewissern, dass er nicht stank, bevor er sich wieder auf den Weg zu Kristen machte. Sie war draußen und telefonierte, als er durch die Türen trat, beendete ihren Anruf aber sofort und gab ihren Rädern einen Stoß in Richtung des Smoothie-Ladens.
»Also meinst du das wirklich ernst? Mit deinem Freund?«, wollte sie wissen, als sie sich dem Eingang näherten. Es hatte sich eine beachtliche Schlange gebildet, aber es war Mittagszeit und, um ehrlich zu sein, war es ihm egal, dass er zu spät kam. Er griff nach der Tür und hielt sie auf, damit sie an ihm vorbeirollen konnte.
»Ja. Wir sind nicht wirklich Freunde. Ich habe ihn neulich durch einen Typen getroffen, mit dem ich ein Blind Date hatte, und wir haben uns gut verstanden, da hat er mir von den verschiedenen Kursen erzählt, die er leitet.«
Sie sah ihn mit hochgezogenen Brauen an. »Du hast dich an einen anderen Typen rangemacht, während du ein Date hattest?«
Niko lachte auf. »Es war eher so, dass ich mich bei dem eigentlichen Date wie ein kompletter Arsch verhalten habe und wir beschlossen haben, es noch einmal zu versuchen, aber es hat nicht gefunkt. Sein Freund hingegen…« Niko errötete. Er zuckte die Schultern und schob eine Hand in seine Hosentasche. »Er ist heiß.«
»Der Typ im Rollstuhl?«, hakte sie nach.
Er zuckte erneut mit den Schultern. »Ja. Warum? Ist das komisch?«
»Kommt darauf an«, antwortete sie ehrlich. »Verabredest du dich normalerweise immer mit gehandicapten Männern?«
Niko runzelte die Stirn. »Ich habe das Gefühl, dass ich mich um Kopf und Kragen reden werde, egal, wie meine Antwort lautet. Aber nein, ich bin noch nie mit einem körperlich beeinträchtigten Mann ausgegangen. Macht mich das zu einem Riesenarschloch?«
Sie grinste leicht und schüttelte den Kopf. »Ich habe eine Weile gebraucht, um wirklich zu glauben, dass mein Verlobter es ernst mit mir meint und nicht wegen eines seltsamen Behindertenfetischs mit mir zusammen sein will.«
Niko blinzelte sie an. »Das ist… so was gibt es?«
»Öfter, als du denkst«, erwiderte sie achselzuckend. »Wir hatten einen schwierigen Start, aber jetzt ist alles gut. Es ist weder gut oder schlecht, dass du noch nie mit jemandem wie ihm ausgegangen bist.«
»Ich bin eigentlich gar nicht viel ausgegangen«, sagte er aufrichtig. »Durch meinen letzten Job war ich aus, äh, bestimmten Gründen irgendwie nicht geoutet. Und dann bin ich hierhergezogen und war zu beschäftigt mit der Uni und später mit der Arbeit,