Unsere Zukunft auf deiner Haut. E.M. Lindsey

Unsere Zukunft auf deiner Haut - E.M. Lindsey


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streckte die Hand aus und gab Niko einen Schubs, sodass dieser wieder auf seinem Hintern landete. »Ernsthaft? Ein geiler Arsch reicht aus, damit du einem Team gegenüber loyal bist?«

      »Ich habe nie gesagt, dass ich loyal bin, ich habe nur gesagt, dass es ein Geheimnis ist«, antwortete Niko mit einem Grinsen. »Sein Arsch sollte eine Kirche haben, in der ich ihn jeden Tag anbeten kann. Andererseits haben die meisten Eishockeyspieler eine hübsche Kehrseite. Glaub mir. Du musst keinen Sport mögen, um einen ordentlichen Hockey-Hintern zu schätzen zu wissen.«

      Sam grinste breit. »Da ist was dran. Ich werde dir wohl glauben müssen.« Er zögerte und fragte dann: »Hast du mal gespielt?«

      Die Stimmung änderte sich fast augenblicklich, aber Niko wirkte nicht verärgert, nur nachdenklich, während er seinen Blick zum Himmel richtete. »Früher. Das ist schon sehr lange her.«

      Sam war sich sicher, dass mehr dahintersteckte, aber in Nikos Tonfall lag Schmerz und er sagte auch nicht noch mehr dazu, deshalb wechselte er das Thema. »Geht es dir gut, nach allem, was da drin passiert ist?«, erkundigte er sich stattdessen. Bevor Niko fragen konnte, was er meinte, lachte Sam leise auf. »Der Schreck mit James' Bein.«

      Niko wandte den Blick ab, als wollte er sich nicht an das Bild von Blut und blankem Fleisch erinnern, als er gedacht hatte, Mat hätte etwas in James' echtes Bein geschnitzt. »Äh, richtig. Es ist…«, er zögerte, »… diese Sache. Blut macht mir echt schwer zu schaffen. Und ich wusste nicht, dass seine Beine amputiert sind.«

      »Also lag es nicht daran, dass er Prothesen hat?«, wollte Sam in herausforderndem Tonfall wissen. Er wusste, was zwischen Derek und Niko vorgefallen war, und obwohl er bereit war, dem Typen einen gewissen Vertrauensvorschuss zu geben, konnte er ihn noch nicht richtig einschätzen.

      Niko wich Sams Blick nicht aus. »Nein. Es lag nicht an den Prothesen. Als ich im Grundstudium war, hat einer der Jungs in der zweiten Reihe während eines Chemie-Vortrags Nasenbluten bekommen. Nicht einmal sprudelnd, es hat nur ein bisschen getröpfelt. Ich hab rübergeschaut und als Nächstes lag ich auf dem Boden und ein Haufen Leute stand um mich herum und hat versucht, mich erbärmlichen Deppen aufzuwecken. Ich war schon immer so. In meiner Jugend hatte ich ein paar«, er räusperte sich, »wenig schmeichelhafte Spitznamen, denn wenn ich nur an Blut denke, wird es unschön.«

      Sam betrachtete ihn noch einen Moment, dann lächelte er. »Alles klar. Aber ich meinte es ernst, was ich gesagt habe. Geht's dir gut? Du hast ausgesehen, als wärst du kurz davor, Derek auf die Schuhe zu kotzen. Und egal, wie dumm du das auch findest, wir alle hier nehmen so etwas ernst.«

      Niko rieb sich mit einer Hand übers Gesicht, lächelte aber immer noch. »Als ich gemerkt habe, dass es keine echte Haut ist, ging es mir wieder gut. Ich musste nur mein Gehirn davon überzeugen, dass er nicht das ganze Sofa vollblutet.« Er lächelte Sam sehr sanft an und zuckte mit den Schultern. »Trotzdem danke. Es ist irgendwie schön, dass sich jemand um mich sorgt, statt mich übel zu verspotten.«

      »Na ja«, meinte Sam mit einem angedeuteten Grinsen, »ich kann dir nicht versprechen, dass du nicht verspottet wirst. Es wird einfach nur netter gemeint sein als bei manch anderen Leuten.« Als Niko schmunzelte, wandte Sam den Blick wieder den Sternen zu und stieß einen Atemzug aus. »Danke. Ich habe das hier wirklich gebraucht. Ich sollte, ah… du solltest wieder zu Derek zurück. Ich wollte euer Date nicht sprengen.«

      »Also, es war nicht wirklich ein Date«, sagte Niko und rieb sich wieder den Nacken. »Ich habe neulich einen ziemlich großen Fehler gemacht und wir haben beschlossen, es noch einmal zu versuchen, aber ich glaube nicht, dass da irgendetwas draus wird. Ich mag ihn sehr, aber es funkt nicht. Verstehst du, was ich meine?«

      »Ja«, erwiderte Sam leise, denn er verstand es. Und das Beängstigende daran war, dass er nun etwas Warmes zwischen ihnen spürte, obwohl sie sich nur anschauten. »Du musst aber nicht aufgeben. Derek ist ein toller Kerl.«

      »Ja, das ist er. Er hat mir einen verbalen Nackenschlag verpasst und den hatte ich auch verdient.« Niko fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. »Ich glaube, dass er mich hierher mitgenommen hat, war ein Test.«

      Sam hob die Augenbrauen. »Ach ja?«

      »Er hat über die Tochter von eurem Boss gesprochen und darüber, dass sie taub ist und er Gebärdensprache lernt. Ich habe ein paar beschissene Kommentare darüber gemacht, dass es doch einfacher wäre, wenn sie sprechen lernen würde. Und das Schlimmste war, mir ist erst ein Licht aufgegangen, als er aufgestanden und einfach gegangen ist. Ich habe ein wenig gegoogelt, als ich wieder zu Hause war, da habe ich gemerkt, wie beschissen meine Einstellung war.« Niko zuckte mit den Schultern und sah aufrichtig zerknirscht aus, obwohl Sam ihm nicht ganz vertraute. Denn er hatte viele Typen getroffen, die nur mit ihm zusammen sein wollten, um sich etwas zu beweisen ‒ dass sie überhaupt kein Problem mit Behinderungen hatten, obwohl es in Wahrheit nichts anderes war als eine krankhafte Faszination.

      »Ich verstehe, warum er gegangen ist«, erwiderte Sam. Aber er verstand ebenfalls, warum Derek ihm noch eine Chance gegeben hatte. »Die Leute kapieren es eben nicht. Wenn sie nicht mit einer Behinderung leben, müssen sie auch nicht jeden Tag darüber nachdenken.«

      Niko nickte und musterte dann unverhohlen Sams Rollstuhl, anstatt zu versuchen, ihn komplett zu ignorieren. »Wann, äh… wann ist es bei dir passiert?«

      Sam lächelte leicht. »Ich war fünfzehn. Ich war ein Trottel und bin mit Freunden durch die Gegend gefahren, mit denen ich mich nicht hätte treffen sollen. Wir hatten einen Unfall, dabei wurde meine untere Wirbelsäule schwer verletzt.«

      »Scheiße«, sagte Niko und runzelte die Stirn. »So jung?«

      »Ich denke, so hatte ich die Möglichkeit, mich ausgiebig an dieses Leben zu gewöhnen, denn ich lebe schon länger so, als dass ich laufen konnte«, erzählte Sam. »Im Moment habe ich mit einem Sorgerechtsstreit zu tun und ich hatte gehofft, es zu meinem Vorteil nutzen zu können, aber die Schlipsträger versuchen, es gegen mich einzusetzen.«

      Niko richtete sich ein wenig auf. »Du hast ein Kind?«

      Sam konnte ein strahlendes Lächeln nicht unterdrücken. »Kein leibliches, aber ja. Es ist eine lange, komplizierte Geschichte, über die ich im Moment nicht sprechen möchte, aber sie ist… Mann, sie ist einfach toll. Sie ist bei mir, seit sie ein Baby war. Sie ist jetzt drei und so verdammt schlau und wundervoll und ich… Es war eine harte Woche und es sieht so aus, als würden die nächsten Monate nur noch schlimmer werden.«

      Niko blickte finster drein. »Ich habe nicht wirklich Ahnung von Kindern. Meine Schwester hat zwei. Sie lebt mit ihnen in Jersey und dort gehe ich nicht mehr hin, deshalb sehe ich sie kaum, aber sie sind wirklich toll. Und, ähm, hör mal, wenn du Lust hast, dich mit mir zu treffen, weil du eine Auszeit brauchst, dann melde dich einfach. Wir können Kaffee trinken und die Kleine mitnehmen, um Enten zu füttern. Ich weiß, dass es im Fitnessstudio ein paar Yogakurse gibt, in die ich dich wahrscheinlich reinbringen könnte, wenn du willst.«

      Sam blinzelte und lachte dann auf. »Ich gebe ab und zu behindertengerechte Fitnesskurse. Hauptsächlich Core-Training und Rollstuhlyoga. In Denver gibt es ein Reha-Zentrum, in dem ich trainiere, wenn ich Zeit habe. Nächstes Wochenende wollen wir versuchen, Ziegenyoga im Park zu organisieren.«

      Da horchte Niko auf. »Ziegenyoga?«

      »Yoga mit Babyziegen. Die Ziegen machen nicht wirklich Yoga, sie klettern einfach auf einem herum, aber die Leute finden es anscheinend toll. Es ist seltsam entspannend«, sagte Sam mit einem leisen Kichern. »Willst du es dir ansehen?«

      Niko wirkte unsicher, aber seine Lippen verzogen sich zu einem richtigen Lächeln, das etwas mit Sams Innerem anstellte, womit er in dem Moment nicht umgehen konnte. »Ist es okay für Leute wie mich, da mitzumachen?«

      Sam runzelte die Stirn, bemerkte dann, was Niko wissen wollte, und lachte. »Mit Behinderung oder ohne, das ist den Babyziegen egal.«

      Er konnte gerade so einen Hauch von Röte auf Nikos Wangen erkennen, als dieser den Kopf senkte und nickte. »Ich denke, das könnte Spaß machen. Schreibst du mir wegen der Details?«

      Sam zögerte


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