Unsere Zukunft auf deiner Haut. E.M. Lindsey
mit Derek hatte ihm gefallen. Es hatte zwischen ihnen nicht gefunkt, aber es hatte ihm zu schaffen gemacht, dass er etwas ruiniert haben könnte, das gut hätte sein können. »Würde ich schon gerne. Ich meine, wenn er interessiert wäre, aber, Mann, es steht mir echt nicht zu, ihn darum zu bitten. Was ich gesagt habe, war absolut nicht cool, und ich habe es nicht einmal so gemeint. Nach der Aktion schuldet er mir gar nichts.«
Sage lachte. »Gib die Hoffnung noch nicht auf. Lass ihm ein oder zwei Tage Zeit.« Er zögerte eine Sekunde und zuckte dann mit den Schultern. »Wir könnten das hier wiederholen, wenn du willst. Zusammen ein Bier trinken. Es ist, äh… es ist irgendwie nett, zur Abwechslung mal nicht mit den Leuten im Laden abzuhängen.« Er rieb sich den Nacken und stieß einen leisen Seufzer aus, eher ein halbes Lachen. »Es fühlt sich seltsamerweise gut an, jemanden zu haben, der mit all dem nichts zu tun hat.«
»Das verstehe ich«, sagte Niko, und das tat er wirklich. Denn jahrelang hatte es für ihn ebenfalls nur Mitspieler und deren Freundinnen, die Trainer und die PR-Leute gegeben, aber niemanden außerhalb der Eishockeywelt. Danach hatte er so viele Jahre damit verbracht, andere Leute auszuschließen, dass er nicht mehr wusste, wie er diese Angewohnheit ablegen sollte. »Manchmal braucht es einen Fremden, um einem klarzumachen, dass die Dinge gar nicht so verkorkst sind, wie man denkt.«
Sage blinzelte und lachte auf. »Ja, so in der Art. Ich meine, ich liebe meine Familie. Wirklich, aber sie kann ein wenig überwältigend sein. Du, äh…« Geistesabwesend strich er mit den Fingern über seine andere Hand, die aussah, als hätte er dort ein frisches Tattoo. »Hast du Tattoos?«
Niko errötete und berührte unbewusst mit dem rechten Fuß seinen linken Knöchel. »Eins. Aber es ist ziemlich alt und wirklich, wirklich beschissen.«
Sages Augenbrauen schossen hoch. »Ach ja?«
»Ich habe es machen lassen, als ich in ‒«, dann stockte er, denn er war noch nicht bereit, über Eishockey zu sprechen, »als ich jünger war. Siebzehn. Ich war mit einigen Leuten in Montreal und war leicht angetrunken. Ich hätte nicht unterwegs sein dürfen, aber einer der Jungs hatte es sich in den Kopf gesetzt, dass wir uns alle das gleiche Tattoo stechen lassen sollten. Also haben wir diesen kleinen Laden ausfindig gemacht, der so aussah, als hätte er noch nie bessere Tage gesehen, und den Mann hinter der Theke bestochen, uns welche zu machen. Da waren lauter, äh… diese Zeichnungen an der Wand?«
»Flash Sheets«, erklärte Sage. »Sie sind wie Schablonen. Wir benutzen sie kaum noch, aber früher waren sie eine große Sache.«
Nikos Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln. »Sie hatten da einen Löwen ‒ von einer Mannschaft aus der Gegend ‒ und wir haben ihn uns alle am Knöchel stechen lassen. Er sah von Anfang an scheiße aus. Ganz blass und undeutlich. Vor ein paar Jahren habe ich versucht, ihn weglasern zu lassen, aber es hat nicht richtig funktioniert.«
»Darf ich es sehen?«
Niko spürte, wie er in der Gegenwart des Mannes errötete, der nicht nur wunderschöne Arbeiten am ganzen Körper trug, sondern sie auch selbst erschuf. »Oh Mann, Alter, es ist wirklich hässlich. Es ist… das willst du dir nicht antun.«
Sage gluckste und schüttelte den Kopf, dann nahm er einen Schluck von seinem Bier. »Es ist meine Aufgabe, so etwas zu reparieren, weißt du? Glaub mir, meine Arme haben nicht immer so ausgesehen.« Er fuhr sich mit der rechten Hand über den linken Arm. »Viele schlechte Entscheidungen und stundenlange Cover-up-Sitzungen.« Als Niko immer noch zögerte, legte er beide Hände auf den Tisch und schaute ihn an. »Komm nächste Woche in den Laden. Ich bin meistens da, wenn wir öffnen. Ich kann es mir ansehen und wir können überlegen, welche Möglichkeiten es gibt. Ich meine, es sei denn, du willst es behalten.«
Niko biss sich auf die Unterlippe. »Will ich nicht. Es ist nur… ich denke, einem Teil von mir wäre es lieber, wenn es ganz weg wäre, statt es umzuarbeiten.«
Sage musterte ihn aufmerksam. »Warum?«
Niko stieß den Atem aus, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und legte beide Hände hinter den Kopf, während er sich streckte. Sein Blick zuckte zurück zum Fernseher und plötzlich verspürte er den Drang, sich jemandem zu offenbaren, der kaum mehr als ein Fremder war. Früher hatte er kein Problem damit gehabt, fremden Reportern gegenüber, die er noch nie getroffen hatte, alles auszuplaudern, obwohl er wusste, dass es auf allen Sportkanälen und Webseiten zu sehen sein würde. Nach seinem Unfall, nachdem sie sein Trikot an die Hallendecke gehängt hatten, fühlte es sich an, als würde sich seine Kehle zuschnüren, wenn er darüber sprach.
Abwesend kratzte er über die gezackten Narben an seinem Knie und schaute Sage schließlich wieder an. »Ich habe früher Eishockey gespielt.«
Sage hob die Augenbrauen. »Ja? Also als Kind?«
Niko musste ein Auflachen unterdrücken. »Ja, als Kind. Und als Teenager. Ich wurde von der Junior League in Quebec angeworben. Kurz danach wurde ich gedraftet.«
Sage, der gerade einen weiteren Schluck von seinem Bier genommen hatte, verschluckte sich und stellte sein Glas mit einem Ruck ab. »Moment mal. Gedraftet. Du meinst von der NHL gedraftet?«
Niko zuckte mit den Schultern. Er spürte, wie seine Wangen brannten, und rieb sich über die Seite seines Halses. »Ja, von Florida. Ich meine, ich bin sofort ins Farmteam gekommen ‒ ich musste mich hocharbeiten, weißt du? Aber, äh… es lief gut. Es lief wirklich gut. Ich habe ein paar Rekorde gebrochen und es sah so aus, als würde ich ganz groß rauskommen.«
»Nur, dass du jetzt Buchhalter bist und im tiefsten Colorado lebst, also schätze ich, dass du wohl doch nicht groß rausgekommen bist«, sagte Sage unverblümt.
Niko wusste zu schätzen, dass er nicht um den heißen Brei herumredete, denn das machte es ihm leichter, davon zu erzählen. »Ungefähr zwei Minuten nach Beginn meines ersten offiziellen NHL-Spiels wurde ich von den Füßen gerissen. Zwischen meinem Schienbeinschützer und meinem Knieschoner war eine Lücke ‒ die Schoner sind keine Garantie dafür, dass man sich nicht verletzt, aber die Ausrüstung war fehlerhaft ‒ ein Produktionsfehler. Eine Kufe hat praktisch alle Bänder in meinem Knie durchtrennt und es komplett zerstört. Damit war meine Karriere vorbei. Zwei Minuten, nachdem sie begonnen hat.« Er erzählte nicht, dass sein Agent seinen Anwalt angerufen und eine Klage eingereicht hatte, noch während er nach der Operation von Schmerzmitteln benebelt gewesen war, und die Summe erstritten hatte, die er verdient hätte, wenn er seine Karriere mit einem Standardvertrag für Rookies hätte fortsetzen können. Plus einen Bonus als Schmerzensgeld, aber Niko war sich bewusst, dass keine noch so große Anzahl von Nullen auf seinem Bankkonto es schaffte, das niederschmetternde Gefühl zu lindern, dass alles, wofür er gearbeitet hatte, nun vorbei war.
»Scheiße, Mann«, sagte Sage nach einem Moment. »Wie lange ist das her?«
Niko nahm einen großen Schluck von seinem Bier und leerte es damit. Er zuckte mit den Schultern und fuhr sich mit der Hand über den Mund. »Eine Weile. Ich wurde sechs Tage vor meinem achtzehnten Geburtstag gedraftet. Nach dem Unfall habe ich mich eine Weile im Selbstmitleid gesuhlt, aber ich glaube, meine Mutter war es irgendwann leid, mein Gesicht zu sehen, da hat mir ein Kumpel von der Universität hier erzählt. Er hatte ein Zimmer für mich frei, und letztendlich habe ich meinen Masterabschluss gemacht und mein Leben wieder auf die Reihe gekriegt.«
Sage starrte ihn lange an, dann lehnte er sich zurück und schüttelte den Kopf. »Ich muss dich wirklich besser kennenlernen.«
Da lachte Niko überrascht auf und schaute ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an. »Ernsthaft?«
»Du musst doch wissen, dass du wie ein hohler Muskelprotz wirkst, der sich für nichts interessiert, abgesehen von deinen beschissenen Proteinshakes und Zahlenspielereien. Und deinen schrecklichen Ansichten über Obst.«
Niko war baff und er bemühte sich, nicht zu grinsen, als Sage kicherte. »Es war schwer, sich davon zu erholen«, sagte er schließlich. »Es hat lange gedauert, bis ich darüber sprechen konnte, und ich fühle mich immer noch nicht wirklich wohl dabei, dass andere Leute Bescheid wissen. Es ist… ich hatte bestimmte Ziele. Mein Vater starb, bevor er miterleben konnte, wie ich sie erreicht habe,