Unsere Zukunft auf deiner Haut. E.M. Lindsey

Unsere Zukunft auf deiner Haut - E.M. Lindsey


Скачать книгу
und mit der Hand über die Arbeitsplatte aus Granit fuhr, auf der sich am Rand eine feine Staubschicht gebildet hatte. »Es wären nicht viele Renovierungsarbeiten nötig.«

      »Ich würde sie wahrscheinlich trotzdem durchführen«, sagte er und biss sich auf die Unterlippe, während er durch den Raum ging. »Ich möchte, dass es sich neu anfühlt. Anders, versteht ihr?«

      »Nicht wie ein Diner aus den Fünfzigern, in dem griechisches Essen serviert wird?«, riet Jane mit einem Schnauben.

      Niko grinste sie an. »So in der Art.« Er ging um die Theke herum zur Nachfüllstation. Der Laden war wie ein alter Sodashop aufgebaut, in dem die Bedienung Essen ins Fenster stellte, und Stammgäste an der Theke sitzen und direkt von dort aus bedient werden konnten. Er fand die Gestaltung nicht allzu schlimm, aber das, was er wollte, würde auf diese Art nicht funktionieren. Das alles musste raus.

      »Du wirst ein Vermögen investieren müssen«, warnte Holland ihn und legte ihm eine Hand auf den Rücken. »Ich weiß, du hast gesagt, das wäre dir egal, aber…«

      »Das war mein Ernst«, sagte Niko und seine Kiefermuskeln spannten sich ein wenig an. Die zweite Reaktion, wenn die Leute von seinem Vermögen erfuhren, war, dass sie übervorsichtig wurden. Wenn sie nicht versuchten, ihn über den Tisch zu ziehen, versuchten sie, ihn zu zügeln und daran zu hindern, sein Geld auszugeben, als wäre sein Leben ohne es ruiniert.

      Das hatte ihn früher wütend gemacht. Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte er jeden verdammten Cent auf seinem Konto gegeben, wenn ihn das wieder aufs Eis gebracht hätte, um beweisen zu können, dass er dort hingehörte. Jetzt war er sich da nicht mehr so sicher. Der Schmerz war nicht mehr so überwältigend. Er hatte die letzten Drafts ohne diesen Schmerz in der Magengrube im Fernsehen schauen können und er fragte sich, ob das bedeutete, dass er begann, es hinter sich zu lassen.

      »Ich denke ‒ wenn es dir gefällt«, meinte Jane, »solltest du ein Angebot abgeben. Es gibt eine Menge Leute in Denver, die versuchen werden, sich diesen Laden unter den Nagel zu reißen. Fairfield wird immer beliebter, und wenn du die Chance nicht ergreifst, wird er zu einem Quinoa- und Grünkohl-Smoothie-Schuppen, in dem jeder so tut, als würde er dieses Gesöff lieben, während er es hinunterwürgt, und davon brauchen wir nicht noch mehr.«

      Niko schnaubte und erwähnte bewusst nicht, dass er vorhin einen Proteinshake getrunken hatte ‒ das Einzige, was er heute zu sich genommen hatte. »Ja. Okay. Gebt ein Angebot ab und sagt mir dann Bescheid. Ich muss zurück ins Büro und dann gehe ich joggen. Wenn ich also nicht ans Telefon gehe, hinterlasst mir einfach eine Nachricht.«

      Er beugte sich vor, um Holland und Jane auf die Wangen zu küssen, dann eilte er hinaus auf den Gehweg. Der Rückweg zum Büro war kurz, das Wetter perfekt, und er winkte ein paar Leuten auf der Straße zu, die er entweder von der Arbeit oder privat kannte. Es war das angenehme Gefühl einer Kleinstadt, aber er war sich stets bewusst, dass er kein Teil der Gemeinschaft war wie die anderen Bewohner der Stadt, obwohl er schon so verdammt lange hier lebte. Niemand lud ihn zu den Feiertagen, zum Superbowl oder zum Taco-Dienstag ein. Es gab niemanden, den er um zwei Uhr morgens anrufen konnte, wenn er aus seinem immer wiederkehrenden Albtraum erwachte, dass eine Schlittschuhkufe sein Knie verfehlte und sich stattdessen direkt in seine Eingeweide grub, die sich auf dem Eis verteilten, während er einfach dort lag und die Welt um ihn herum schwarz wurde.

      Es war ein einsames Leben und vielleicht war das der Grund, warum er ernsthaft über Sages Angebot nachdachte, sich auf dieses Blind Date einzulassen.

      Kapitel 5

      »Willst du darüber reden?«

      Niko umklammerte das kalte Bierglas und beobachtete, wie es durch die Wärme seiner Finger ein wenig beschlug. Sages Vorschlag, zusammen ein Bier zu trinken, hatte ihn so überrascht, dass er nicht ablehnen konnte, selbst wenn sein Instinkt ihm riet, er solle die Flucht ergreifen. Stattdessen ließ er das Beintraining ausfallen und lief ein paar Blocks zu der kleinen Sportbar, die nie übermäßig voll war.

      Sie fanden einen kleinen Tisch in der Ecke, ein Stück entfernt von den dröhnenden Fernsehern, obwohl er nicht anders konnte, als den Blick zu den beiden Bildschirmen wandern zu lassen, auf denen gerade Eishockey lief. Frühling war die Zeit der Play-offs. Der Frühling bedeutete Stress, geradezu Panik, besonders für diejenigen, die sich in den Farmteams gut präsentiert hatten, denn das konnte bedeuten, dass man in die erste Mannschaft berufen wurde. Es konnte bedeuten, dass einer der Spieler mit großem Namen eins auf die Mütze bekam und das Team Ersatz benötigte. Vielleicht wäre Nikos Karriere nicht direkt den Bach runtergegangen, wenn ihm das passiert wäre.

      Nur, dass es nicht so gekommen war. Und sie war den Bach runtergegangen.

      »Worüber? Wie sehr ich das Date mit deinem Bruder versaut habe?« Er stieß ein ungnädiges Schnauben aus. »Eigentlich war es nicht der Rede wert.«

      Er war hier, weil er es Sage schuldete. Der Mann hatte das Date eingefädelt und, um ehrlich zu sein, hatte er nicht unrecht gehabt, dass Niko Derek wirklich mögen würde. Der Typ war ein bisschen nervös, aber er war lustig und hatte etwas an sich, das in Niko den Wunsch weckte, ihn besser kennenzulernen. Sein Blick wirkte gehetzt ‒ Niko kannte den Blick, hatte zuvor mit diesen Jungs gespielt ‒, aber er drängte nicht darauf, mehr zu erfahren. Er genoss einfach ihre gemeinsame Zeit und die nette Unterhaltung.

      Er hatte sogar angefangen zu glauben, dass dieses Date möglicherweise besser ausgehen könnte als seine letzten. Im Sinne von weniger Kleidung und mehr Schwanzberührungen. Doch dann hatte er seinen dummen Mund aufgemacht und einfach ausgesprochen, was ihm durch den Kopf gegangen war. Danach hatte er ganze zwei Stunden gebraucht, um zu erkennen, was er Falsches gesagt hatte.

      Und es war nicht so, als hätte er es wirklich so gemeint. Er hatte kein Problem mit gehörlosen Menschen und fand die Gebärdensprache faszinierend. Um ehrlich zu sein, hatte er einfach nicht darüber nachgedacht, was er sagte. Um ganz ehrlich zu sein, hatte er den Großteil seines Lebens damit verbracht, andere zufriedenzustellen ‒ seine Eltern, seine Trainer, sein Team, seine Kollegen ‒, und einfach angenommen, dass jeder das tat. Dass sich jeder anderen Leuten anpasste.

      Er vermutete, dass Derek das gehörlose Paar kannte, das sich im Eisladen in Gebärdensprache unterhalten hatte, und er wusste, dass dieser Fehltritt wahrscheinlich nicht wiedergutzumachen war. Verdammt, das gehörlose Paar war wahrscheinlich auch mit Sage befreundet ‒ mit allen im Laden ‒, was ihm eine weitere Tür vor der Nase zuschlagen würde.

      »Hey, es ist in Ordnung, wenn du…«, begann Sage.

      Niko unterbrach ihn mit einem Seufzen. »Da war ein gehörloser Kerl ‒ ein gehörloses Paar ‒ in der kleinen Eisdiele, in der Derek und ich uns unseren Nachtisch geholt haben. Ich habe einen wirklich unbedachten Kommentar über die Tochter eures Chefs gemacht, darüber, dass sie sprechen lernen sollte, weil hier sonst niemand taub ist.« Sages Mund klappte auf, wahrscheinlich um ihn zurechtzuweisen, und Niko schüttelte den Kopf. »Glaub mir, ich weiß, es war dumm, das zu sagen. Du musst es mir nicht erklären.«

      Sage rieb mit der Spitze seines Daumens über den Rand seines Glases und Niko bemerkte die Tintenflecke unter seinem Fingernagel. »Ja, ich kann mir gut vorstellen, dass Derek das nicht gut aufgenommen hat.«

      »Er ist einfach gegangen«, gab Niko zu. »Ich bin ihm nicht gefolgt. Mir war da noch nicht klar, wie genau, aber ich wusste, dass ich es vermasselt habe. Fünf Minuten auf Google haben gereicht, um es herauszufinden.«

      »Er wird dir noch eine Chance geben, wenn er das erfährt«, sagte Sage sanft.

      Niko schüttelte den Kopf. Er blickte wieder zum Fernseher, zu den weißen und blauen Trikots, die über den Bildschirm huschten. Der Spielstand interessiert ihn nicht und es ging ihm gut, aber manchmal vermisste er das Gefühl von Eis unter seinen Kufen so sehr, dass er es praktisch schmecken konnte. Er hatte seit dem Abend, an dem er sich verletzt und den Profisport für immer hinter sich gelassen hatte, nicht mehr auf dem Eis gestanden, und der Gedanke, es erneut zu tun, versetzte ihn in Panik.

      Er sah wieder zu Sage und spürte, wie seine Schultern hinuntersackten. »Es ist keine große Sache.«


Скачать книгу