Die mechanischen Katzen. Miriam Rieger
Überleben sichern.“
Arroganter Schnösel, war Benders erster Gedanke. „Meines Wissens beschäftigen Sie Sicherheitspersonal, darunter auch einen eigenen Detektiv. Warum vertrauen Sie nicht ihm die Aufgabe an?“
Hellthal beantwortete die Frage nicht gleich. Sein Blick glitt über die Katze, dann über Bender. Vermutlich überlegte er, wie viel er tatsächlich preisgeben durfte.
„Sehen Sie, Herr Bender“, sagte er schließlich. „Auch wenn ich Ihnen keine Details verraten werde, kann ich Ihnen dennoch sagen, dass ich für mein Privatanwesen wie für meinen Firmensitz ein umfangreiches Sicherheitssystem ausgeklügelt habe. Für den Diebstahl der Katzen wurde dieses auf raffinierte Art umgangen. Wer auch immer der Täter oder die Täterin ist, kennt sich genau aus.“
Nun wurde Bender einiges klarer. „Sie schließen nicht aus, dass jemand, den Sie damit beauftragten, für die Sicherheit in Ihrer Firma zu sorgen, dieses Wissen ausnutzte. Da Sie nicht wissen, wer es war, misstrauen Sie pauschal allen Angestellten und übergeben einem Externen den Auftrag.“
„Sie sind ein Mann, der das sagt, was er denkt.“
Wenn ich meine Gedanken zu dir und deinem Auftrag ungefiltert zum Besten gäbe, könnte ich froh sein, wenn ich nur des Anwesens verwiesen würde. „Haben Sie einen Verdacht? Wofür sind die Katzen gebaut worden und für wen sind sie von Interesse?“
„Sie sind zur Zierde gedacht.“
Im ersten Augenblick wusste Bender nicht, was er antworten sollte. Der Gedanke, dass Hellthal einen Detektiv anheuern und fürstlich bezahlen wollte, weil ihm zwei Dekorationsartikel abhanden gekommen waren, schien so abstrus, dass Bender in einer anderen Situation an einen schlecht inszenierten Scherz gedacht hätte.
„Man stellt die Katze auf ein Regal und lässt sie verstauben?“, hakte er zur Sicherheit nach.
„Nein, Herr Bender.“ Hellthal warf Bender einen verächtlichen Blick zu. „Es ist ein hochwertiges Produkt. Wir leben in einer Zeit, in der Menschen das Bedürfnis haben, die Welt kennen zu lernen, weiße Flecken auf Landkarten zu erschließen und Pionierleistungen zu erbringen!“
Manche Menschen haben das Bedürfnis, die Miete bezahlen und ihre Kinder ernähren zu können. Bender verzichtete jedoch darauf, den Gedanken auszusprechen, da mit dem Verständnis Hellthals nicht zu rechnen war und zynische Kommentare zu Benders Wohngegend niemandem etwas bringen würden.
„Die Uhren zeigen nicht nur an, wie spät es jetzt bei uns ist. Man erkennt gleichzeitig, wie spät es in Amerika, Indien oder Afrika ist. Für welche Länder oder Städte man sich entscheidet, bleibt jedem Katzenbesitzer selbst überlassen. Es erinnert an ferne Kontinente und ist das Richtige für den Mann von Welt!“
„Welch Glück, eine Uhr sein Eigen nennen zu dürfen, die einem die tägliche Mühe des Stundenzählens abnimmt, was die wohl größte Sorge eines jeden Menschen sein dürfte!“
Hellthal verzog das Gesicht zu etwas, das wohl ein Lächeln werden sollte. „Sie mögen es verstehen oder nicht – nehmen Sie den Auftrag an? Wie ich bereits sagte, ist er für Sie lukrativ.“
Wie nebenbei nannte Hellthal eine Summe, die Bender für einen Augenblick die Sprache verschlug, war sie doch um ein Mehrfaches höher als sein übliches Honorar. Aber auch wenn der in Aussicht gestellte Lohn reizvoll war, kein weiterer Auftrag in Sicht war und Bender das Geld gut gebrauchen konnte, um für Miete und Lebensunterhalt aufzukommen, stand der finanzielle Anreiz nur an zweiter Stelle. An die erste hatte sich von Beginn an seine Neugierde platziert. Hellthal spielte nicht mit offenen Karten, und Bender spürte ihn – den Drang, die Wahrheit herausfinden zu wollen.
„Ja, ich nehme ihn an. Haben Sie einen Verdacht, wer die Katzen gestohlen haben könnte? Ich rechne nicht damit, dass es einem Tagelöhner oder Taschendieb gelungen wäre, bei Ihnen einzubrechen oder Ihren Detektiv zu bestechen. Es muss jemand sein, der sowohl über die Katzen als auch Ihre Sicherheitsvorkehrungen informiert ist.“
„Sehr wohl. Ein Mann zeigte bereits Interesse an der Katze. Dennoch war er nicht bereit, für diese zu bezahlen. Zu teuer, erklärte er großspurig. Ihm traue ich einen Diebstahl zu. Es handelt sich um Frederick Martin.“
Frederick Martin, ein ebenfalls einflussreicher Mann, bekannt für seine Brauerei und zahlreichen Wirtshäuser? Es gab so gut wie niemanden, der nicht sein Bier trank, und selbst Kinder kamen kaum an ihm vorbei, da er wie nebenbei auch diverse Säfte auf den Markt brachte. Selbst wenn er die Katze gestohlen hatte: Wie sollte es Bender gelingen, sie ausfindig zu machen?
„Ich beauftragte doch nicht etwa den falschen Mann?“, fragte Hellthal wie beiläufig.
„Nein, Sie haben den richtigen“, erwiderte Bender. Finden würde er die Katzen. Über den Weg dorthin musste er sich allerdings noch Gedanken machen.
3. Kapitel
„Ich hoffe, Sie bringen mich nicht in Teufels Küche!“, brummelte Cornelius Hartmann. Kaum waren die Worte gesagt, lief er rötlich an. „Das ... war nur so dahingeredet“, stammelte er, als befürchtete er, dem Teufel vorstellig zu werden, der nur darauf wartete, ihn mit Pfeffer zu würzen und in die Pfanne zu legen.
„Beruhigen Sie sich, Hartmann“, entgegnete Bender. „Ich bin ein gefallener Engel, aber nicht der Leibhaftige persönlich. Ich habe nicht vor, Sie in Bedrängnis zu bringen.“ Schmunzelnd beobachtete er den Kommissar. Vor einigen Jahren hatte Bender den damals fünfundzwanzigjährigen Hartmann als einen braven Polizisten kennengelernt, der während der Ausbildung seine Paragraphen gepaukt und heruntergebetet hatte, aber bei der Konfrontation mit der Realität den Kürzeren gezogen hatte. Umso erfreulicher war es, dass Hartmann im Laufe der Zeit ein kriminalistisches Gespür entwickelt hatte. Zudem war er als einziger Polizist bereit, Bender zu helfen und mit Informationen zu versorgen. Im Gegenzug dazu hatte Bender seinerseits Hartmann bei Fällen unter die Arme greifen können, bei der die Polizei ratlos gewesen war.
„Verstehe ich das richtig?“, fasste Hartmann zusammen, nachdem Bender ihm alles erzählt hatte. Fast hätte Bender schmunzeln müssen. So ungläubig und ratlos hatte der Kommissar ihn das letzte Mal angesehen, als er erfahren hatte, dass Bender ein Engel und kein gewöhnlicher Mensch war.
„Frederick Martin verfügt angeblich nicht über das nötige Kleingeld, um eine mechanische Katze aus der Fabrik Hellthals zu kaufen, leistet sich aber die Dienste eines Langfingers, der in die Fabrik einbricht und das Ding stiehlt?“
„Den Preis für eine Katze nannte Hellthal mir nicht, doch denke ich nicht, dass man sich an der Kasse mit Kleingeld zufrieden gibt. Dennoch wird Martin das Geld haben, allerdings, glaubt man den Worten Hellthals, nicht den Willen, es für die Katze auszugeben. Entweder sind die Dienste besagten Langfingers preiswerter oder derjenige schuldet Martin einen Gefallen. Jedenfalls war Hellthal bei der Polizei, und laut seiner Aussage fanden bereits Ermittlungen statt. Auch wenn diese nicht von Erfolg gekrönt waren, liegen sicher erste Ergebnisse vor. Ich bin für jede Information dankbar.“
Hartmann druckste ein wenig herum, nahm seine Taschenuhr in die Hand, ohne die Uhrzeit zu lesen, und legte sie wieder zurück.
„Ich besorge Ihnen die Informationen. Im Gegenzug halten Sie meinen Namen aus der Sache. Ich möchte weder mit Hellthal noch mit Martin Ärger.“
Erleichterung durchrieselte Bender. „Wann zog ich Sie jemals in etwas hinein? Sie können sich auf mich verlassen.“
Zwei Tage später saß Bender an seinem Tisch und brütete über seinen Unterlagen. Was er in Erfahrung gebracht hatte, war zu wenig und zu allgemein, als dass es ihm geholfen hätte. Auch von Hartmann gab es noch keine Neuigkeiten.
Frederick Martin hatte eine Brauerei, die in der Region das Monopol hatte. Seinen Erfolg bekamen dabei auch andere zu spüren. Vage erinnerte sich Bender an eine Brauerei, die vor einigen Jahren die Pforten und Sudpfannen hatte schließen müssen. Das Gebäude mit seinem angeschlossenen Biergarten war verwildert und der Natur