Die mechanischen Katzen. Miriam Rieger

Die mechanischen Katzen - Miriam Rieger


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die Gelegenheit, die Bender so dringend suchte, um in das Anwesen zu gelangen. Er musste Hellthal fragen.

      „Selbstverständlich weiß ich, worauf Sie anspielen.“ Die Verachtung Hellthals kroch ekligen Würmern gleich aus dem Tischtelefon und versuchte, sich in Benders Selbstwertgefühl einzunisten, um dieses von innen heraus aufzufressen. Erfolglos.

       „Frederick Martin liebt Bier, Geld und Frauen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Seine Feiern sind geradezu legendär und finden zwei Mal im Jahr statt.“

      „Steht der Termin für die nächste Feier bereits fest?“ Bender ertappte sich bei der stillen Bitte, die Antwort möge nicht die letzte fand gestern statt und ein neuer Termin ist noch unbekannt heißen.

      „In zehn Tagen.“

      Bender frohlockte. „Werden Sie anwesend sein?“

      „Selbstverständlich, was denken Sie denn?“

      „Dass ich ebenfalls zugegen sein werde.“ Zwar vermutete Bender, dass es einer persönlichen Einladung des Gastgebers bedurfte, hoffte jedoch, über Hellthal an eine solche heranzukommen. Ein Schnaufen am anderen Ende des Tischtelefons machte ihm deutlich, dass er mit seiner ersten Vermutung richtig lag, Hellthal jedoch hinsichtlich der zweiten eine andere Schlussfolgerung zog.

      „Bender, wie stellen Sie sich das vor? Die Einladung zu einem solchen Fest entspricht einem gesellschaftlichen Statussymbol. Die Wahrscheinlichkeit für Sie, an eine der begehrten Karten zu gelangen, liegt bei sagenhaften null Prozent.“

      „Zweifelsohne sind Sie einflussreich genug, um eine an mich adressierte Einladung zu erwirken. Während Sie mit den anderen Gästen über Politik, Macht und das Geldscheffeln parlieren, halte ich Ausschau nach der Katze und werde diese an mich nehmen.“

      „Eine brillante Idee“, höhnte Hellthal. „Ich führe einen unbekannten Mann in die Gesellschaft ein, der sich prompt am Gastgeber bereichert. Vergaß ich etwa zu erwähnen, dass Ihr Vorgehen keinerlei Rückschlüsse auf meine Person erlauben darf?“

      „Sie sind derjenige, der von mir verlangt, in ein Haus einzubrechen, das Ähnlichkeiten mit einem überdimensionalen Tresor hat. Das Risiko, das ich eingehe, ist deutlich größer als Ihres. Das Fest ist die einzige Möglichkeit, sich im Haus weitestgehend ungestört umzusehen. Es ist Ihre Entscheidung!“

      Wieder ertönte ein theatralisches Seufzen. „Na gut, Bender, ich werde sehen, was sich tun lässt. Wie ich bereits sagte, bedeutet die Teilnahme, dass Sie einen gewissen gesellschaftlichen Status erreichten. Es zeigt, dass Sie entweder eine einflussreiche Person oder eine gut bezahlte Prostituierte sind. Als was wollen Sie sich ausgeben?“

      Idiot! Lediglich der Gedanke, dass eine ausbleibende Reaktion auf seine plumpe Provokation Hellthal mehr als jeder Zornesausbruch ärgern würde, hinderte Bender daran, seiner aufwallenden Empörung freien Lauf zu lassen.

      „Ich brauche Pläne“, entgegnete er stattdessen. „Genauer gesagt den Grundriss von Martins Anwesen. Es ist kaum anzunehmen, dass der Bierbrauer auf einem Fest, bei dem Sie zugegen sind, aus Ihrem Besitz entwendete Gegenstände so zur Schau stellt, dass jeder Gast, und damit auch Sie, sie zu Gesicht bekommen könnte. Daher muss ich auch wissen, welche Räume abgeschlossen und für die Gäste nicht zugänglich sind.“

      „Bei Ihnen sind wohl ein paar Zahnräder verbogen! Wie soll ich an diese gelangen?“

      „Bestechen Sie die Haushälterin oder schleichen Sie selbst mit einem Blatt Papier in der Hand durch das Haus, es ist mir gleichgültig.“

      Es kam keine Antwort, doch als Bender begann, sich zu fragen, ob Hellthal noch in der Leitung war, brach dieser das Schweigen. „Haben Sie einen Plan, der über das Flanieren im Haus, das Probieren der Häppchen, das Rütteln an verschlossenen Türen und das Prinzip Hoffnung, Ihnen möge die Katze entgegenfliegen, hinausgeht?“

      „Sicher“, entgegnete Bender. „Wer so viele Häppchen probiert, wird früher oder später von Durst gepeinigt. Demzufolge ergänze ich Ihre respektable Aufzählung meines Programms durch den Genuss des Bieres.“ Dass Bender keines trank, brauchte Hellthal schließlich nicht zu wissen.

      „Bender, mittlerweile weiß ich nicht mehr, warum ich ausgerechnet Sie engagiert habe.“

      „Obwohl ich kein schmeichelleckender Schmarotzer bin? Vielleicht deswegen?

      Nun zu meinem Plan.“

      Während er erzählte, wurde es am anderen Ende des Tischtelefones still. Nur hier und da hörte Bender ein scharfes Luftholen.

      6. Kapitel

      Einige Tage später fand Bender beim Betreten seiner Wohnung ein Kuvert auf dem Boden, das jemand unter der Tür durchgeschoben haben musste. Sein Name stand darauf. Nichts weiter. Keine Briefmarke, kein Absender, nicht einmal die Adresse. Und doch – oder gerade deswegen – wusste Bender, von wem der Brief stammte. Er musste kurz an das letzte Gespräch mit Hellthal denken, das er mit dem Wissen beendet hatte, sich bei seinem Auftraggeber sehr unbeliebt gemacht zu haben.

      Und doch lag nun dieser Brief da, und als Bender ihn öffnete, fiel ihm ein Blatt entgegen, auf dem der Grundriss eines Hauses eingetragen war. Mit klopfendem Herzen betrachtete Bender die Zeichnung. Wie auch immer es Hellthal gelungen war, an diese heranzukommen – sie war Gold wert. Zumindest wenn sie der Wahrheit entsprach und nicht einfach der Fantasie Hellthals entsprang.

      Zehn Tage später stand Bender vor Frederick Martins Anwesen. Hellthal hatte seine Strippen gezogen und es geschafft, nicht nur eine Einladung für sich, sondern auch für eine Begleitperson zu erhalten. Bender hatte für seine Maskerade nicht nur viel Zeit vor dem Spiegel verbracht, sondern auch Hellthal überzeugen können, dass seine Hilfe ihrem gemeinsamen Plan und somit dem Auftraggeber selbst zugute kam. Er trug zu diesem feierlichen Anlass, bei dem er sich bereits vor dem Eintreten wie ein Fremdkörper vorkam, einen weinroten Frack, darunter ein weißes Hemd aus Seide und eine schwarze Hose. Auf seinem Kopf thronte ein Zylinder, darunter blitzten seine für diesen Anlass schwarz gefärbten Locken hervor. Um sich diese Verkleidung leisten zu können, hätte er ein Jahr lang arbeiten müssen, wenn Hellthal ihm nicht etwas geborgt hätte.

      Am Tor zeigte Bender seine Einladung und wurde mit einem Lächeln durchgelassen, das die Augen des Portiers nicht erreichte.

      Gemeinsam mit Hellthal schritt er die von Bäumen gesäumte Allee zum Anwesen entlang, vor dem bereits der Gastgeber wartete. Frederick Martin war ein groß gebauter Mann, dessen Pranken sicher ohne Probleme ein Bierfass heben konnten. Sein fester Händedruck quetschte Benders Finger unangenehm zusammen, und das Zucken in Hellthals Gesicht verriet, dass es diesem nicht anders erging.

      „Hellthal, alter Freund“, ertönte ein tiefer Bass, gefolgt von einem Schulterklopfen, bei dem Hellthal sichtlich Mühe hatte, seine Schulter gerade zu halten. Doch auch hier schien die Freundlichkeit an der Oberfläche zu bleiben, Martins Blick war stechend und misstrauisch. Das änderte sich auch nicht, als der Bierbrauer sich wieder an Bender wandte.

      „Und Sie sind ...?“

      „Monsieur Thierry Dupont, ich bin Capitaine de police. Es ist mir eine Ehre und Freude, heute Ihr Gast sein zu dürfen“, stellte sich Bender vor, dankbar dafür, dass er vor etlichen Jahren Französisch gelernt hatte.

      „Er ist französischer Polizist“, ergänzte Hellthal. „Aus dem fernen Paris.“

      „Ein Franzose in meinem bescheidenen Zuhause“, tönte Martin. „Ich hoffe, meine Braukünste werden Ihrem von Wein und Baguette verwöhnten Gaumen gerecht!“

      Die ebenso unehrliche wie übertrieben gespielte Bescheidenheit nervte Bender so sehr, dass er sich zu einem Lächeln zwingen musste.

      „Bien sûr“, zwitscherte er, „Je suis certain que votre jus de chausette va me faire vomir! Ich bin überzeugt, dass Euer Bier köstlich mundet.“

      „Zu freundlich. Ich wünsche den Herren einen


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