Tod im Sommerhaus - Schweden-Krimi. Åke Smedberg

Tod im Sommerhaus - Schweden-Krimi - Åke Smedberg


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trat an sie heran, packte sie am Arm, schleifte sie mit sich fort und ignorierte ihre Proteste.

      Sie versuchte, sich auf der Couch aufzusetzen. Ihre Zunge klebte am Gaumen, als hätte sie seit Tagen nichts mehr getrunken. Sie hatte so starke Kopfschmerzen, dass sie sich fast übergeben musste. Sie wusste nicht, wo sie war. Erst langsam begann es ihr zu dämmern. Sie drehte vorsichtig ihren Kopf zur Seite und entdeckte Mama, die in dem gegenüberliegenden Sessel hing.

      »Gut geschlafen?«

      Li verzog das Gesicht.

      »Was hast du mir für einen Scheißdreck gegeben? Dasselbe wie letztes Mal? Eine ganze Apotheke oder was? So fühle ich mich jedenfalls.«

      »Du hast etwas zur Beruhigung gebraucht.«

      Li schnaubte.

      »Ruhig wird man davon wirklich. Es fühlt sich an, als hätte mich jemand mit dem Kopf an die Wand genagelt!«

      Mama zuckte mit den Achseln.

      »Das geht vorbei.«

      Li sah sie an.

      »Wie lange habe ich geschlafen?«, fragte sie.

      »Seit zehn, halb elf ...«

      Li warf einen Blick auf die Uhr und holte tief Luft.

      »Verdammt! Jetzt ist fast schon Nachmittag! Ich muss los ...«

      »Du gehst nirgendwohin«, fiel ihr die andere ins Wort, »und jetzt hörst du mir mal ganz genau zu.«

      Li rieb sich das Gesicht und erhob sich schwankend.

      »Ich muss rauskriegen, was los ist! Mit Bosse. Begreifst du das nicht?«

      Mama zündete sich eine Zigarette an und blickte aus dem Fenster.

      »Ich habe rumtelefoniert, während du geschlafen hast, und einige Erkundigungen eingezogen.«

      Sie inhalierte tief und begann zu husten.

      »Dass man mit diesem Laster nicht aufhören kann«, meinte sie seufzend. »Merkwürdig, nicht wahr? Obwohl man sich die Lunge aus dem Hals hustet.«

      »Was jetzt?«, fauchte Li. »Wen hast du gefragt? Und was?«

      »Die da habe ich auch gekauft.«

      Sie deutete auf ein Aftonbladet, das auf dem Couchtisch lag. Li starrte Mama an, dann riss sie die Zeitung an sich und überflog die Titelseite. Sie holte tief Luft.

      »Warum zeigst du mir das hier? Was hat das mit Bosse zu tun?«

      Sie wartete.

      »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass er was damit zu tun hat? Das ist doch vollkommen gestört! Wie kannst du nur behaupten ...«

      »Deswegen haben sie ihn jedenfalls abgeholt«, unterbrach die Ältere sie. »Die Person, mit der ich mich unterhalten habe, konnte mir diese Auskunft erteilen.«

      »Wer war das?«, kreischte Li. »Wen kennst du, der so was weiß ...«

      »Das brauche ich dir nicht zu sagen«, erwiderte die andere knapp.

      Sie deutete auf die Zeitung.

      »So ist das nun mal«, fuhr sie fort. »Deswegen haben sie ihn eingebuchtet.«

      Li starrte auf den Artikel und las weiter. Nach einer Weile begann sie, am ganzen Körper zu zittern, ließ die Zeitung sinken, krümmte sich zusammen und wiegte den Oberkörper hin und her.

      »Vielleicht wollen sie ihm ja nur ein paar Fragen stellen«, meinte die Ältere beschwichtigend. »Vielleicht ist alles auch nur ein verdammter Irrtum.«

      Li sah auf.

      »Dann müsste er schon zurück sein, und zwar seit langem. Glaubst du etwa, dass ich das nicht begreife?«

      Sie holte tief Luft und las erneut den Text auf der ersten Seite.

      »Hier steht, dass es irgendwann am Freitag passiert sein soll.«

      »Da war ich mit ihm zusammen.«

      Mama schob das Kinn vor.

      »Ach? Wirklich?«

      Li begegnete ihrem Blick ohne zu blinzeln.

      »Die ganze Zeit. Jede beschissene Minute. Das weißt du doch?«

      Mama kniff die Augen zusammen.

      »Nein, das weiß ich nicht.«

      Dann zuckte sie mit den Schultern, wandte sich zum Fenster und tat erneut einen Lungenzug.

      »Tja, das ist dein Leben. Mach, was du willst, aber zieh mich da nicht mit rein.«

      Magnusson wandte sich dem Jüngeren zu.

      »Was meinst du?«

      Peter Larsson saß zurückgelehnt und mit geschlossenen Augen auf seinem Stuhl. Nach einer Weile öffnete er die Augen, reckte sich seufzend und sah Magnusson an.

      »Du bist an Feinheiten interessiert?«

      Diese Rolle war ihm bei ihrer Zusammenarbeit zugefallen: Er war derjenige, der Nuancen und Misstönen nachspürte. Er stellte nur selten Fragen, das war Magnussons Zuständigkeit. Stattdessen beobachtete er und lauschte. Nahm Dinge wahr, die nicht stimmten oder zu gut stimmten.

      »Er war anders als erwartet«, meinte er zögernd.

      »Wie meinst du das?«, fragte Magnusson.

      »Dir ist das doch sicher auch aufgefallen? Er besaß eine gewisse Ausstrahlung, nicht wahr? Selbstbewusst, aber nicht draufgängerisch. Natürliche Autorität könnte man das vielleicht nennen. Und ... tja, das Aussehen ... die Art ... nicht direkt, was man in diesem Milieu erwartet, meinst du nicht auch?«

      Magnusson machte eine ungeduldige Handbewegung.

      »Jaja. Sonst nichts? Nichts Konkreteres?«

      Larsson lehnte sich wieder zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.

      »Er wirkte nicht sonderlich aufgebracht, als wir bei ihm geklingelt und uns vorgestellt haben. Eher verdutzt, aber weder nervös noch beunruhigt. Ohne längere Diskussionen hat er eingewilligt, uns zu begleiten. Als er erfuhr, weshalb wir ihn vernehmen wollten, hat er ziemlich mitgenommen gewirkt, nicht wahr? Seine Miene war einen Moment lang ausdruckslos. Und blass war er. Als hätte ihn das Gehörte schockiert. Ist dir aufgefallen, wie er deine Fragen beantwortet hat? Er hat nicht versucht, sich rauszuwinden. Es schien ihm gleichgültig, was für einen Eindruck er auf uns machte. Anfangs dachte ich, er ist vielleicht einfach etwas dumm, zurückgeblieben. Aber das scheint nicht so zu sein.«

      Er verstummte. Magnusson betrachtete ihn mit gerunzelter Stirn.

      »Lügt er, oder sagt er die Wahrheit? Ist er in diese Sache verwickelt oder nicht?«

      Larsson wippte auf seinem Stuhl vor und zurück und verzog das Gesicht.

      »Tja. Das ist die Frage. Wenn er lügt, dann verdammt gut. Und wenn er die Wahrheit sagt, macht er das ebenfalls verdammt gut, falls du verstehst, was ich meine. Er wirkt einfach sehr überzeugend.«

      Magnusson seufzte.

      »Ja, das entspricht auch meinem Eindruck. Obwohl er für meinen Geschmack etwas zu gelassen wirkt.«

      Er erhob sich.

      »Wir müssen wohl einen weiteren Versuch unternehmen«, meinte er, zwängte sich an seinem Kollegen vorbei und öffnete die Tür zum Gang. »Vielleicht erfahren wir ja dieses Mal mehr von Herrn Lindberg und können beurteilen, ob es Sinn macht, ihn noch länger hier zu behalten.«

      Peter Larsson erhob sich und folgte ihm. Er warf einen Blick auf die Uhr. Bald zwei. Er hatte nur ein paar Stunden geschlafen. Allmählich breitete sich Müdigkeit aus. Alles lief auf Sparflamme. Oder passierte wie in einem Albtraum: Man konnte noch so schnell rennen, kam aber trotzdem nicht vom Fleck. Eigentlich arbeiteten sie jetzt schon zu lange, dachte er, um noch so etwas


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