Die Prinzessin und der Heilige. Georg Engel

Die Prinzessin und der Heilige - Georg Engel


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schützenden Decke des Reifenplanes zu bergen.

      Der Herzog aber riss sich staunend den Bart.

      „Sage mir, Gabune,“ winkte er den Kastellan emsig heran, „komm — komm näher, mein Lieber, ich täusche mich wohl nicht, es sind doch deine Spiessknechte, so um den Karren herum Wacht halten? Wer aber ist das Weib auf dem Ruhesitz?“

      Jetzt warf auch der Ritter im Kettenpanzer einen raschen Blick auf das Gefährt, trat jedoch gleich darauf von dem Ausguck zurück. Fast schien es, als sei er bemüht, die Aufmerksamkeit seines Herrn von der Gruppe auf dem Hof abzulenken.

      „Dies, Herr,“ erwiderte er an sich haltend, während er sich sein langes, düsterblondes Haar glättete, „ist eine Österreicherin. Die Schwester des Feldhauptmanns von Lichtenstein, der uns schon einmal die Schärfe seines Schwertes kosten liess. Und dazu mein Ehgemahl und ein frommes Weib.“

      Über die hohlen Wangen Swantopolks ging ein Zucken: „Ei, Frisko,“ rief er neugierig und zugleich ein wenig spöttisch, „solch köstlicher Bettschatz eignet dir? Und hast ihn mir noch niemals gezeigt?“ Damit griff er in den Ringelpanzer seines Vasallen und schüttelte die feinen eisernen Ketten hin und her, dass sich ein metallisches Geräusch vernehmen liess. „Sieh — sieh — hast also schon heimlich deinen eigenen Frieden mit den Bundesgenossen unserer Feinde gemacht?“ lachte er heiser. „Weshalb schliesst du mich davon aus?“

      Da grub sich eine schwere Falte in die Stirn des Herrn Frisko von Gabune. Die Lüge wollte nicht über die Lippen des redlichen Mannes, auch schien ihm des gnädigen Scherzes bereits genug. Das, was er aber dachte, lautete ungefähr so: „Ist dein Hof, Herzog Swantopolk, keine Stätte für ehrbare Weiber. Achtest keines Menschen Recht noch Besitztum, sondern gehört dir alles, was deine Laune anspringt. Hast du doch selbst unserem Erlöser eine Brautb) gestohlen und wälzest dich mit ihr auf sündendampfendem Lager, bis dein Hunger gestillt.“ Laut aber entgegnete der Kastellan mit einer schroffen abschliessenden Würde: „Deine Schlachten und Beutezüge, Herr, haben uns bis jetzt wenig Gelegenheit geboten, an Heim und Herd zu denken. Deshalb lebte mein Weib Adelheid lange Zeit in Naumburg, wo ihr Bruder die Probstei verwaltet — —“

      „Ah,“ unterbrach der Herzog, der unablässig den Bart durch die gekrallten Finger gleiten liess, und nickte zustimmend, als ob er sich sehr befriedigt fühle: „im Schatten der Kirche, du Vorsichtiger.“

      „Wohl, Herr,“ schloss der Gabune, indem er eine aufsteigende Gereiztheit mühsam unterdrückte, „und heute erst ist sie mir entgegengezogen, um mich bei meiner Rückkehr zu begrüssen.“

      „So ist es recht,“ lobte der gespannt Lauschende und warf sich sorglos sein langes buntes Oberkleid über, worauf er es an den Hüften durch einen reich gestickten Gürtel schloss. „Ach, wie freut es mich,“ fuhr er mit seinem geschmeidig singenden Tonfall fort und knickte zu einer Art Verbeugung zusammen, „wenn es meinen verdienten Edlen besser ergeht, als mir armem Witwer.“ Er zwinkerte betrübt mit seinen schiefen Augen und liess die buschigen Brauen trauervoll sinken. Dann erkundigte er sich in seiner Gnade weiter: „Hast du auch Kindlein, Gabune?“

      Es klang so vollendet wohlwollend, dass der breitschultrige Vasall, obwohl er am liebsten von diesem Gespräch abgekommen wäre, nicht umhin konnte, unter einem tiefen Atemzug zu bestätigen: „Gott sei Preis und Dank, Herr, mein Weib schenkte mir einen Buben und ein Mägdlein. Der Bursch klettert trotz seiner zehn Jahre bereits auf mein Streitross. Und die Dirn lernt eben zu Füssen ihrer Mutter die Nadel führen. — Sie sieht noch nicht über den Tisch,“ setzte er voll gutmütiger Spötterei hinzu. Und es drängte sich zwischen der knappen Rede ein solch beglückter Vaterstolz hervor, dass er ganz unwillkürlich noch anfügen musste: „Die beiden sind mein grösster Schatz.“

      Unrastig hatte der Herzog an dem Brett des Ausguckes hin und her geschoben. Denn seine Beobachtung teilte sich noch immer zwischen seinem Gast und dem Karren dort draussen, unter dessen Zeltdach sich die schlanke, blonde Frauengestalt durchaus nicht mehr zeigen wollte. Endlich aber musste der Fürst des vergeblichen Lauerns überdrüssig sein, mit einem knurrenden Laut der Enttäuschung warf er den Ausguck zu, und während er sich das schwarze dreieckige Samtmützchen prall über den Schädel zog, schritt er wortlos und sich hochmütig wiegend in das nebenanliegende kreisrunde Spitzbogenzimmer, es seinem Lehnsmann überlassend, ihm zu folgen oder nicht. Der Gabune aber, der sich noch nicht entlassen sah, hielt es für geraten, seinen Gebieter zu begleiten.

      In dem kahlen, weissgetünchten Raum liess sich der Herzog hinter dem derben Eichentisch nieder, um unter lautem Schlürfen seinen Mehlbrei zu löffeln, der seinen Morgenimbiss bildete. Ausserdem lag noch ein Laib schwarzen Brotes neben dem Napf, und nur eine silberne Schale voll Äpfel und Birnen zeugte davon, dass hier ein Mächtiger sein Frühmahl genoss.

      In ehrerbietiger Entfernung schaute der Gabune diesem behaglichen Schmause zu. Auch hatte er keine Einladung erhalten, sich gleichfalls niederzulassen. Und es verstrich geraume Zeit, bevor sich Swantopolk daran erinnerte, dass noch ein anderer den Freuden der fürstlichen Sättigung beiwohne. Erst, nachdem er sich zur Reinigung verschiedene Male den Bart gestrichen, zwinkerten seine grünlichen Augen über den Löffel hinweg und fingen an, den schweigsamen Kastellan zu suchen.

      „Wahrhaftig,“ begann er in seinem halb slawischen Singsang, und er tat so, als ob er vor kaum einem Herzschlag das letzte Wort an seinen Getreuen gerichtet, „bist ein seliger Mann, Frisko. Hast ein köstlich Weib und blühende Kindlein, während dein Landesherr — — hm“ — er zerschnitt eine Birne und saugte gierig an ihrem süssen Fleisch, „das Herz könnte einem bluten, denn sieh, mein Ehgemahl, das wir geehrt und geliebt, wie lange modert es schon unter den Steinfliesen der Kapelle. Das Weibsvolk aber, das uns seitdem auf unserer Burg Gesellschaft leistet, ich weiss es wohl, es ist ein unflätig, schmutzig Gezücht, ja, ich gräme mich, weil es euch Sittsamen oder gar den frommen Priestern oft Anlass zum Ärgernis bietet.“

      Er schnitt eine neue Birne an und schlug seine langen Zähne hinein. Dann kniff er, wie bewältigt, die Augen zu und leckte das süsse Fruchtwasser emsig von seinen Lippen.

      „Ach, Gabune,“ setzte er die uneingeforderte Beichte fort, obwohl sein müder und bestaubter Zuhörer durch eine schlecht beherrschte Handbewegung ein deutliches Zeichen von Zweifel und Ungläubigkeit merken liess, „mein Fleisch ist schwach — nichts von Widerstand gegen die Lockungen der Üppigkeit wohnt in mir, ich leugne es nicht. Stürz’ ich mich doch immer und immer wieder in die Wollust, wie in ein erregend Bad. Misericordia dei, sie weiss vielleicht, was mich treibt. Aber auch du Vertrauter meiner Sorgen sollst es wissen, ich will mir alle Mühe geben, mein giftstrotzend Herz zu bezähmen. Ja, ja, ja, das will ich. Und vor allen Dingen, ich mag die Leiden meiner durch den Krieg, durch Feuer und Plünderung beinahe aufgezehrten Untertanen auch nicht mehr um einen einzigen Tag verlängern.“

      Gesättigt und angenehm erwärmt durch den demütigen Klang dieser wieder sehr eindrucksvoll dargestellten Zerknirschung, streckte sich der Untersetzte lang in seinem Armsessel aus, faltete die Hände über seinem schwammigen Leib, und der Blick aus seinen verkniffenen Augen verlor sich, Entwürfe spinnend, in dem Spitzbogenwerk der Decke.

      „Friede—Friede soll werden,“ sprach er jetzt sehr klar und bestimmt. „Gabune, ich nehme also den Gnesener Vorschlag an. Hörst du? Mein Sohn Mestwin — Gott straf’ mich, ich hab’ mich schon drei Jahre nicht mehr an seinem Anblick gelabt — —“ hier furchte doch eine ungezügelte Bösartigkeit seine Stirn, um freilich schattenhaft schnell wieder zu verschwinden, — „er mag weiter am Tisch des Hochmeisters das Brot der Verbannung essen. Die Kapelle des heiligen Christophorus will ich bauen.“ — Geschäftsmässig verneigte sich der Liegende ein wenig und schlug ein Kreuz. „Sage mir, Frisko, wer war übrigens dieser Heilige?“

      Der Kastellan zuckte die Achseln. „Ich weiss es nicht,“ gestand er offenherzig.

      „Schadet auch nichts,“ beruhigte sein Herr, nachlässig mit der Hand winkend, „die Pfaffen werden es wissen. Und zudem, Lehm und Holz sind hier wohlfeil. Ach, aber nun zum dritten Punkte.“ Er seufzte. „So will ich denn auch das Schwerste und Unerträglichste erfüllen und abermals einen Grossen meiner Umgebung den Deutschrittern ausliefern. Aber sage du mir, mein Wackerster


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