Die Prinzessin und der Heilige. Georg Engel

Die Prinzessin und der Heilige - Georg Engel


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in der Stunde, da sie ihr unbedeutend Frauenglück bedroht wähnte, unnachgiebig und lodernd der helle Aufruhr empor. Mit heisser Stimme und blitzenden Augen wehrte sie sich: „Sag, Gabune, gestehe Geliebter, du bist selbst der Erwählte deines Herrn. Warum verheimlichst du es noch länger? Und du willst es klaglos, ohne Gegenwehr geschehen lassen? O, sprich die Wahrheit, verbirg mir nichts, du willst deine Genossen nicht zusammenrufen, deine Knechte nicht wappnen, und nicht alles aufbieten, um dich deinen unmündigen Kindern zu erhalten? Schau —“ und sie rief mit hellem, schreckgepeitschtem Klang die Namen ihrer Kleinen, damit sie die Munteren am Knie ihres Erzeugers sammle. „Heila, Sambor, kommt, sprecht zu eurem Vater, auf dass eure Unschuld ihm abringe, was das Bitten seines Weibes nicht erreichen kann. Vielleicht legt er für sein eigen Blut jene hassenswerte Untertänigkeit vor dem Bösen ab, die uns alle noch elend machen wird.“

      Dicht und eng hatte sie die Kinder vor den Kastellan hingeschoben; der aber, getroffen von den blauen und schwarzen Sternen der Verständnislosen, die ungewiss zu dem halbfremden Mann in die Höhe starrten, er fing plötzlich die beiden zarten Köpfe in seinen Fäusten ein, und dumpf und grollend entrang es sich ihm: „Halt ein, Weib — alles, was rechtens ist, will ich für euch tun! Alles!“

      Die Blonde verzog die Stirn: „Nur was rechtens?“ klagte sie, „nicht auch Unrecht, Frisko? — Nicht auch Unrecht?“

      Ihre lebhafte südländische Abkunft verriet sich, die Österreicherin regte sich, der Liebe und geruhiges Leben höher galt als Gesetz und beschworene Abhängigkeit. Ihr Ehegemahl aber mass sie mit einem dunklen, grüblerischen Blick. Noch herrschte auf diesen öden Landstrecken nur ein Unumstössliches, der Wille des Tyrannen. Dem Thronenden gehörte allein, was auf jenen dämmrigen Fluren an verlorener Menschensaat ausgestreut war; wie einem Gott überlieferten sich ihm die zagen Seelen, gleichviel ob er schwarze oder weisse Lose auswarf, und nur ein Verbrechen gab es, ein nie zu sühnendes — Ungehorsam. Deshalb schüttelte der Gabune finster und beinahe verletzt das Haupt. Seine Ehre schien ihm angetastet von der leichtblütigen Auffassung seines Weibes, und er schauderte vor dem ihm zugemuteten Wortbruch, durch den er die ruhige Sicherheit seines Wesens, sein Eigenstes und Tiefstes eingebüsst hätte.

      „Lass das,“ verwies er ernst, und seine Brauen schnürten sich enger. „Ihr Weiber wisst nicht, worauf wir Männer stehen. Auch Verdienst und Recht sind eine gute Waffe, und diese allein ziemt es gegen den Herrn zu gebrauchen.“ Langsam strich er sich über die Augen, als müsse er von dort etwas Trübendes, die Aussicht Hemmendes fortwischen. Dann aber ordnete er mit seiner gewohnten Fassung an: „Lass die Kleinen zum Schlummer legen, Adelheid, denn ich wünsche dir noch etwas geheim und ohne Zeugen anzuvertrauen.“

      Und nachdem eine Wärterin die Kinder fortgeführt, griff er abermals nach der Hand seiner Gattin und bettete sich ihre schlanken Finger noch einmal auf die Brust.

      „Höre, Adelheid,“ begann er endlich nach einem tiefen Atemzug, und das begierig lauschende Weib begriff, wie schwer der Wortkarge mit seinem Geständnis ringen mochte, „so gewiss ich mich durch Sturm und Not, in Hitze und Frost nach diesem Tag und nach deiner Nähe gesehnt habe, so gewiss ist es, dass unser Schicksal nicht uns gehört! Du und ich, und alle um uns herum, wir werden als Tropfen von der gemeinsamen Quelle fortgesprüht, und wir ahnen nicht, welcher Wind uns trägt. Nur eines bleibt uns, Adelheid, das Letzte, Höchste, und darin sind wir dem, was uns treibt, überlegen. Wir können zu diesem unserem Leib, sobald er auf Schande gebettet werden soll, sprechen: Höre auf und zerfalle!“

      Heftig bewegt riss der Gabune hier sein Weib an sich, und als er die schlanken Glieder der lang Entbehrten an den seinen spürte, als die vollen Arme sich ungestüm um seinen Nacken schlangen, flüsterte er der Hingegebenen stockend, heiss, gleich einer Liebesforderung ins Ohr: „Hast du mich verstanden?“

      Da sprach die in seine Umarmung Verlorene stark und klar und doch wie in höchster Wollust zitternd vor sich hin: „Ich höre auf, sobald ich nicht mehr dein sein darf.“

      „So komm,“ sagte der Kastellan und erhob sich, zwischen Ehrfurcht und einer überrauschenden Freude schwankend, „so schenke mir denn das Beste meines Schicksals, das ich nicht mehr erwarten kann.“

      Schon ruhte sie aufgehoben in seinen Armen, und Schritt vor Schritt trug der Starke sein Besitztum, das sich verdämmernd an seiner Brust versteckte, durch die einsame Wiese, er durchmass den menschenleeren Hof, und während ihm seine Last nur immer anmutiger und begehrenswerter dünkte, schwanden unter der Entführten die steinernen Stufen der Treppe hinweg, und ehe sie noch aus diesem Spannen, Schwellen und Fluten der Jugend emportauchen wollte, da hatte sie bereits das einsame Zimmer aufgenommen, der kahle Holzraum mit dem gewaltigen Bettgestell. Aufatmend, überglüht sandte das hochzeitliche Weib noch einen verlöschenden Blick auf die stummen Zeugen ihres Unterliegens, sie grüsste noch den Purpurstrahl, der durch die Fensterluke über die holprige Diele kroch, dann, noch immer in den Armen des Gatten, hob sie die Lippen und Besinnungslosigkeit tanzte über ihr.

      Aber, siehe da, hart und ungebeugt blieb der Nacken des Mannes. Der bartlose Mund konnte kein liebend Wort mehr formen, und seine ganze Gestalt schien von Starrheit gelähmt. Allmählich begriff auch das schon dem Traum überlieferte Weib die Seltsamkeit dieses Zögerns. Erstaunt, verständnislos schlug sie die Augen auf, bis sie endlich, aus dem schönen Taumel zurückkehrend, die schnöde Klarheit für die Gewöhnlichkeit aller Dinge gewann.

      Da stand der Geliebte, dessen Sehnsucht nicht über sie hereinbrechen wollte, und streckte den Arm stumm in finsterer Gelassenheit nach der Fensterluke aus. Draussen auf der Landstrasse wieherte es von Rossen, Waffen klirrten, und der Lärm einer reisigen Schar schwoll durch den Abend.

      „Er ist da, der Böse,“ sagte der Kastellan unbewegt.

      Verängstigt, benommen entglitt ihm das Weib.

      An die Bohlen der Tür wurde geklopft, hart und kurz, und gleich darauf neigte sich im Dämmer des Flurs eine untersetzte, graulockige Kriegergestalt. Die warf beide Arme vor, als sie sich anbetend und verehrungsvoll vor dem Schlossherrn bückte. Ein langer struppiger Schnurrbart hing dem Gewappneten unter der aufgestülpten Nase, und auf dem schmutziggelben Wappenrock war der rote Greif des Herzogs gestickt.

      „Du bist es, Jakob Pantak?“ rief der Kastellan, vor dem Hauptmann zurückweichend, denn diese faltige, ewig in Unterwürfigkeit und Demut greinende Fratze galt als der gefährlichste Bluthund Swantopolks, der nur ausgeschickt wurde, wenn sich die schwärzesten Anschläge des Bösen verkörpern wollten.

      „Erhalte mir deine Gnade, du Mächtiger und Freund des Herzogs,“ sagte der Alte, vor der Schwelle nochmals zusammensinkend, und zog sich in Hochachtung ersterbend die kegelförmige Eisenkappe vom Haupt. „Auch dein schön Ehgemahl möge mir verzeihen, denn der Tag neigt sich, und ich dringe in ihre Schlafstätte.“

      Damit erhob er abermals die Rechte, um sie tief vor der weissen Frauengestalt sinken zu lassen, als wolle er ihr Erbarmen ganz besonders erflehen. Die stand aufgerichtet, bleich wie der Stoff ihres Gewandes und hielt die Hände schützend über dem geöffneten Brustlatz gekreuzt.

      „Was bringst du, Pantak?“ stiess derweil der Kastellan rauh hervor, ohne auf die demütigen Anstalten des Eindringlings achten zu wollen. „Was bringst du?“

      „Gnade über Gnade,“ hauchte der Hauptmann, mit gekrümmten Knien näher schleichend, und in den Kerben und Falten seines ledernen Antlitzes versteckte sich ein seltsam Grinsen, da er nun des gewaltigen Bettgestelles ansichtig wurde, „unser Herr und Fürst, den der Allmächtige mit jeder Tugend geschmückt, er hat dich, Frisko von Gabune, aus allem Volk erwählt, damit du an seiner Statt bei unseren Feinden als Pfand für sein heilig Wort gelten mögest.“

      Da stiess Adelheid einen schrillen Ruf aus, sank nieder und wühlte ihre Stirn in die Kissen des Lagers. Ihr Eheherr aber, obwohl er die Fesseln seines unentrinnbaren Geschickes bereits fest um seine Knöchel spürte, er raffte noch einmal den Schild des Rechtes auf und versuchte, sich hinter dieser zerbrechlichen Wehr zu schirmen.

      „Herzog Swantopolk muss sich irren,“ brachte er heiser vor Grauen und verhöhnter Redlichkeit hervor, „weiss er doch ebenso gut wie ich, dass das Erzbistum einen Grossen des Hoflagers verlangt — ich aber bin nur einer der Geringen


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