Die Prinzessin und der Heilige. Georg Engel

Die Prinzessin und der Heilige - Georg Engel


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da sich doch mein und dein Vorteil so innig verträgt?“

      Da war das überraschte Weib von seiner Furcht hinweggelockt. Beschämung und ein hohes Staunen befielen sie, warum man wohl diesem Vielgeplagten, der sich noch eben herabgelassen, ihr, einem törichten Weibe, seine Gutwilligkeit durch einen feierlichen Eid zu bekräftigen, warum man wohl solch einem von Sorge Umdrängten von der Wohltat menschlichen Zutrauens ausschloss? Und eine Art Mitleid beschlich die Reine für diesen Hochgebietenden in seiner kalten, dem Menschlichen so weit entrückten Abgeschlossenheit.

      „Jetzt zweifle ich nicht mehr,“ gestand sie dankbar. „Und ich wollte nur, ich könnte dir deine Barmherzigkeit in Demut vergelten.“

      Der Herzog schickte einen raschen Blick in den Korb, der dem Weibe am Arm schaukelte.

      „Leicht vermagst du’s,“ entgegnete er glatt, indem er sich nach Art der Darbenden die Lippen leckte, „der frühe Ritt hat mich hungrig gemacht. Reiche mir ein paar deiner Früchte.“

      Da erschrak Adelheid; die Vertraulichkeit störte sie.

      „Du scherzest, Herr,“ widerstrebte sie, ohne seinen Wunsch zu erfüllen, „gönne mir Zeit, damit ich dir einen Imbiss auftische.“

      Hastig wandte sie sich, um dem Herrenhaus entgegenzueilen, jedoch der Fürst griff nach dem Geflecht und hielt die Gräfin mit einem harten Ruck zurück.

      „Torheit,“ verwies er, und seine Stimme klang ungeduldiger als bisher. „Wir Fürsten vermögen nichts so schwer zu verschenken, als Zeit. Die mangelt uns. Sitze deshalb mit mir auf jener Moosbank unter dem Hasellaub nieder, Weib, und lass mich schmausen, wie ich es gewohnt bin.“

      Ohne die Überraschte zur Besinnung kommen zu lassen, drängte er die Schlossfrau zu der bezeichnten Stätte, liess sich nieder, und während Adelheid umdämmert und verdunkelt an seine Seite glitt, langte er sogleich mit seinen haarigen Händen in ihren Korb und begann die noch grünen Nüsse zwischen seinen Hauern zu zermalmen. Eine Weile hörte die Betroffene nichts als das weichliche Geräusch der zerbissenen Schalen, zugleich aber nahm sie voll verworrener Ahnungen wahr, wie fahl und leblos sich das Antlitz ihres Nachbarn unter dem grünen Schatten der Blätter überhaucht hatte. Nur die schiefen grünen Augen stachen unbarmherzig auf ihrer haut herum, wie Messer, die Eingang in das warme Fleisch suchten. Schmerzlich, gespannt drückte die Verlassene beide Hände auf ihr Herz. Allein den Herzog erfüllte gerade diese schützende Bewegung mit beissendem Wohlbehagen, weil ihm dadurch offenbart wurde, wie widerstandslos die Begehrte vor seiner Gegenwart zusammenbrach. Er wusste ja, so erging es mit allen Langzöpfen. Hieb und Furcht machten auch die Stolzesten willfährig. Doch nur sachte — das Belauern und Beschleichen brannten dem alten Jäger im Blut.

      „Genug,“ presste er endlich hervor und zwängte beide Fäuste zwischen seinen Gürtel. „Dies genügt mir. Eines Kriegsmanns Zehrung ist bescheiden.“ Spähend liess er seinen Blick durch die Haselstauden und weiter über die Wiese schweifen. Dann forschte er dringend: „Was treiben deine Sprösslinge? Die Gabunenbrut?“

      Die Edelfrau hielt den hauch an. „Sie schlummern, Herr,“ entgegnete sie kurzatmig. „Es ist noch früh.“

      „Wahr,“ nickte Swantopolk, „die Jugend braucht Traum. Wir Älteren hingegen sehnen uns nach Wirklichkeit. Denkst du nicht ebenso, du Schönste aus meinem Reich?“

      Vor der unverhohlenen Schmeichelei, die sich jetzt urplötzlich so besitztrunken und gebieterisch äusserte, da umnebelte sich der freie Wille der blonden Frau mit dunstigeren Schleiern. Gleich einer Gefangenen sass sie neben ihm, rot und blass, vergebens danach trachtend, die sie umschnürenden Blicke zu sprengen. Nein, noch schlimmer. Die Lähmung, die von dem buntgeschmückten Manne unheimlich in sie überfloss, sie schläferte ihr allmählich sogar den letzten Trieb ein, jenen schreckhaften Bann abzustreifen. Dumpf und drohend klopfte ihr Herz, und während ihre Einbildungskraft schon all das Entwürdigende durchfieberte, zu dem der Geieräugige sie sicherlich bereits verurteilt, da summte in ihrem Hirn immer greller und peinigender die greuliche Huldigung: „Du Schönste aus meinem Reich.“ Nein, das ertrug sie nicht.

      Tonlos murmelten ihre Lippen: „Herr, treibe keinen Scherz mit mir, sondern bedenke —“

      „Was?“ unterbrach Swantopolk barsch.

      Da schlug die Gräfin verschüchtert und unfähig, sich zu sammeln, die Augen nieder, und, da sie keine Antwort wusste, flog ein hilfloses Zittern um ihre Schultern.

      Der Herzog aber, der sich ärgerte, sein Wild durch eine Unvorsichtigkeit aufgestört zu haben, griff kurz nach ihrer Hand und lachte gezwungen.

      „Nun, Gräfin, da du nicht die Schönste sein willst, so bist du doch sicherlich die frömmste und reinste Frau, so unter unserem Zepter ihr Wesen treibt. Zu dieser allein kam ich, um ihr als erster eine frohe Nachricht zu bringen. Freue dich. Die Kapelle des heiligen Christophorus steht fertig. Mitten in der roten Heide, unweit des Netzebruchs ward sie von mir aus Holz und Lehm errichtet. Ein Kuppeldach wölbt sich über ihr, und ein Bildschnitzer aus Stettin fertigte auf mein Geheiss eine überlebensgrosse Statue für sie an.“ Hier liess Herzog Swantopolk seinen langen Bart durch seine Rechte rinnen, und sein Blick blieb abschätzend an der atmenden Brust des Weibes hängen. „Dafür hoffe ich aber auch,“ fuhr er mit einem heimlichen Grinsen fort, „dass durch meine Willfährigkeit gegen die Kirche dein Ehebett nicht mehr lange verwaist stehen wird, und du selbst Adelheid von Gabune sollst daher als die Würdigste noch in dieser Stunde die Gnadenstätte durch einen frommen Spruch weihen.“

      „Ich?“ schwankte die Blonde in äusserster Bestürzung empor.

      „Du,“ wiederholte der Fürst, der sich gleichfalls aufgerichtet hatte und nun die Stirn runzelte, als wenn er nicht begriffe, warum sich das Weib auch gegen diese offensichtliche Ehrung zu sträuben begann. Gedrungen, hartnäckig ragte der untersetzte Mann vor ihr und streckte nun seinen Finger gebieterisch gegen die Wiese aus: „Zögere nicht länger,“ befahl er. „Ich selbst will dich auf meinem Ross zu der Kapelle leiten, auf dass alle Welt erkenne, wie ich sogar auf dem Wege zum Himmel noch die unter uns wandelnde Heilige zu ehren weiss. — Mach dich fertig,“ forderte er abermals, „denn meine Zeit drängt.“

      Da stürzte die verwirrte Frau vor dem Peiniger nieder, presste verzweifelt ihr Blondhaupt gegen seine Hände, und vermeinte durch den Sturm ihrer gänzlichen Erschütterung das Mitleid des Bösen erflehen zu können.

      „Nicht ich, du Mächtiger,“ bettelte sie besinnungslos, und ihre fromme Angst verzerrte ihr Antlitz im Augenblick zu weissem Stein, „nicht ich. Dies ist das Werk des Bischofs und seiner Diener. Wer bin ich, dass ich solchen Frevel auf mich laden dürfte? O, erbarme dich meiner, Herr!“

      Noch hatte die Kniende nicht das letzte Wort hervorgestossen, als sie von einer knöchernen Faust emporgerissen wurde, gleich darauf fühlte sie, wie eine unbezähmbare Kraft sie vorwärts drängte. Taumelnd folgte sie, und in ihre Umnachtung schlug nur noch unverständlich der bittere Verweis hinein, durch den der beleidigte Fürst ihr seinen Unwillen zu erkennen gab.

      „Schweig,“ zischte es dicht neben ihr, „meinst du, ich liesse noch länger meiner Redlichkeit spotten? Ei, ei, gelte ich für einen Küchendieb, gegen den man Schlösser und Riegel braucht? Ich meine, dein Eheherr dürfte es dir keinen Dank wissen, weil du so offenherzig eure innerste Meinung über mich verrätst!“

      Indessen vor der Gebändigten verflatterten all diese Vorwürfe und Drohungen. Ihr kurzer Weg schien über dampfende Wolken zu führen, ein Schwindel umwirrte sie, da sie auf das herzogliche Ross gehoben wurde, und erst, als sie längst den harten Schlag des Tieres unter sich spürte, erwachte die Gräfin aus ihrer Betäubung, denn der frische herbstliche Wind, der um ihre Stirn strich, brachte ihr das Bewusstsein ihrer Lage zurück.

      Staunend vergrösserten sich die Augen des Weibes. Wie liess sich dieser seltsame Aufzug erklären?

      Ehrbar, dienstwillig schritt der Herzog neben seinem Rosse her, den Zügel um seine Faust geschlungen, ja, er schien stolz darauf, wie demütig Bauern und allerlei Volk auf beiden Seiten der Strasse vor der Reiterin und ihrem Führer in den Staub sanken. Gleichsam, als ob hier ein zartes Bild der Legende


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