Knallhart durchgezogen. Rudolf Szabo

Knallhart durchgezogen - Rudolf Szabo


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und wurde mit ein paar Schulterklopfern nach Hause geschickt, wo ich die häusliche Gewalt weiter fürchten musste. Mir wurde immer klarer: Ich werde mir nur selbst helfen können. Und ich würde meine Kampfkünste dafür einsetzen.

      Gewalt darf nie ein Mittel der Erziehung sein. Wer seine Kinder schlägt, gewöhnt sie an Gewalt, schafft Distanz, schürt Ängste, zerstört Vertrauen, wertet sie ab. Kinder brauchen klare Regeln, sie müssen Konsequenzen kennenlernen, natürlich. Doch ihre Eltern müssen sie auch schützen. Kinder, die Vater und Mutter als unbeherrschte Aggressoren erleben, leiden bis ins Erwachsenenalter darunter. Es hemmt ihre Beziehungen, konditioniert sie, sich zu ängstigen, wenn sie vermeintliche Fehler begangen haben – und lässt sie später oft selbst zu Gewalttätern werden. Dieser Kreislauf muss unbedingt durchbrochen werden.

      Heute werde ich manchmal in Schulen eingeladen, um mein Lebenszeugnis an Jugendliche weiterzugeben. Den jungen Menschen rate ich dringend, sich Hilfe zu holen, wenn sie Gewalt erfahren haben. Niemand soll sich schämen, Opfer von Gewalt geworden zu sein. Jeder Mensch verdient es, gewaltfrei aufzuwachsen. Es gibt vereinzelt Christen, die Schläge in der Erziehung mit Versen aus dem Buch der Sprüche rechtfertigen – als ob man aus ein paar einzelnen Versen konkrete Erziehungsmaßnahmen ablesen könnte, die auch nach Jahrtausenden und in einer völlig anderen Kultur alternativlos gültig sind! Sie irren. Christen haben die Aufgabe, Menschen in Not beiseitezustehen, auch wenn sie dabei selbst in die Schusslinie geraten.

      Als ich in der achten Klasse war, wendete sich die Beziehung zu meinem Vater. Ich weiß gar nicht mehr, warum er mich verprügelte, aber es lief ab wie schon viele Male vorher: Er haute mir im Stehen eine runter, boxte und schlug mich, bis ich zu Boden fiel. Das hielt ihn nicht davon ab, mich weiter zu malträtieren. Jedes Kind lernt, dass man einen, der am Boden liegt, in Ruhe lässt, aber mein Vater schlug weiter. Er bearbeitete mich mit Händen und Füßen, trommelte auf meinen Rücken und Po. Der dumpfe Schmerz, den ich schon so oft erfahren hatte, durchströmte meinen Körper.

      Am Boden liegend sah ich in sein zorniges Gesicht. Gerade wollte er wieder zum Tritt ausholen – da klappte plötzlich ein Schalter in mir um. Ich hob meinen Fuß zu einer Abwehrbewegung, die ich im Aikido gelernt hatte – »Mit der Kraft des anderen siegen.« Mit voller Wucht trat mein Vater gegen meine Schuhsohle. Er jaulte auf und sein Gesicht verkrampfte sich vor Schmerz. Dann sackte er auf einem Stuhl zusammen und hielt sich ächzend das Bein.

      Ich stand auf und sah ihn einfach nur an. Die Schmerzen spürte ich kaum noch, so zufrieden war ich. Wortlos wandte ich ihm schließlich den Rücken zu und ging auf mein Zimmer. Ich hörte noch, wie er mit meiner Mutter sprach, doch das kümmerte mich nicht.

      Mein Vater hatte sich den Fuß gebrochen. Tagelang konnte er nicht arbeiten, über Wochen humpelte er herum wegen dieses »Fehltritts«, dessen Folgen er nun vor aller Augen ausbaden musste. Es war das letzte Mal, dass mein Vater seine Hand – oder seinen Fuß – gegen mich erhob. Wenn er mir zürnte, schrie, tobte, wütete er, aber er schlug mich nicht mehr. Mich bestärkte diese Erfahrung einmal mehr in dem Gedanken: Wehre dich mit all deiner Kraft, dann löst du deine Probleme – zur Not auch mit Gewalt.

      Trotz all der Gewalt habe ich meinen Vater nicht gehasst, sondern geliebt. Ob er mich auch liebte, wusste ich nicht. Gesagt hatte er es mir nie, als ich noch ein Kind war. Trotz seiner Wutausbrüche bewunderte ich ihn für das, was er leistete, gerade im Beruf. Als Kinder konnten wir bestaunen, welch riesige Maschinen er wieder in Gang brachte. Wir kletterten auf den großen Baumaschinen herum, die er wartete, später, bei der Swissair, standen wir mit offenen Mündern vor den riesigen Flugzeugen, die mein Vater reparieren konnte. Er war mein Vorbild. Ich wollte einmal so sein wie er.

      So ist das wohl bei vielen Söhnen. »Papa kann alles« – mit diesem Denken wachsen Kinder auf. Später verschiebt sich diese Ansicht natürlich. Kein Mensch ist perfekt, das wissen auch Heranwachsende. Trotzdem bleibt die Beziehung zum Vater lebenslang etwas ganz Besonderes. Väter stehen für Herkunft und Heimat. Sie haben uns gezeugt. Durch sie existieren wir. Von ihnen lernen wir fürs Leben. Sie sind die erste Instanz, um zu beurteilen, was gut und richtig ist.

      Mein gezielter Abwehrtritt gegen den Fuß meines Vaters markierte das Ende meiner Kindheit. Doch mein neuer Lebensabschnitt begann mit einer Enttäuschung.

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