Knallhart durchgezogen. Rudolf Szabo

Knallhart durchgezogen - Rudolf Szabo


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konnte. Tatsächlich stand ich jeden Tag mit den beiden Angestellten meines kleinen ökologisch orientierten Malerbetriebs auf der Baustelle und renovierte Häuser. Ehrliche, harte Arbeit. Aber zu wenig Ertrag.

      Mit der Firma war es in den letzten Monaten steil bergab gegangen, weil ich den Überblick über die Zahlen verloren hatte. In Mathe war ich noch nie gut gewesen, und das hatte sich jetzt gerächt. War es am Anfang meiner Selbstständigkeit noch gut gelaufen, so lagen mir nun die Banken im Nacken. Mit 300 000 Franken stand ich bereits in der Kreide, und in meinen Büchern klaffte ein Loch über weitere 100 000 Franken, die ich brauchte, um über den Winter zu kommen. Ich hatte zwar schon einen Großauftrag für das kommende Jahr an Land gezogen, doch die arroganten Banker hatten meinen Kreditantrag mit einem Schulterzucken abgelehnt. Banker! Gangster in Nadelstreifen waren sie, nichts anderes! Dass ich eine große Familie und außerdem zwei Angestellte zu versorgen hatte, hatte sie in keiner Weise beeindruckt. So stand ich also ohnehin schon vor dem finanziellen Ruin. Und nun hatte ich nicht nur meine Frau, sondern wegen der schwindelerregenden Unterhaltsforderung wahrscheinlich auch meine Kinder verloren!

      Ich telefonierte mit Evelyn, doch sie meinte, sie habe das juristisch geklärt und ich müsse zahlen. Ich verstand die Welt nicht mehr. Es musste einen Ausweg geben!

      Ich versuchte es mit fachlichem Rat. Zusammen mit Evelyn fuhr ich zu einem Friedensrichter, der zwischen uns vermitteln sollte. Für mich war das Gespräch eine einzige Enttäuschung: 6 200 Franken seien begründbar, erklärte uns der Mann, und das gelte auch, wenn ich kurz vor dem Konkurs stünde. Dazu dürfe ich meine Kinder einmal im Monat für ein Wochenende sehen und zwei Wochen Ferien jährlich mit ihnen verbringen. So seien die Gesetze nun mal.

      Ich konnte es nicht fassen. Es waren doch genauso meine Kinder wie ihre!

      Meine Erinnerung an dieses Gespräch sind total verschwommen, weil es mich völlig traumatisiert hatte. In einem Bericht stand später, dass ich emotional unreif reagiert hätte und wutentbrannt aus dem Zimmer gestürmt sei. Ich explodierte innerlich, fühlte mich völlig hilflos. Es schien, als könne meine Frau sich alles erlauben, während ich alles ausbaden musste. Wenn ich sie darauf ansprach, lächelte sie nur siegessicher. Nirgends fand ich Hilfe. 1 000 Franken pro Kind sei eben eine gewöhnliche Summe, hieß es. Dass ich das Sorgerecht nicht bekam, hielten alle für normal. »Wenn es eine Mutter gibt, warum sollten die Kinder dann zum Vater?«, hieß es. Ein weiterer Jurist, dessen Rat ich einholte, meinte: »Dann hätten Sie Ihren Schwanz eben nicht so oft reinhängen sollen.«

      In mir baute sich ein Feindbild auf: Evelyn.

      Unglaublicher Hass kochte in mir hoch, ich ballte beide Fäuste und schwor, dies nicht auf mir sitzen zu lassen. Ich liebte meine Kinder über alles und ich würde alles dafür tun, sie wiederzusehen. Wirklich alles.

      Mord. Das war das Erste, an das ich dachte, als ich im Büro meines Malerbetriebs grübelte, was ich tun sollte. Ich malte mir aus, wie ich meine Ex-Frau abpassen, sie vielleicht unter einem Vorwand in ein Waldstück locken und dort erdrosseln würde. Rache.

      Je mehr ich mir in meiner kranken Fantasie ausmalte, wie ich sie zu Tode bringen würde, desto mehr Genugtuung empfand ich. Meine Empathie und Vernunft waren völlig ausgeschaltet, und noch heute erschrecke ich darüber. Doch meine damaligen Gedanken passen durchaus zu dem, was in der Welt beinahe täglich geschieht, wenn gekränkte Ehemänner zuerst die Frau, anschließend die Kinder und zuletzt sich selbst erschießen.

      Gott sei Dank entschied ich mich gegen den Mord – nicht aus Mitleid oder gar Barmherzigkeit, sondern weil meine Kinder sonst ins Heim gekommen wären. Ich als Verdächtiger mit klarem Tatmotiv wäre sicher sofort eingebuchtet worden und hätte meine Kinder erst recht nicht mehr sehen dürfen.

      Nein, Mord war der falsche Weg. Also musste ich das Geld eben bezahlen. Und da ich es nicht hatte und nicht verdienen würde, entschied ich mich für den schnellsten Weg: Überfälle. Und zwar bei denen, die es verdient hatten. Zumindest meiner Meinung nach.

      Immer noch wütend setzte ich mich ins Auto und fuhr ziellos durch die Gegend. Wenn ich in einer Ortschaft zu einer Bank gelangte, hielt ich an und schaute sie mir genau an. Welches Sicherheitskonzept gab es? Welche potenziellen Fluchtwege boten sich an? Ich stellte fest, dass die kleinen Filialen über einen sehr viel schlechteren Schutz verfügten als die größeren.

      Je länger ich grübelte und die Szenarien durchdachte – meine Ausbildung zum Elitesoldaten der Schweizer Armee half mir dabei –, desto klarer wurde mir: Banküberfälle sind ein unsicheres Ding, zumindest für jetzt eine Nummer zu groß. Was also stattdessen?

      Da fiel mir ein, dass meine Frau mir beinahe beiläufig von einer Affäre mit einem Unternehmer berichtet hatte. Wahrscheinlich wollte sie mich damit demütigen, denn ich kannte ihren Liebhaber gut. Deswegen wusste ich auch, dass er einen Tresor in seiner Wohnung hatte. Der Typ sollte mein erstes Opfer werden. Bestimmt würde ich hier an eine Menge Geld kommen! Und obendrein konnte ich mich dafür rächen, dass er etwas mit meiner Frau gehabt hatte. Zwei Fliegen mit einer Klappe!

      Doch alleine würde ich das nicht schaffen, ich brauchte Hilfe. Sofort dachte ich an meine Mitarbeiter. Arian stammte aus Albanien, er war erst 19 oder 20, Andreas sogar erst 17 Jahre alt. Beide hatten keine Ausbildung, dafür eine schwierige Kindheit und keinen leichten Stand. Aber sie packten auf dem Bau vorbildlich mit an, auch kamen wir gut miteinander klar und sie schauten zu mir als Mittdreißiger und ihrem Chef auf. Ich bat sie ins Büro.

      »Männer, wie ihr wisst, haben die Banken mich im Stich gelassen. Ich habe 300 000 Franken Schulden und jetzt haben sie mir sogar das Konto gekündigt, statt mir einen weiteren Kredit zu geben. Das sind wirklich Ganoven! Sie schwimmen im Geld und werden reich durchs Nichtstun, und wir Handwerker schuften jeden Tag im Schweiße unseres Angesichts, ohne dass sie uns helfen. Eine Ungerechtigkeit ist das!« Arian und Andreas nickten zustimmend.

      »Jetzt hat mich auch noch Evelyn verlassen. Sie hat die Kinder mitgenommen und ich soll Tausende Franken Unterhalt zahlen. Wenn sich nicht etwas grundlegend ändert, werde ich eure Löhne nicht mehr zahlen können. Ihr habt immer gut und zuverlässig gearbeitet, auch unsere Kunden waren immer mit unserer Arbeit zufrieden. Uns trifft keine Schuld.«

      Ich hielt einen Moment inne, bevor ich fortfuhr: »Deswegen ist jetzt die Zeit für uns, zu handeln.« Ich schaute die beiden beschwörend an. Ich wusste, dass ich sehr überzeugend wirken konnte, und probierte es mit einer Robin-Hood-Geschichte, dem Rächer der Enterbten und dem Beschützer der Witwen und Waisen. Leidenschaftlich warb ich für meine Pläne.

      »Ihr habt gearbeitet, ich habe gearbeitet. Deswegen müssen wir uns das Geld holen, das uns zusteht.« Arian und Andreas hingen an meinen Lippen. Sie würden mir bestimmt folgen. Etwas Unsicherheit schwang dennoch mit, als ich anhob, die beiden zum Raub anzustiften: »Es gibt Menschen da draußen, die schwimmen im Geld, während wir unsere Rechnungen nicht bezahlen können. Bei denen holen wir uns die Kohle – und zwar mit List und Geschick! Wie ihr wisst, habe ich als Grenadier der Schweizer Armee gedient. Ich kenne mich aus mit Geheimoperationen, bei denen man nicht auffliegen darf. Ich bin erfahren in allen möglichen Missionen und bin mir sicher, dass uns niemand erwischen wird. Männer: Wir ziehen das durch – gemeinsam! Seid ihr dabei?«

      Die beiden waren wie elektrisiert. »Natürlich, Chef! Wir sind ein Team, und wir werden dich unterstützen!«

      Mit ihrem Treueschwur waren die Weichen für unsere kriminelle Karriere gelegt.

      Unser erstes Opfer nahm ich mit Arian ins Visier. Hilfe von Andreas benötigten wir nicht, schließlich mussten wir nur einen einzelnen Mann überwältigen und ausrauben.

      Es war dunkel, daher bemerkte niemand, dass wir schwarz vermummt, in Sturmhauben und schwarzen Handschuhen ins Haus schlichen. Kurz darauf standen wir im obersten Stock vor der Tür der Penthouse-Wohnung des Unternehmers. Gleich würde es losgehen. Mein Herz pochte schneller. Ich drückte den Klingelknopf. In der Hand hielt ich einen Elektroschocker. Es musste schnell gehen, die Nachbarn durften auf keinen Fall Geschrei hören.

      Wir horchten. Da – Schritte. Die Klinke wurde gedrückt und die Tür öffnete sich: Zack, da hatte der Mann meinen Elektroschocker an der Brust. Zu seinem Pech


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