Knallhart durchgezogen. Rudolf Szabo
auf den Rücken. Angst in seinen Augen. Er war noch bei Bewusstsein! Ich warf meinen wuchtigen Körper auf ihn, er hatte keine Chance. Trotzdem wehrte der Typ sich und meine geballte Faust landete in seinem Gesicht. Ich drückte meine Knie auf seinen Oberkörper, jetzt konnte er sich nicht mehr wehren. Wieder fing er meine Faust.
»Sag mir den Code vom Tresor!«
»Nein!«
Ich schlug noch mal zu. Seine Lippe platzte auf und er schrie.
»Sag mir sofort den Code!« Noch ein Schlag.
Endlich wimmerte er mir die Zahlenkombination zu, kaum noch bei Sinnen. Ich nahm seine Autoschlüssel. Den Code für seine Bankkarte wollte er mir nicht geben. Pech für ihn. Ich boxte ihm eine nach der anderen ins Gesicht, es fühlte sich unglaublich befreiend an. Sein Wimmern wurde schwächer. Ich schlug mich in Rage, in einen regelrechten Blutrausch. Wieder. Und wieder. Und wieder. Mit einem Schlag brach ich dem Bewusstlosen den Kiefer, mit weiteren schlug ich ihm mehrere Zähne aus. Ich malträtierte sein Gesicht, bis keine Stelle mehr frei von Blut war. Ich prügelte meinen ganzen Frust und meine Wut über meine zerbrochene Ehe, mein Scheitern als Geschäftsmann, den Verlust meiner Kinder heraus. Er wurde zum Sündenbock für mein Versagen. Ich prügelte ihn krankenhausreif, um mich selbst besser zu fühlen. Eine abscheuliche Tat, für die ich mich heute schäme.
Als ich mit meinem Opfer fertig war, fesselte ich ihm die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken. Den Mund klebte ich ihm mit dickem Betonklebeband zu, das ich von der Arbeit mitgenommen hatte. Dann brachte ich ihn in die stabile Seitenlage, wie ich es in meiner Sanitäterausbildung gelernt hatte, damit er nicht erstickte. Trotzdem hätte ich den Mann umbringen können, die Notfallärztin gab zu Protokoll: »Der Täter hat in Kauf genommen, dass das Opfer in seinem Blut hätte ersticken können.«
Nachdem der Unternehmer ruhiggestellt war, suchten wir den Tresor. Ich war schließlich nicht hier, um den Lover meiner Ex zu verkloppen, das war eher ein angenehmer Nebeneffekt. Wir wollten die Kohle. Und zwar schnell.
Es war nicht schwer, den Tresor zu finden. Wir gaben den Code ein, öffneten die Stahlklappe und erstarrten: Nur ein paar Kröten! Das durfte doch nicht wahr sein! Wir hatten einen angeblich reichen Geschäftsmann überfallen, um mit ein paar Hundert Franken nach Hause zu gehen!? Gut, dass wir noch die Schlüssel zu seinem schicken Audi Quattro Turbo hatten!
Außerdem stellten wir die ganze Wohnung auf den Kopf und suchten nach Wertgegenständen. Ohne Erfolg. Schließlich hauten wir ab. Mein Mitarbeiter setzte sich in meinen Firmenwagen, ich nahm den Audi des Opfers.
Als ich den Schlüssel umdrehte und losfuhr, wurde mir schlagartig bewusst, was für eine bescheuerte Idee das war. Sollte ich die Karre etwa verkaufen? An wen? Ohne Papiere hätte ich die Edelkarosse nach Osteuropa schaffen müssen, um einen Käufer zu finden.
Ohne einen Plan fuhr ich durch die Gegend, während Arian mir folgte. Irgendwie war es auch nett, zu wissen, dass ich dem Lover meiner Ex die Karre gestohlen hatte und nun damit herumfuhr. Überlegenheitsgefühle durchströmten mich. Irgendetwas musste ich mit dem Auto anstellen. Etwas Spektakuläres. Etwas Brachiales. Etwas, mit dem ich mir meine Männlichkeit und Souveränität beweisen konnte.
Da kam es mir: Feuer! Ich fuhr zu einer Tankstelle und zapfte einige Liter Benzin, allerdings nicht in den Tank, sondern auf den Rücksitz. Nachdem ich mich mit Arian abgesprochen hatte, fuhr ich hoch ins Appenzeller Land, wo es viele Schluchten gibt. Es stank fürchterlich nach Sprit, und ich hielt meine Nase aus dem Fenster. Eine der Schluchten schien als Kulisse besonders passend. Ich hielt an, stieg aus, und schaute in den gähnenden Abgrund. Perfekt!
Ich zückte die Streichhölzer, zündete eines an und warf es mit gehörigem Abstand in den Wagen. Bumm! Die Flammen schlugen aus den Fenstern. Ich gab der Karre einen Schubs, und schon ging es auf die letzte Reise. Ein leuchtender Feuerball stürzte den Berg herab und schlug unter lautem Knallen an das Felsgestein des Berges, bis er schließlich nach wunderbar langen Sekunden unten auf dem Boden aufprallte, wo er lichterloh weiterbrannte.
Was für eine Genugtuung! Es fühlte sich an, als hätte ich all meinen Schmerz, meine Demütigung und Probleme im Appenzeller Gestein zertrümmert und in die Luft gejagt.
So ist das mit der Gewalt. Sie ist trügerisch, gibt das Gefühl von Macht und Überlegenheit. In Wahrheit ist sie ein Zeichen von größtmöglicher Schwäche und Kontrollverlust, also das genaue Gegenteil.
Ich war in dieser Situation vollkommen empathielos. Mit Gewalt versuchte ich, meine Minderwertigkeitsprobleme zu bekämpfen, so wie viele Verbrecher. Ich hatte zwar ein hohes Gerechtigkeitsempfinden, wenn es um mich ging, aber in Bezug auf andere fällte ich äußerst harte Urteile.
Es sollte noch lange dauern, bis ich erkannte, welchen Irrweg ich eingeschlagen hatte. Jetzt blickte ich einfach voller Zufriedenheit und Glücksgefühle in den Abgrund und sah zu, wie das Auto ausbrannte.
Letztlich war diese Aktion gescheitert. Ich hatte meine Wut abreagieren können, aber die paar Hundert Franken würden nicht mal für einen Bruchteil der Alimentenzahlung reichen. Mein finanzielles Problem hatte ich kein bisschen gelöst. Es musste mehr Geld her. Viel mehr.
Ich brauchte eine andere Geldquelle. Eine bessere. Und ich wusste auch schon, welche.
Bei dem Gedanken daran lief es mir kalt den Rücken hinunter, denn ich fürchtete die Sicherheitsvorkehrungen. Doch nun war ein Schalter in mir umgelegt, ich war ein Krimineller. Und ich sah keine andere Möglichkeit, als mir die dringend benötigten Moneten dort gewaltsam zu besorgen, wo man die Geldscheine bündelweise einsacken kann: in einer Bank.
2 – HEIMAT
Österreich, 1961
Ich bin nackt. Mir ist kalt. Ich habe keine Windel an. Der Steinboden des Kellerraums, in den mich die Pflegetante gesteckt hat, ist von meinem Urin getränkt. Niemand kümmert sich um mich. Ich bin einsam.
Ich höre Schritte, lautes Schimpfen. Eine Männerstimme. Wer ist das? Die Tür geht auf, ein Mann stürmt herein und ruft entsetzt: »Ruedi, was haben sie mit dir gemacht?«
Papa hebt mich hoch und drückt mich an sich. Mit mir auf dem Arm eilt er die Treppe hoch und schimpft: »Und für so einen Scheiß bekommt ihr auch noch Geld! Schämt euch!« Mein Vater ist stinksauer auf die beiden Frauen, die auf mich aufpassen sollten.
Ein Jahr war mein Vater weg gewesen. Nun war er wieder da und er bereute sofort, dass er meine überforderte Mama mit mir allein gelassen hatte. Sie konnte sich ab meinem zehnten Lebensmonat tagsüber nicht mehr um mich kümmern, weil sie arbeiten musste. Also war ich bei den Pflegetanten untergekommen, die dafür bezahlt wurden, dass sie mich versorgten, doch das taten sie nur schlecht.
Später notierte ein Kinderpsychologe in einem Bericht: »Affektive Frühverwahrlosung«. Vom zehnten bis zum sechzehnten Lebensmonat war ich »in ungünstiger Privatpflege mit vier Kleinkindern« untergebracht. Jahrzehntelang tat ich diese Strapazen als etwas ungünstige Betreuungssituation ab. Erst mit den Recherchen für dieses Buch wurde mir bewusst, wie stark mich meine turbulenten ersten Lebensjahre geprägt haben. Bis dahin hatte ich vermutet, dass ich aus einem anderen Grund in die Kriminalität abgerutscht war: die Gewalt durch die Hand meines Vaters und Großvaters. Wer geprügelt wird, der holt selbst irgendwann zum Schlag aus, so dachte ich. Die Spirale der Gewalt.
Und tatsächlich ist da etwas dran, aber heute weiß man sehr viel darüber, wie stark die ersten Lebensjahre die Entwicklung eines Menschen beeinflussen, wenn nicht sogar ein Stück weit vorzeichnen. Dennoch will ich einen Eindruck gleich zu Anfang zerstreuen: Ich sehe mich nicht als Opfer der Umstände, das gar nicht anders konnte, als Banken und Geschäfte zu überfallen. Wer eine schwierige Kindheit hatte, gerät nicht automatisch auf die schiefe Bahn. Ich bin zutiefst davon