Glückliches Ende. Isaac Rosa

Glückliches Ende - Isaac Rosa


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deine Sorgen mit Germán, Ideen für den nächsten Geburtstag. Als Drittes folgte ein schneller Gesundheitscheck, meine Zähne, dein Ekzem, bei dem Tempo würde uns schon auf dem ersten Kilometer der Gesprächsstoff ausgehen. Ich schlug vor, über das Haus auf dem Land zu reden, den eigentlichen Grund für diesen Spaziergang, irgendwann mussten wir das mit dem Umbau entscheiden und Termine planen, jeder von uns hatte sich die Sache durchgerechnet, bei mir ging die Kalkulation auf, bei dir nicht. Aber du sagtest, wir sollten das lieber ein andermal machen, du wolltest an unserem Hochzeitstag keinen Streit riskieren, und außerdem fändest du es absurd, Luftschlösser zu bauen, während wir an den obszön teuren Häusern in der Siedlung meiner Mutter vorbeischlenderten, die Leute, die diese Häuser gebaut hatten, müssten nie über Kostenvoranschläge verhandeln und in Industriegebieten Restposten kaufen, du wurdest den Gedanken nicht los, sie könnten uns mit ihren Sicherheitskameras sehen und hören und sich über unseren so bescheidenen wie aufreibenden Traum vom Landleben lustig machen. Ein paar Minuten lang herrschte zwischen uns ein unangenehmes, schlimmer noch, ein leeres Schweigen, und da war wenig, womit man es hätte füllen können, aber als wir die Siedlung verließen, beschloss ich, dem Gespräch eine Wendung zum Wesentlichen zu geben und dabei klammheimlich das Hausthema wieder einzuführen. Also stellte ich dir eine Frage, die in meinen eigenen Ohren hochtrabend klang und eher nach dir, wie eine schlechte Kopie dieser Filme, die du so magst und in denen ein Paar anderthalb Stunden lang herumläuft und die ganze Zeit nur redet, in Paris oder Manhattan oder auf einer wunderschönen griechischen Insel, nicht auf so einem Kartoffelacker wie wir. Sie laufen herum und reden und ziehen Bilanz und rechnen ab und bringen tolle Sprüche und tiefschürfende Fragen, die den Zuschauer bewegen, die uns jedoch, wenn sie auf unserer Seite der Leinwand ausgesprochen werden, stets aufgesetzt vorkommen. Wie stellst du dir die Zukunft vor? Das war meine Frage, später erweitert zu: Wie, glaubst du, ist dein Leben in fünfzehn oder zwanzig Jahren? Mein Leben in zwanzig Jahren?, hast du gelächelt, da ist nur eins sicher, nämlich dass ich nicht in einem von diesen Schuppen wohnen werde, und dabei hast du in Richtung der Häuser gezeigt, die wir inzwischen hinter uns gelassen hatten. Dann versuchtest du, dich mit Scherzen aus der Affäre zu ziehen, mit der Story vom Mann, der altert wie guter Wein, der interessante reife Herr mit unverminderter Potenz, platonische Liebe der Freundinnen seiner Töchter, aber mir war es ernst, und so fiel ich dir ins Wort: Hör auf, den Clown zu spielen, verdammt, ich würde jetzt gern ein ernsthaftes Gespräch führen, ich will nicht wissen, ob du glaubst, dass wir in zwanzig Jahren noch zusammen sind, ich spreche von dir, wo würdest du dann stehen, wo siehst du dich dann? Dir war bei der Frage offenbar nicht wohl, und so gabst du mir eine improvisierte Antwort, in der es um alles andere ging, nur nicht um dich: den unsicheren Arbeitsmarkt, den Zusammenbruch des Rentensystems, die neuesten medizinischen Entwicklungen, die nur Leute mit Geld sich leisten können, die kleinen, durch und durch klischeehaften Freuden des Lebens, die wir erst in den späten Jahren schätzen lernen, die Genugtuung des Vaters, der sieht, wie seine Töchter ihren eigenen Weg im Leben finden, das Alter, das uns weiser werden lässt, das unerlässliche Herunterschrauben der Erwartungen, den schützenden Zynismus, du kamst mir sogar mit diesem Stuss von wegen mit zwanzig ein heißes Herz und mit fünfzig einen kühlen Kopf oder so. So unangenehm war dir die Frage, dass du sie mir noch nicht mal zurückgabst, du hast einfach das Thema gewechselt, wir könnten doch umkehren, ins Auto steigen und irgendwo etwas trinken, und das war’s dann mit meinem Versuch, mit dir ins Gespräch zu kommen. Wenn du mich dasselbe gefragt hättest, hätte ich dir erzählt, wie ich mir mich und uns in der Zukunft vorstellte, denn mich beschäftigte das schon: wie mein Leben, wie unser Leben sein würde in fünfzehn oder zwanzig Jahren. Ich hätte dir von einer Zukunft erzählt, in der sich Willen und Wunsch ausdrückten, aber in einem durchaus realistischen Rahmen. In dieser Version der Zukunft sind wir zusammen, ja: Da werden wir zusammen alt. Um eine von den odysseeischen Metaphern zu verwenden, die mir bekanntlich so gut gefallen: Wir haben die Reise durchgestanden, haben Stürme überlebt, Schiffbruch, Verluste und Sirenengesänge, sogar die Müdigkeit haben wir überlebt und sind nicht am Ufer ertrunken. Wir haben festen Boden erreicht. Wir haben unser Haus, einen Platz nur für uns, von dem uns niemand mehr vertreiben kann und wo wir wie Robinson überleben würden, sollte dort draußen alles schieflaufen. Wir lieben uns, sicherlich nicht leidenschaftlich, aber wir lieben uns, nicht voller Begehren, aber wir lieben uns, jeder könnte ohne den anderen leben, aber wir lieben uns, wir haben akzeptiert, dass diese ruhige Art des Liebens weder Schwund noch Scheitern ist, sondern im Gegenteil ein Triumph. Wir sind zusammen, nicht aufgrund irgendeiner schicksalhaften Bestimmung oder als untrennbare bessere Hälften, nicht einmal aufgrund von wirtschaftlichen Zwängen, sondern weil wir beschlossen haben, zusammenzubleiben. Wir haben gelernt zu genießen, was uns verbindet, in erster Linie unsere Töchter. Wir haben ebenfalls gelernt, dass jeder Raum und Zeit für sich braucht, haben dabei die Bereiche des Gemeinsamen ausgehandelt, mit so viel Respekt füreinander, dass wir das gemeinsame Territorium in gegenseitigem Einverständnis erweitert haben. Wir verlangen voneinander weder Exklusivität noch eine Treue, die Frust verursacht, und eben durch diese Freiheit schwindet unser Interesse an der Außenwelt, denn wir haben sogar unser Begehren wiedergefunden, es an unsere jeweiligen Bedürfnisse angepasst und letztlich aufeinander abgestimmt. Wir gehen spazieren. Wir gehen viel spazieren, jeden Abend auf dem Hügel nicht weit von unserem Haus. Inzwischen kennen wir sogar die Namen der Bäume. Wir kümmern uns beide um den Gemüsegarten, mach dich gerne darüber lustig, aber in meiner Fantasie vom Leben gibt es auch einen Gemüsegarten, mehr zur Eigenversorgung denn als spirituelle Tätigkeit. Wir sind zusammen. Wir wissen, dass wir füreinander da sein werden, wenn uns irgendwann die Krankheit trifft, die Depression, der geistige Abbau, die körperliche Lähmung, die Inkontinenz und das gnadenlose Vergessen von Gesichtern und Namen. Wir sind unser eigener Wohlfahrtsstaat. Wir sind in Sicherheit. Wir sind zu Hause, so wie beim Fangenspielen in der Kindheit, als man »Zu Hause« rufen und sich auf einen erhöhten Punkt stellen musste, wo man dann außer Gefahr war und beschützt wie unter einer ehernen Glocke. Zu Hause.

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