Wünsch dich ins Märchen-Wunderland. Martina Meier
dir, liebe Raupe. Ich danke euch allen, dass ihr mich befreit habt und ich nicht auf immer hier schmoren muss.“
Der Anführer verbeugte sich und brummelte in ihrem Kopf: „Danke dir selbst, denn es lag zu jeder Zeit allein in deinen Händen, kleine Elfe. So geh hinaus, du wirst den Weg nach Hause finden.“ Und ehe sich Nurofelia versah, krochen all die kleinen Tierchen zurück unter das Blätterlaub.
Schnell kletterte Nurofelia aus der Baumhöhle. Mit Minicorn im Arm wollte sie den Weg zurückwandern, den sie gekommen war, doch plötzlich fing die Luft an, zu schwirren und zu sirren, als Tausende und Abertausende schillernde und glitzernde Schmetterlinge auf sie zuflogen. Bevor sie wusste, wie ihr geschah, wurde die kleine Elfe sanft in die Lüfte gehoben. Sie drückte Minicorn fest an sich, während sie immer höher schwebte, bis hinauf in die Wolken, und die Schmetterlinge immer noch mehr wurden, sodass sich das Sonnenlicht verdunkelte und ihre Flügel die Luft zu einem Wirbel peitschten. Immer wilder ging es zu, bis die kleine Elfe endlich vor dem geschlossenen Moosgatter landete.
Die Elfenmutter erschien und öffnete das Gatter. Nurofelia konnte nicht anders, als sich in die vertraute Umarmung ihrer Mutter zu kuscheln.
„Nun, mein liebes Kind, wie ich sehe, bist du als Raupe gegangen und kommst als Schmetterling zurück. Ist es so?“
Nurofelia lächelte. „Ja, liebe Mutter, so ist es.“ Minicorn, eingeklemmt zwischen Mutter und Tochter, schien zu nicken.
Und wenn die Zeiten sich nicht geändert haben, so werden noch viele kleine Elfen – manchmal auch ein paar kleine Elfenjungen – das Raupenschmetterlingsland besuchen.
Kerstin Gramelsberger, 1971 in München geboren, lebt und arbeitet in einem Münchener Vorort. Die gelernte Industriekauffrau ist verheiratet und Mutter zweier Töchter. Sie schreibt mit Begeisterung Gedichte und Kurzgeschichten und ist in zahlreichen Anthologien vertreten. Mehr dazu unter www.kerstin-gramelsberger.de
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Die Elfen und der Zwerg Malon
Vor langer Zeit war an der Stelle, wo wir jetzt stehen, ein dichter, dunkler Wald. Dort lebten viele unsichtbare Wesen, von denen die Menschen auf dem Land meist nichts gewusst haben. Auch das Elfenmädchen Amena lebte einst in diesem Wald. Sie hatte eine kleine Stupsnase, große, kugelrunde Augen und einen süßen Schmollmund.
Als sie sich eines Tages auf einen Stein neben dem See gesetzt hatte, betrachtete sie sich neugierig im Wasserspiegel. Sie war ein bisschen eitel. Ihre zarten Flügel waren wie feine Gespinste, die in allen Farben des Regenbogens leuchteten. Tautropfen blieben daran hängen und spiegelten sich in der Sonne.
In der Mitte des Waldes, wo es dichtes Gestrüpp und Flechten gab, wohnte der Zwerg Malon. Er war ein böser und giftiger kleiner Mann. Mit jedem im Wald war er zerstritten und er suchte auch überall Streit. Keiner wollte mit ihm etwas zu tun haben.
An jenem Morgen wollte er hinter seiner Hütte Holz hacken. Er packte die große Axt und stapfte um die Hütte herum zu dem großen Holzstoß. Wie immer war er übelster Laune, er schimpfte vor sich hin und hackte dabei die Holzscheite wütend auseinander. Als eines der Scheite an der Axt hängen blieb, ärgerte er sich darüber derart, dass er mit Gewalt an der Axt zu zerren begann. Dabei rutschte er ab und die Axt fuhr ihm tief ins Bein. Ein lauter, gellender Schrei tönte durch den Wald. Für einen Augenblick waren alle Tiere still. Sogar der Wind hörte kurz auf zu wehen.
Diesen Schrei hörte auch die kleine Elfe, die erschrocken von ihrem Platz hochfuhr und angestrengt in den Wald hineinhorchte. Was war bloß passiert? Vorsichtig flog sie in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war. Als sie bei der Hütte des Zwergs angekommen war, konnte sie anfangs jedoch nichts bemerken.
Aber dann hörte sie ein fürchterliches Stöhnen und fand den verletzten Zwerg hinter der Hütte am Boden liegen. Die Axt steckte noch immer in seinem Bein.
Als er Amena sah, zischte er sie böse an: „Was glotzt du so blöd, hilf mir gefälligst!“
Amena war allerdings viel zu zart, um die Axt aus dem Bein ziehen zu können. Nachdem sie sich von ihrem ersten Schreck erholt hatte, überlegte sie kurz, bevor sie begann, ein Lied zu singen. Die Melodie flog in die Luft, schwebte durch den Wald, über die Wiesen und Felder und alle Elfen hörten sie. In kurzer Zeit kamen viele von ihnen herbei und die stärksten zogen gemeinsam die Axt aus dem Bein des Zwergs Malon. Auch der Elfenkönig war gekommen. Er hatte eine Wundsalbe mitgebracht, die auf das verletzte Bein aufgetragen wurde. Dann halfen alle dabei, den Zwerg in die Hütte zu tragen. Eine der Elfen kochte ihm eine Suppe. Diese trank Malon mit Widerwillen, bevor er in einen tiefen, langen Schlaf fiel. Er hatte sich mit keinem Wort für die Hilfe bedankt.
Als er nach langer Zeit wieder erwachte, wusste er nicht, wo er war. Doch dann fiel ihm der Unfall mit der Axt wieder ein. Er betrachtete seine Beine, aber da war nichts zu erkennen. Sie waren völlig gesund. Er erhob sich und sah sich in der Hütte um. Alles war aufgeräumt und sauber. Jetzt kratzte er sich grübelnd den Bart. Hm, irgendwas war nicht so wie immer.
Als er vor die Tür trat, saßen alle Elfen um die Hütte herum und freuten sich, dass der Zwerg wieder gesundet war. Als er die Freude in den Gesichtern der Elfen sah, schämte er sich, dass er immer so böse gewesen war. Zum ersten Mal in seinem Leben sagte er laut „Danke“ und es tat ihm überhaupt nicht weh.
Gabriele Grausgruber, geboren 1957, verheiratet, wohnhaft in Gurten/Oberösterreich, Schriftstellerin. Kinderbücher, Auszeichnungen für Kinderbücher beim internationalen Kinder- und Jugendbuchwettbewerb Schwanenstadt 2012 und 2013, Gedichte und Kurzgeschichten in Hochdeutsch wie auch in Mundart. Lesungen sowie Veröffentlichungen in diversen Anthologien und Printmedien.
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Hannibal – der Marienkäfer
An der kleinen Laube im hinteren Teil des großen Gartens war das Holz verwittert und die blaue Farbe schon ziemlich abgeblättert. Alles sah ziemlich trostlos aus, so als ob sich schon lange Zeit niemand mehr um diese windschiefe Hütte gekümmert hätte. Die alte Tür mit der kleinen, blinden Glasscheibe stand etwas offen, Löwenzahn wuchs in der Türschwelle, ein paar dünne Zweige eines mageren Strauches streckten sich durch den Türspalt dem Licht entgegen.
Die weißen Fensterrahmen hatten auch nur noch wenig Farbe dran. Sie waren im Laufe der Jahre durch die Feuchtigkeit immer wieder aufgequollen und dann durch die Sonne eingetrocknet. Dadurch waren zwischen den Scheiben und den Rahmen offene Zwischenräume entstanden. Diese Zwischenräume nutzten viele kleine Tiere, Insekten und Käfer, als Unterschlupf. Einer davon war der kleine Hannibal, ein Marienkäfer. Er und viele andere seiner Art überwinterten gemeinsam in dem Fensterrahmen. Wie eine dicke Wollwurst sah ihr Winterquartier aus. So hielten sie sich gemeinsam einigermaßen warm, um im Frühjahr wieder in die Sonne hinauszufliegen.
Es war Mai und die Käfer lösten sich aus ihren Umarmungen, breiteten ihre kleinen Flügel aus und segelten in den blauen Sonnenhimmel hinein. Bei den Sträuchern, die um die Hütte herum wuchsen, landeten sie auf den frischen grünen Blättern und schauten sich ihre Umgebung an. Sie mussten sich zuerst orientieren, ob alles noch so war wie im letzten Sommer.
Der kleine Hannibal war ein Marienkäfer mit sieben schwarzen Punkten auf den tomatenroten Flügeln. Er fühlte sich mit den ersten warmen Sonnenstrahlen groß und stark und war voller Neugier, was die nächste Zeit ihm bringen würde. Er sah sich um. Seine ganze Käferfamilie schwärmte nun aus, alle brauchten sie die Wärme der Sonne, um wieder richtig beweglich zu werden.
Hannibal dehnte und streckte sich, seine Flügelchen flatterten kraftvoll und es dauerte nicht lange, bis er wie alle anderen hoch in die Luft und der Sonne entgegenschwirrte. Sie flogen im Schwarm über die Gartenkolonie, über einen kleinen See und landeten dann alle, es waren viele Tausend, in einem Bauerngarten am Rande eines Dorfes.
Hannibal saß auf dem dicken grünen Blatt eines hohen Strauches, schaute sich um, putzte mit seinen kleinen Füßchen seine roten