Wünsch dich ins Märchen-Wunderland. Martina Meier
Vogel und einer Katze in Annabelles Lieblingsfarbe.
„Guten Tag, die Dame, der Herr. Ich heiße Sie im Land der Farbe Lila aufs Herzlichste willkommen.“
„Der ist aber freundlich, Richard. Das sind wir nicht gewohnt.“
„Stimmt, Annabelle“, pflichtete der Angesprochene traurig bei.
Neugierig fragte das Tier: „Aber Sie sind doch sehr nette und liebe Menschen, die es nicht verdient haben, schlecht behandelt zu werden.“
„Erklären Sie das mal denen, die uns nahestehen, vor allem unseren Kindern“, meinte Richard.
„Das würde ich gerne tun. Das Problem ist allerdings, dass dies Ihr Traum ist, deshalb kann ich Ihnen dabei leider nicht behilflich sein. Das müssen Sie beide schon selbst erledigen.“
„Trotzdem danke für den Rat“, meinte Annabelle. „Wir müssen mutiger werden und dürfen nicht alles hinunterschlucken. Denn sonst staut es sich an.“
„Nehmen Sie sich das zu Herzen. Es wird Ihnen, wenn Sie aus diesem Traum erwachen, besser gehen als je zuvor. Sicherlich, die Zipperlein des Alters werden bleiben. Dennoch werden Sie wesentlich glücklicher und zufriedener sein“, prophezeite das Tier dem Ehepaar und verschwand.
Da sagte Annabelle: „Richard, das Tier hat uns ein Geschenk dagelassen. Eine Kugel aus purem Gold. Meinst du, wir dürfen sie behalten?“
„Gewiss dürft ihr das“, sagte plötzlich jemand. „Bedenkt aber, es ist ein Traum. Haltet die Kugel fest, dann bleibt sie euch erhalten, wenn ihr erwacht, und ihr werdet glücklicher durchs Leben gehen als zuvor.“
„Sollen wir das glauben?“
„Gewiss, Annabelle. Hier sagen alle die Wahrheit, hast du das noch nicht gemerkt?“
„Doch. Es ist ungewöhnlich und etwas unheimlich. Dennoch finde ich es sehr schön, hier zu sein. Hier sind wir jung, können all das tun, was sonst nicht möglich ist.“
„Du hast recht, Annabelle. Aber irgendwie vermisse ich unser Zuhause. Mal ganz abgesehen vom Park und der Umgebung.“
„Ja, ich auch. Trotzdem möchte ich diese Unbeschwertheit noch etwas genießen.“
„Es sei dir gestattet, Annabelle. Aber nicht jeden Tag.“
„Oh, Richard. Du weißt, wenn wir träumen, dass wir dies stets gemeinsam tun.“
So ging die Diskussion weiter. Bis, ja, bis jemand ganz sanft an ihren Schultern rüttelte. Es war ein Enkel. Verblüfft schloss Annabelle das Kind in ihre Arme und wollte es am liebsten gar nicht mehr loslassen.
Kurze Zeit später kam die Mutter des Kindes wütend herbeigelaufen und wollte schimpfen. Doch Annabelle hielt sie davon ab.
„Aber, Oma“, sagte das Enkelkind, „was hast du mit Mama angestellt? Die ist so ruhig!“
„Oh, Kleines, das verrate ich dir später.“
Überrascht sah das Kind seine Großmutter an. Annabelle strich ihm übers Haar. Liebe lag in der Luft. Jeder spürte dies.
Langsam und glücklich liefen die vier nach Hause.
Annabelle und Richard hatten aus ihrem Traum gelernt, dass sie nicht alleine waren und niemals sein würden. Vor allem hatte Annabelle die Erkenntnis gewonnen, an sich zu glauben, den Mut niemals zu verlieren und das Leben so zu nehmen, wie es war. Ohne zu jammern oder zu meckern.
Seither träumen sich Richard und Annabelle immer seltener in ihr lila Land. Und wenn das Ehepaar heute noch lebt, dann hoffentlich glücklich und zufrieden.
Alexandra Dietz ist 1977 geboren und lebt seit kurzer Zeit in Pforzheim. Ihre ersten Gehversuche als Autorin machte sie mit Tierfabeln und Kindergeschichten. Seit 2014 ist sie Mitglied des Autorenvereins Goldstadt Autoren e.V.. Seit 2013 veröffentlicht sie in mehreren Anthologien des Papierfresserchen MTM-Verlags ihre Geschichten.
*
Der Mond braucht Hilfe
Es war einmal ein Mädchen, das in jeder Vollmondnacht von Albträumen geplagt wurde. Und so hatte es vor einigen Monaten beschlossen, in den Vollmondnächten nicht mehr zu schlafen. Stattdessen saß es die ganze Nacht am Fenster und sah mit bösem Blick zum Mond hinauf. Bis zu jener Nacht, in der sich eine schwarze Eule auf dem Baum vor seinem Zimmer niederließ.
„Du weigerst dich zu schlafen. Das gefällt mir nicht“, verkündete die Eule.
„Ich habe in den Vollmondnächten immer Albträume“, erklärte das Mädchen.
„Wenn ich dir helfe, sie zu vertreiben, gibst du mir dann dein Wort, dass du wieder schläfst?“
„Was muss ich dafür tun, dass du mir hilfst?“, fragte das Mädchen.
„Du musst nur schlafen. Den Rest überlasse mir“, meinte die Eule. Doch das Mädchen blieb skeptisch. „Ich verspreche dir, das ist kein Trick. Der Mond braucht deine Hilfe.“
„Der Mond?“, wiederholte das Mädchen überrascht.
„Jawohl, der Mond. Und wenn du ihm hilfst, wird dir das zugutekommen. Denn er bat mich, dir deine Albträume zu nehmen.“
„Warum?“, wollte das Mädchen wissen.
„Das will ich dir beim nächsten Vollmond verraten. Doch ich komme nur, wenn du dich nun schlafen legst.“
„Dann will ich das tun“, sagte das Mädchen und legte sich ins Bett.
„Nun, das war mein erster Besuch. Zweimal noch will ich kommen, zweimal noch musst du schlafen bei Vollmond. Dann bist du von den Albträumen befreit“, sagte die Eule, ehe das Mädchen die Augen schloss und einschlief.
Als das Mädchen am nächsten Morgen erwachte, erinnerte es sich, wie der Mond es zugedeckt und ihm einen Kuss auf die Stirn gegeben hatte. Danach war er durch das Fenster hinausgeschwebt und auf seinen Platz am Himmelszelt zurückgekehrt.
Beim nächsten Vollmond wartete die Kleine ungeduldig, dass die Eule wiederkam, denn sie konnte es kaum erwarten, dass sie ihre Frage aus der ersten Vollmondnacht beantwortete.
Und so erklärte die Eule schließlich: „Der Mond hat zwei Aufgaben, er beschenkt die Menschen nachts mit Träumen und muss hell am Himmel leuchten. Doch in der Vollmondnacht braucht er fast seine ganze Kraft, um hell zu leuchten. Da er den Menschen aber trotzdem schöne Träume schicken möchte, will er sich die Träume anderer Leute leihen und weitergeben. Doch immer mehr Menschen weigern sich, in der Vollmondnacht zu schlafen. Und da er nicht genug Kraft hat, eigene Träume zu schicken, kommt es zu immer mehr Albträumen. Wenn der Mond und ich es allerdings schaffen, das zu ändern, und wieder mehr Menschen in der Vollmondnacht schlafen, dann wird keiner mehr Albträume haben. Doch dafür brauchen wir eure Mithilfe.“
Das Mädchen nickte eifrig und versprach: „Ich werde nun in jeder Vollmondnacht schlafen. Aber verrätst du mir auch, wie du es schaffst, die Albträume zu vertreiben?“
„Das verrate ich dir in deiner dritten Vollmondnacht. Denn einmal noch will ich kommen, einmal noch musst du schlafen bei Vollmond. Dann bist du von den Albträumen befreit.“
Das Mädchen legte sich schlafen. In dieser Nacht tanzte es im Mondschein auf der Wiese und mit ihm die Tiere des Waldes.
In der dritten Vollmondnacht setzte sich die Eule wieder auf den Baum vor dem Fenster. Die Eule verlangte von dem Mädchen, sich ins Bett zu legen. Und wie die Kleine da so im Bett lag, fiel ihr der helle Mondschein direkt ins Gesicht.
„Meine Flügel sind aus Mondstaub. Und sobald der Mondschein dort auftrifft, übertragen sie die Kraft des Mondes auf alles, was die Flügel vor dem Mond bedeckt.“ Die Eule breitete prompt ihre Flügel aus und schirmte den hellen Mondschein von dem Mädchen ab. Das Zimmer lag im Dunkeln,