Krisenkommando. Will Berthold

Krisenkommando - Will Berthold


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gerade James Bonds oder Jerry Cottons, aber doch wetterfeste Burschen, deren Lebenserwartung verdammt kurz war, falls sie nicht höllisch aufpaßten. Sonst lautete ein ehernes Gesetz: Trau keiner Frau.

      Schließlich hing ja auch der Minuspunkt meiner Beurteilung nicht von ungefähr an.

      »Bei diesem Fall ist eben alles ganz anders«, beantwortete der Vize – er könnte in jedem Zirkus als Gedankenleser auftreten – meine stumme Frage. »Sie werden sich auf’s Hochseil schwingen, ohne Fangnetz, ob Sie sich nun dieses Schafsfell Grenzlein überstreifen wie eine zweite Haut oder nicht. Vielleicht gelingt es Ihnen dann unten an der Seeräuberküste den Laurence von Arabien zu spielen.« Der General war jetzt für seine Verhältnisse ziemlich ernst und mitfühlend. »Aber die geringste Panne liefert Sie ans Messer. Wenn die Sache schiefläuft, ist eine stille Gedenkminute das einzige, was die Organisation noch für Sie tun kann.«

      Diana wirkte angespannt. Über die rechte Hälfte ihres Gesichts war wieder der blonde Vorhang gefallen. Sie lehnte sich bequem zurück, die Beine übereinandergeschlagen. Unter der blaugrünen Seide hob sich ein wohlgerundetes Knie ab. Nicht eine Spur eckig, und das war wichtig, denn knochige Typen kann ich nicht ausstehen.

      Ich haderte nicht mehr mit Diana und war eigentlich ganz zufrieden, daß sich mein neuer Einsatz zunächst einmal von der schönsten Seite präsentierte. Und schließlich mußten wir – sogar der Vize – aus Sicherheitsgründen laufend gecheckt werden wie Piloten, die zweimal jährlich in den Flug-Simulator gehen. Bei uns freilich stand oft mehr auf dem Spiel als der Absturz eines womöglich vollbesetzten Jet-Riesen.

      »Sie fangen sofort an mit dem Unterricht«, befahl der General. »Diana wohnt neben Ihnen in diesem Fuchsbau. Es ist natürlich klar, daß Sie sich außerhalb unseres Hauptquartiers nicht kennen. Es tut mir leid, Herrschaften, aber ich muß Euch um größte Mühe und Konzentration bitten.« Er erhob sich. Auf einmal war sein Spott wieder da, schwamm wie ein Fettauge auf der Suppe. »Ferry, hier unter diesem Dach entbinde ich Sie von Ihrem Minuspunkt. Machen Sie Ihrer hübschen Partnerin ruhig schöne Augen. Von mir aus können Sie zu ihr sagen: Ich liebe Dich.« Er schärfte seine Stimme: »Aber sagen Sie es auf arabisch.«

      Er stand an der Tür, musterte uns wohlgefällig, ein tückischer Kuppler. »Noch etwas«, sagte er. »Ihre Begegnung von heute morgen ist auch Ihre Legende.«

      Legende ist die gestellte Geschichte, die ein Agent für seine eigene ausgibt. Je näher sie an der Wahrheit bleibt, desto überzeugender wirkt sie. In unserem Fall also hatte ein ehrlicher Tagedieb mit einem gelegentlichen Wolfshunger auf das schöne Geschlecht eine Gelegenheit beim blonden Schopf gefaßt und Pannenhilfe zu einem verhaltenen Liebeswerben ausgebaut. Nur das aufgeschraubte Ventil hätte natürlich wegzubleiben.

      »Noch Fragen?« sagte der Vize.

      »Einen Moment, Sir, please«, erwiderte ich.

      Ich ging rasch diesen Tag noch einmal durch, durchwühlte ihn wie Hosentaschen nach Kleingeld, es war noch etwas offen.

      Eine Unterlassung.

      Ich spürte sie verschwommen, und dann griff ich sie mir.

      »Ich wurde per Computer für diese Operation ausgewählt?«

      »Ja, das sagte ich Ihnen schon«, erwiderte der Vize leicht ungeduldig. »Nachdem einem unserer Leute eine gewisse Ähnlichkeit mit Grenzlein aufgefallen war.«

      »Bestens«, entgegnete ich. »Und wer ist der Mann?«

      Der General kam zurück, ärgerlich auf sich selber. »Gute Frage«, tadelte er sich, und dann suchte er einen Namen. Das Gedächtnis ist an der unsichtbaren Front eine Lebensfrage. Er begann die Schaltstellen seines Gehirns in Bewegung zu setzen, aber die Ganglien verweigerten ihm den Gefallen.

      Es gelang nicht auf Anhieb, er wollte sich keine Blöße geben. Einen Moment lang wirkte er wie eine Schlange, die vergeblich versucht, ein zu großes Kaninchen zu schlucken. Schließlich schaffte er es, die Beute zu verschlingen, lebend:

      »Dave«, nannte er mir den Namen eines Top-Agenten. »Sie haben schon mit ihm zusammengearbeitet.«

      »Ja«, antwortete ich, »damals in Bangla Desh.« Ich setzte hinzu: »Es gibt nur zwei Möglichkeiten, Sir: Entweder Dave so lange unter Verschluß zu halten, wie ich an diesen Fall gesetzt bin, oder ihn mir an die Hand zu geben.«

      »Entscheidungen treffe ich«, rettete sich der General in einen halbwegs geordneten Rückzug.

      Er schloß die Türe hinter sich.

      Diana und ich lächelten uns an, ziemlich unbefangen.

      »Ich hab’ dich lieb«, begann ich. »Wie sagt man so etwas auf arabisch?«

      »Am besten gar nicht«, erwiderte sie. »Fangen wir lieber bei den Grundbegriffen an. Bitte wiederholen Sie: Mumkin ähud ilfutûr sabâhan?«

      Ich versuchte es. »Und was heißt das?« mißtraute ich ihr.

      »Kann ich morgens ein Frühstück bekommen?« antwortete Diana.

      Der Tag begann mir wieder zu gefallen. Ich wünschte, daß ich diese zweisame Etappe nicht allzuschnell mit einer Front von Blut, Bluff und Dreck vertauschen müßte.

      5

      Doppelgänger war nun wirklich übertrieben, aber dieser Grenzlein hatte fraglos eine Ähnlichkeit mit mir, aus der sich etwas machen ließe, und in meiner Branche, die zum ständigen Wechsel der Identität zwingt, ist man so etwas wie ein Verkleidungs-Künstler. Auch unsere Gegenspieler selbst sehen oft ihren Fahndungsfotos längst nicht mehr ähnlich. Eine der Maschen der Terroristen ist es, Aussehen und Persönlichkeit ständig zu wechseln. Wer den ganzen Tag Theater spielt, ist wohl auch noch am Abend eine Art Freizeit-Mime, und so vermischen sich irgendwie die Konturen.

      Ich ließ mein angebliches Konterfei während des Kreuzverhörs nicht aus dem Auge. Manchmal sah ich wie in einen verstaubten Spiegel, und mitunter stellte er sich auch als Zerrspiegel heraus. Dieser Bursche war ein ziemlich harter Brokken, ein Kotzbrocken. Er wirkte auf eine verschlagene Weise intelligent. In stundenlangen Vernehmungen prallte die harte Tour von ihm ab, und auf die weiche fiel er ohnehin nicht herein.

      Der Mann war körperlich gut in Form und dialektisch geschult. Er sprach in einem modischen Soziologen-Welsch, und machte sich gleichzeitig darüber lustig, als wollte er vorführen, daß bei ihm gegen entsprechenden Eintrittspreis alle Türen offenstünden.

      Ich war heute morgen vom Fuchsbau in einem geschlossenen Wagen in das Untersuchungsgefängnis gefahren worden. Lothar Grenzlein wurde im Nebenraum durch die Mangel gedreht; auch wenn er gelegentlich schwarz-weiß redete, konnte ich ihn in Farbe sehen. Gleich viermal, denn vier versteckte Kameras hatten ein Vernehmungszimmer fast in ein TV-Studio für live-Sendungen verwandelt.

      Seine Stimmlage war etwas höher als meine, sein Blick wirkte unstet, aber das lag vermutlich an der Situation. Seinen rollenden Gang konnte man erlernen, und den halben Zentimeter Länge, der ihn von mir unterschied, durch Schuhe mit besonders flachen Absätzen ausgleichen. Ein Kilo Gewichtsunterschied macht nichts aus, wenn man nicht gerade Mannequin ist. Seine Augen waren grau-blau und meine blau-grau.

      Seine brünetten Schnittlauchlocken wirkten eine Spur heller als meine Haarzier und waren ganz erheblich länger: Die Farbe konnte man tönen, und da selbst der Vize mir keinen schnelleren Haarwuchs befehlen konnte, würden wir seine Lockenpracht stutzen, und sein korrigiertes Konterfei als Fahndungsfoto nach dem angeblichen Ausbruch veröffentlichen.

      Natürlich war die deutsche Justiz unabhängig, und wir konnten mit dem Mann nicht einfach umspringen, wie wir wollten, aber der Verhaftete stellte einen Sicherheitsfall dar. Deshalb arbeiteten wir uns über Bundesanwalt, Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst unauffällig an ihn heran.

      »Mir brummt schon der Schädel von dieser dämlichen Fragerei«, sagte Grenzlein zu einem Kriminalkommissar. »Ich habe hundsmiserabel geschlafen.«

      »Gleich kommen mir die Tränen«, grinste der Kripo-Mann.

      »Setzen


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