Krisenkommando. Will Berthold

Krisenkommando - Will Berthold


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über meinen ganzen Körper. Ich hoffte, daß meine Hände bald so weit kämen wie meine Augen und auf ihrer Haut ein Zuhause fänden. Aber bis dahin wäre noch ein weiter Weg. Meine Vorboten lagen fest wie die Schiffe im Suezkanal, und es dauerte Jahre, bis sie wieder flottgemacht werden könnten.

      Mir standen höchstens Tage zur Verfügung.

      So ging es nicht weiter. Ich stand auf und dachte mir einen neuen Werbefeldzug aus. Sie lächelte mich an, als hätte sie ihn bereits durchschaut. Nun muß ich gestehen, ich habe zwar die üble, männliche Angewohnheit, hinter halbwegs hübschen Mädchen herzusein wie der Windhund hinter dem falschen Hasen, aber ich spürte bereits, daß es bei Diana anders war, ein sicheres Anzeichen, daß ich mich in sie verliebt hatte. Gerade deswegen konnte ich meine Verführungskünste nicht unbefangen spielen lassen, zumal ich auch noch sicher sein mußte, daß sie nicht darauf hereinfallen würde. Wie man sieht, können auch wir Männer manchmal ganz schön kompliziert sein.

      »Diana«, sagte ich. »Ich wollte, Sie wären häßlich.«

      »Ich nicht«, antwortete sie.

      »Ich auch nicht«, erwiderte ich. »Wie kommen wir uns unter Zeitdruck ein wenig näher?«

      »Mit Geduld«, versetzte sie. »Machen Sie es ganz altmodisch: Dämpfen Sie das Licht. Bestellen Sie noch eine Flasche Wein. Suchen Sie im Radio das entsprechende Schlummerschmalz. Kleine Geschenke – nichts Teures bitte – fördern die Freundschaft. Dann lassen Sie etwas Ihre Bildung spielen, falls Sie eine solche vorzuweisen haben. Und ganz generell gebe ich Ihnen noch den Rat. Seien Sie bitte kleinlaut statt großmäulig.«

      »Nichts ist leichter als das«, erwiderte ich zerknirscht.

      Es war jetzt 21 Uhr. Die Nacht kam auf sanften Pfoten. Diana wirkte jetzt eher kokett als spießig; sie machte das alte Spiel zwischen Mann und Frau wieder neu. Ich wollte nicht als Anfänger dastehen und wuchs zunehmend in meine Rolle hinein, ich spielte sie nicht mehr – ich nahm sie ernst.

      Aber der Ton macht die Musik, und in diesem Fall kam er von der Telefonglocke.

      Der General war in der Leitung, »Grenzlein kippt«, sagte er mit einer Stimme, die wie eine Kette kontrollierter Explosionen klang.

      »Wann?« fragte ich dümmlich.

      »Sofort«, entgegnete er. »Machen Sie sich fertig.«

      Es war ein Befehl der Organisation. Dienst ist Dienst – und Diana ist Diana.

      Ich stieg unwillig in den Kastenwagen, der so dunkel war wie meine Zukunft.

      Ich verließ den Fuchsbau in der Art eines Einsteigdiebs, doch ein solcher hätte keine Chance gehabt, in das viereckige Hauptquartier unserer Organisation – eine von 15 Filialen in der westlichen Welt – einzudringen. Es wurde bewacht wie Fort Knox, obwohl die dort gelagerten US-Goldreserven längst von Rost und Motte angefressen sind.

      An den dicken Mauern unseres Münchner Quadrogons prangten Firmenschilder. Die Phantasienamen ließen auf geballte Import-Export-Geschäfte schließen. Tatsächlich wurden hier ja auch Nachrichten aus aller Welt gesammelt, ausgewertet, umgesetzt und notfalls auch hergestellt – um nur eine Spezialität unseres brisanten Haufens zu erwähnen.

      Schließlich war unsere Organisation, wenn es um die Sicherheitsbelange des Westens ging, im Untergrund gewissermaßen die letzte Instanz. Diese Tatsache würde mich in des Teufels Küche bringen, und die lag zur Zeit im Vorderen Orient.

      Ich stieg in einen Lieferwagen, von hinten natürlich. Das ungenannte Ziel ließ sich erraten. Eine aufdringliche Reklame auf der Blechhaut warb für ein bekanntes Feinkostgeschäft. Ich konnte nur hoffen, daß sich mir die Delikatessen nicht auf den Magen schlagen würden.

      Einer der raren Augenblicke meines Lebens war gekommen, als ich darüber nachdachte, warum ich jahraus, jahrein über die abschüssigen Pfade der unsichtbaren Front hetzte, Meile um Meile. Aber fragt ein Dompteur, warum er allabendlich in der Manege seine Königstiger kitzelt, vor einem vollen Haus, das nur darauf wartet, daß ihn die gestreiften Bestien anfallen?

      Der Vergleich hinkt natürlich, denn nach seinem großen Auftritt kann der mutige Mann nach Hause gehen. Oder sich mit der Zirkusreiterin treffen. Oder die Hochseilakrobatin herzen. Ich kenne keinen Feierabend, und dabei hatte Diana – heiß wie ein Schneller Brüter und genauso abgeschirmt – weder vom Reiten krumme Beine noch vom Salto mortale zu muskulöse Oberschenkel.

      Der Mann mit dem Quadratschädel, mein Auftraggeber, hatte ganz recht mit meiner einschränkenden Beurteilung. Für einen Agenten sind Frauen Gift. Sie lenken ab; sie schieben sich mit ihrer schönen Person vor die häßliche Sache – aber Schließlich kann ein Geheimdienst nicht lauter Eunuchen beschäftigen. Und eine appetitliche Blondine ist nun einmal reizvoller als ein schmieriger Ölscheich.

      Die Fahrt lang war ich bei Diana, aber man wird nicht satt, wenn man den Bratenduft riecht. Amors Pfeil war nicht abgeprallt: es war sozusagen ein Heimatschuß, bevor ich hinausmußte. Diana hatte etwas an sich, was mich verrückt machte, und ich wußte nicht, war es ihre distanzierte Nähe, der Duft ihrer Haut, oder ihre durch den Verstand gefilterte Sinnlichkeit, oder die Art, mit der sie das alte Spiel umdrehte, und den Mann, der sie erobern wollte, besetzte, ausfüllte und zähmte. Und so weit war es schon gekommen, daß ich ihr dabei auch noch applaudierte.

      Diana schaffte es, daß ich ihr ganzes Geschlecht herschenkte für ein einziges Exemplar. Vielleicht lag es daran, daß sie nichts dazu tat. Wenn ich an sie dachte, sah ich mich in der Rolle des Liebhabers – aber seit wann stand ich da, mit krummem Rücken und klammen Händen? Warum verachtete ich auf einmal die nicht ganz reizlosen Begegnungen meines bisherigen Lebens?

      Ich zürnte Diana und überlegte, ob mir die Zeit bei ihr noch eine Chance ließe. Ich war Mann und Narr zugleich und warf jetzt die Liebesabenteuer meines Lebens über Bord: Wer Kaviar nascht, erinnert sich nicht gerne an Heringsrogen.

      Der Lieferwagen bremste und fuhr dann durch ein Portal. Ich löste mich aus dem einseitigen Clinch mit Diana. Der Fahrer hatte den Hof des Untersuchungsgefängnisses erreicht, das mein Doppelgänger Grenzlein ein wenig außerhalb der Freiwilligkeit – und wie er fälschlich annahm nur vorübergehend – bewohnte. Wie bei meinem ersten Besuch war die Direktübertragung aus dem Vernehmungszimmer arrangiert. Unser Vize, schon vor mir eingetroffen, nickte mir zu, ohne den Blick von den vier Bildschirmen zu nehmen.

      Ich musterte Grenzlein und starrte wieder in mein eigenes Gesicht, dieses Passepartout für die Hölle, Spezialausweis für Nahost. Die Kerben links und rechts seiner Mundwinkel traten schärfer hervor als bei mir. Es war die einzige Handschrift der Haft, die seine blasierte Visage herzeigte.

      Der General neben mir, sonst ein Skeptiker, hatte mich mit der Meldung aus den weichen Armen dieses Abends gerissen, daß Grenzlein heute sprechen würde. Falls er wirklich über »Arabiens Speerspitze« plaudern sollte, geschähe es freiwillig und müßte den Studenten mit der reichlichen Semesterzahl zu einem zweifelhaften Überläufer machen.

      Unser Vize lächelte mit langen Zähnen, und einen Moment lang kam mir der Verdacht, er hätte im Fuchsbau meine reizvolle Zweisamkeit mit Diana nur unterbrochen, um ein wenig an meinem Minuspunkt herumzuradieren.

      »Ich habe mich zu einer kleinen Vorleistung entschlossen«, sagte Lothar Grenzlein zu dem Kriminalkommissar. »Unter Umständen. Rufen Sie mir diesen Meier oder Müller oder Huber. Und sagen Sie ihm, er soll seine Aktentasche mitbringen, und zwar voll.«

      Er schlug die angebotene Zigarette aus, stopfte seine Pfeife, zündete sie an und spottete: »Vielleicht wird man Sie auf der Stelle befördern, Herr Kommissar, wenn ich mit Pullach ins Unreine komme.«

      »Es tut mir leid«, überhörte der Kripobeamte den Stich, »ich kann Ihren Gesprächspartner zur Zeit nicht erreichen. Er hält sich im Ausland auf.«

      »Quatsch«, versetzte mein abgefeimtes Konterfei. »Der Mann hält sich zur Zeit im Nebenzimmer auf, spitz wie Nachbars Lumpi.« Der Multi-Studiker stand auf, ging auf ein Wandbild zu, hob es ab und enttarnte das Glasauge einer – versteckten Kamera. »Billiger Trick«, grinste er. »Auf Ihr dämliches Scheinverhör


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