Krisenkommando. Will Berthold

Krisenkommando - Will Berthold


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Frage verblüffte diesen Fachidioten des Umsturzes, er kletterte einen Moment aus seinem Polit-Korsett, wirkte leicht überrascht und hielt mich vermutlich zum ersten Mal für keinen Trottel.

      »So kommen wir nicht weiter«, sprang ich ins kalte Wasser. »Ich bin zwar bereit, die Katze im Sack zu kaufen, aber ich möchte ihn wenigstens von außen abgreifen.«

      »Einverstanden«, versetzte Grenzlein. »So sieht mein Zeitplan aus: Sie verständigen sofort meinen Studienfreund Rechtsanwalt Fingers. Morgen früh, kurz nach neun Uhr, übergeben Sie ihm in meiner Gegenwart die Anzahlung von 200 000 Mark. Wenn mein Beauftragter mir bestätigt, daß das Geld am sicheren Ort verwahrt ist, inszenieren wir in der Nacht vom Samstag auf Sonntag meine Flucht.«

      »Weiter«, drängte ich.

      »Sie sorgen dafür, daß die Bullen in die Luft schießen.«

      »Moment mal«, unterbrach ich ihn mit der vorgetäuschten Schwerfälligkeit eines Langsamdenkers. »So etwas läßt sich mit den Beamten, die Sie bewachen, arrangieren. Aber dann kommt der Alarm, und Sie werden gesucht wie eine Stecknadel. Und dem erstbesten Polizisten, dem Sie in den Weg laufen, kann ich nicht im voraus sagen, daß Sie in unserem Auftrag getürmt sind. Wenn der Mann erst Ihren köstlichen Namen hört, ballert er darauf los, daß es eine Pracht ist.«

      »Machen Sie mir keine Angst«, sagte er großspurig. »Fahren Sie mich nach Einbruch der Dunkelheit zu einer Vernehmung zum Untersuchungsrichter. Lassen Sie den Wagen einen Moment halten und meine Bewacher wegsehen. Wenn Sie mir sechs bis sieben Minuten Vorsprung geben, wird mich hier in München kein Hund mehr aufstöbern.«

      »Präparierter Fluchtweg?«

      »Dreimal dürfen Sie raten«, erwiderte er.

      »Sie stehen also auf der dunklen Straße. Sie gehen vorsichtig an eine Telefonzelle heran und wählen eine ganz bestimmte Nummer –«

      »Sie denken immer schneller«, höhnte Grenzlein.

      »Bestens«, entgegnete ich. »Wir sind handelseinig. Morgen, kurz nach neun Uhr erhält Ihr Anwalt das Geld. Und Sie liefern gleichzeitig die Ware.«

      »Ware?« fragte er, wie verwundert.

      »Meister«, entgegnete ich vorwurfsvoll: »Die Telefonnummer natürlich.«

      Er zierte sich noch ein paar Minuten.

      »Ja oder nein?« fuhr ich ihn schroff an.

      Natürlich gab er nach.

      Damit war der Startschuß für mein Unternehmen Himmelfahrt gefallen.

      7

      Grenzlein war kein Blindgänger, eher eine Bombe. Seit wir es wußten, mußten wir mit der Spannung leben. Sie begann bereits auf der Rückfahrt vom U-Gefängnis in den Fuchsbau. Der General verzichtete darauf, mich wie üblich mit dem Lieferauto zu speditieren. Er bot mir in seinem Wagen – bei zugezogenen Vorhängen – Platz an.

      »Wir haben verdammt wenig Zeit«, sagte er. »Aber jetzt läuft uns die Geschichte zu schnell davon.« Er sah auf die Uhr. »Noch 47 Stunden bis zu Ihrem Einstieg. Von da an gibt es kein Zurück mehr.« Er verging sich an meiner Grenzlein-Legende, bot mir eine Zigarette an und gab mir sogar Feuer. »Ich habe keine Ahnung, wie Sie das schaffen sollen«, klagte er.

      Aber ich war auf der Hut, denn immer, wenn er sich menschlich gab, verlangte er Unmenschliches.

      Ein unmögliches Pensum für zwei Tage.

      Um mit dem Angenehmsten anzufangen, mußte ich in dieser Zeit meine arabischen Sprachkenntnisse vervollständigen. Ich würde bei Diana in die Schule gehen, ein betagter Oberkläßler, der weniger auf die Tafel als auf seine hübsche Lehrerin starrte.

      Es galt weiterhin, im Eiltempo Grenzleins Lebenslauf zu komplettieren. Dann kam das schlimmste: der Identitätstest. Eine Schwimmweste kann einen Schiffbrüchigen nur tragen, wenn sie wasserdicht ist. Das ließ sich nur bei Menschen feststellen, die meinem Doppelgänger nahestanden, und zwar am besten Frauen, weil sie schärfere Beobachter des Äußerlichen sind.

      Da gab es eine Sybille Franzen, eine leicht brüchige Gelegenheitsliebe Grenzleins. Und da gab es Grete Grenzlein, seine Mutter, die bereits drei Monate Kriegerwitwe gewesen war, als sie ihren Sohn zur Welt brachte.

      Bei der Beurteilung Grenzleins waren sich der General und ich einig: Der Mann mochte ein fauler, feiler Typ sein, ein Schwätzer war er nicht. Auf eine abseitige Art intelligent, zynisch bis auf die Knochen, körperlich trainiert und politisch geschult, wäre er durchaus im Stande gewesen, auch ein verschärftes Kreuzverhör noch Wochen durchzustehen, und sei es auch nur, um den Preis hochzutreiben.

      »Wenn er sich so schnell mit uns verständigt«, dachte ich laut, »dann brennt ihm die Zeit unter den Nägeln.«

      »Klar«, analysierte der General. »Er will den Anschluß nicht versäumen. Seine Terrorkumpane könnten auch einen anderen deutschen Einweiser finden. Wenn am Montag – ohne seine bewährte Mitwirkung – so ein Horrorstück aus der levantinischen Gruselkiste platzt, kann er uns nicht mehr verkaufen, was am Dienstag schon in allen Zeitungen steht. Wer ist dieser Dr. Fingers?« fragte mich der Vize. »Kommt er in unserem System 777 vor?«

      »Natürlich«, antwortete ich. »Sind zusammen zur Schule gegangen. Sonst weder persönliche noch politische Verbindungen. Der Rechtsanwalt hat mein Double vor Jahren bei einem Vaterschaftsprozeß vertreten.« Ich lachte die Nummer Zwo voll an. »Wissen Sie eigentlich, daß ich Vater einer vierjährigen, hübschen, wenn auch ledigen Tochter bin?«

      »Gratuliere!« antwortete er trocken.

      »Leider kann ich mich nicht um das Kind kümmern, weil er es auch nicht tut.«

      »Macht die Organisation zu gegebener Zeit«, erwiderte der Quadratschädel.

      Es war kurz vor 23 Uhr. Wenn ich ganz schnell mein Apartment erreichte, war Diana womöglich noch auf, und ich könnte den gerissenen Abend wieder verknüpfen, aber der General hielt mich noch fest: Er setzte während der Nacht unsere ganze Apparatur in Trab. Es wurde drei Uhr. Als ich mich auf mein Quartier zuschleppte, horchte ich einen Moment lang vor Dianas Tür: Aber weder schnarchte sie noch rief sie: »Herein.«

      Um sechs Uhr stand ich unter der Dusche und überlegte, wie ich meine unständige Begleiterin zu einer Frühaufsteherin machen könnte – aber ich hatte wieder einmal den General unterschätzt. Diana war zur Unzeit geweckt worden, weil arabische Überstunden einzulegen waren.

      Ich trug einen Bademantel und ein dümmliches Gesicht, als ich sah, daß sie in der Eßnische meines Apartments das Frühstück durch feminine Zutaten ergänzte.

      »Ahlan wesahlan«, begrüßte sie mich: »Izzaiyak? … Wie geht es?«

      »Il hamdu lillâh kuwaiyis … Danke gut«, antwortete ich und wunderte mich, wie umständlich man sich ausdrücken konnte.

      Zunächst verbesserte Diana meine Aussprache, dann strich sie mir ein Brötchen. Wir kamen überein, während des Frühstücks die mittelhoch-ägyptische Lektion sein zu lassen. Wir sprachen zuerst englisch miteinander, und dann deutsch. Im Englischen gibt es kein »Sie«, und ich nutzte die Gunst der Sprache, als ich auf deutsch umschaltete.

      »Du siehst prächtig aus«, sagte ich. »Und das zu so früher Stunde.«

      »Danke«, erwiderte sie. »Du kannst recht hübsche Komplimente drechseln.«

      Erst jetzt merkte Diana, daß wir uns duzten, freilich ohne Prost und Bruderschafts-Tralala. Immerhin war es eine kleine Annäherung, und das um 6.38 Uhr, mitteleuropäischer Zeit.

      Sie goß mir die dritte Tasse ein: »Magst du Kaffee?« fragte sie.

      »Dich möchte ich eigentlich viel lieber«, antwortete ich.

      »Du mußt dich auf Kaffee verlegen«, überhörte sie meine Nebentöne. »Wo immer du bei Arabern eintrittst, mußt du diesen auch noch recht komisch schmeckenden Trunk zu dir nehmen. Vielleicht dreißigmal am Tag. Es wäre


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