DAS EXPERIMENT (ein Whitney Steel Roman). Kim Cresswell

DAS EXPERIMENT (ein Whitney Steel Roman) - Kim Cresswell


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zu müssen. Ich denke sogar noch mehr, nachdem Mom ermordet wurde. Ich erinnere mich an damals, in den Achtzigerjahren, als er gehört hatte, dass sich die Mordraten im Staat verdoppelt hätten, na ja, da habe ich mit Karate angefangen …«

      »Letzte Nacht haben sich die Mühen deines Vaters bezahlt gemacht.« Blake zwinkerte ihr zu.

      Hoffentlich hatte George das nicht verstanden. Whitney wäre es lieber, wenn er nichts von dem Einbrecher wusste, andernfalls würde er mit seinen väterlichen Standpauken anfangen, was sie jetzt gar nicht gebrauchen konnte.

      »Dann, mitten in den Neunzigern, war der Happy-Face-Killer auf freiem Fuß. Da Dad wegen eines Auftrags viel unterwegs war, dachte ich mir, ich sollte lernen, mit einer Waffe umzugehen. Nach meinem zwanzigsten Geburtstag habe ich dann Unterricht am Schießstand genommen.«

      »Du kannst zweifellos auf dich aufpassen.« Blake öffnete eine Schublade, zog ein großes Messer heraus und starrte es für einen Moment an.

      Whitneys Hand bewegte sich langsam zur Waffe, bis ihre Fingerspitzen den stählernen Griff berührten. Er schnappte sich das hölzerne Schneidebrett und schnippelte geübt eine grüne Paprika und eine Zwiebel in kleine Stücke.

      Er schien sich in der Küche zu Hause zu fühlen. Er war außerdem, wie sie bemerkte, der erste Mann, der für sie kochte, und die Vorstellung gefiel ihr. Einen Moment lang fragte sie sich, wie es wäre, wenn er ihr, in nichts als einer Schürze, Frühstück im Bett servieren würde. Wo zur Hölle kam das her?

      Sie sah sich im Raum um. »Genug – von mir. Zurück zur Frage, wieso du nach Florence gekommen bist?«

      George setzte sich neben sie und fummelte weiterhin an seinem Ohr herum.

      Blake stellte einen Eierkarton neben der Spüle auf die Theke.

      »Mit einer Sache hast du recht.« Er schlug ein Ei am Rand der Metallschüssel auf. »Nathan hat mich geschickt, um das Band zu besorgen. Sonst nichts.«

      Erzähl’ ihr etwas, das sie noch nicht wusste. Wenn Blake wollte, hatte er ein bemerkenswertes Pokerface, entspannt, unmöglich zu lesen. Nicht mal ein Zucken.

      »Wieso die Waffe?«

      »Gewohnheit. Ich hab schon immer eine bei mir getragen. Abgesehen davon hat sie mir draußen in der Wüste schon ein paar Male das Leben gerettet. Ne Menge hungriger Tiere da draußen.«

      Whitney kaufte ihm das nicht ab. Er war hier nicht in der Wüste. Ihr Blick wanderte zu George. »Und der wahre Grund, weshalb du hier bist, ist …«

      »Na schön, erwischt.« George ließ den Kopf hängen. »Ich wurde geschickt, um dich zu überzeugen, Masons Tod zu untersuchen. Du bist die einzige, die weiß, was an dem Tag geschehen ist.«

      Er hatte recht. Das war sie. Doch das bedeutete nicht, dass sie nach der Pfeife der hohen Tiere beim WBNN tanzen würde. Der Männerklub des WBNN-TV würde ihr sicherlich die Füße küssen, nachdem sie Nathans schmutziges, kleines Geheimnis gelüftet hatte. Sie lächelte in sich hinein.

      Blake rührte die Eier mit einer Gabel und goss sie in eine Bratpfanne. »Ich weiß nicht, was auf dem Band ist, aber ich habe gehofft, es könnte etwas mit meiner Schwester zu tun haben, Claire Barnett.«

      Nun kamen sie der Sache schon näher. Whitney versuchte, sich nicht zu früh zu freuen. »Okay, jetzt komme ich nicht mehr mit. Was hat deine Schwester mit Nathan Shaw zu tun?«

      Blake schob vier Scheiben Vollkornbrot in den Toaster. »Claire hat im Forschungslabor gearbeitet. Vor vierzehn Monaten wurde sie tot aufgefunden. Ich habe keine Beweise, aber ich bin davon überzeugt, dass Nathan involviert war.«

      Das erklärte einiges, unter anderem auch, weshalb Blake für Nathan arbeitete. Er brauchte Antworten. War es möglich, dass Nathan auch Claire getötet hatte? Wenn ja, hob das die Zahl der Toten auf drei.

      Sie sah, wie sich die Muskeln an Blakes Rücken anspannten, während er über Claire redete. Sie wusste, wie er sich fühlte. Dieses Gefühl von Wut, Hilflosigkeit und Verlust.

      »Das mit deiner Schwester tut mir leid.« Ihr Reporterinstinkt meldete sich. Sie wollte ihn mehr als alles andere über die Details des Todes seiner Schwester ausfragen, doch sie beschloss, damit erst mal zu warten. »Hat Nathan je eine Wissenschaftlerin namens Carmen Lacey erwähnt?«

      »Nope. Nathan ist kein sehr offener Mensch. Er sagt dir nur, was er dich wissen lassen möchte. Was nicht sonderlich viel ist.«

      George rieb seine Hände, als hätte er auf dem Rummel einen Preis gewonnen. »Und was ist auf dem Band?«

      Sie kam nicht umhin, sich schlecht zu fühlen, weil sie George nicht schon früher eingeweiht hatte. »Das wird dich umhauen. Die Aufnahme zeigt ShawBioGens geheimes Projekt, ein kleines Mädchen. Der weltweit erste geklonte Mensch.«

      »Heilige Scheiße! Du machst doch Witze?« George schlug seine Hand mit einer solchen Kraft auf die Theke, dass er von Hocker fiel. Er richtete sich schnell wieder auf und tat so, als wäre es Absicht gewesen. »Du weißt doch, was das heißt, Whitney? Ein garantierter Emmy. Ich sehe es schon vor mir. Wo ist dieses Band? Das muss ich mir anschauen.«

      Sie hob die Hand. »Ganz ruhig, Cowboy. Niemand sieht sich das Band an.« Ihr Blick wanderte zu Blake. »Im Moment ist es in einem Safe und da wird es auch bleiben. Wir haben noch viel Arbeit vor uns, bevor wir die Story bringen können.«

      Außerstande, seine Begeisterung zurückzuhalten, schwafelte er weiter, sein Mund arbeitete schneller als sein Gehirn. »Ich kann es immer noch nicht glauben. Bist du dir sicher, dass das echt ist? Das ist nicht irgend so ein Scherz? Bitte sag mir, dass es wahr ist.«

      »Es ist kein Scherz.«

      Blake reichte Whitney einen Teller mit einem Western-Sandwich und zwei Essiggurken.

      »Danke.« Das Bild von ihm, nackt in dieser Schürze, erschien wieder in ihrem Kopf. Sie nahm einen Bissen von ihrem Sandwich und versuchte den Gedanken abzuschütteln. Was zur Hölle war los mit ihr? Reiß dich zusammen, Steel.

      Während sie frühstückten, ließ Whitney Masons schrecklichen Tod noch einmal Revue passieren, indem sie den beiden Männern alles genauestens berichtete, auch wie das Band in ihre Hände gelangt war. Nachdem George sein Frühstück heruntergeschlungen hatte, spülte er seinen Teller ab, während Blake mit einer Tasse Kaffee auf die Terrasse verschwand.

      Georges Ausdruck wurde ernst. »Whitney, je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger finde ich, du solltest dich mit Nathan anlegen. Es ist zu gefährlich.«

      »Du weißt, dass ich das tun muss, und du weißt auch, dass ich es tun werde, sei es mit deiner Hilfe oder ohne. Das ist die Story des Jahrhunderts. Jeder selbstsüchtige, egozentrische Mann, mit dem ich je gearbeitet habe, außer dir natürlich, wird mir den Respekt erweisen, den ich verdiene.«

      Whitney und George gingen ins Wohnzimmer. »Wäre dir das wert, dabei umgebracht zu werden?« Er ließ sich neben ihr auf die Couch plumpsen. »Blake hat mir von letzter Nacht erzählt – der Mann mit dem Messer. Whitney, lass dir das noch mal durch den Kopf gehen. Es sind schon genug Menschen gestorben.«

      »Was ist in dich gefahren?« Enttäuschung durchfuhr sie. George hatte stets hinter ihren Entscheidungen gestanden. Dieser Sinneswandel gefiel ihr gar nicht. »Ich bin überrascht. Ich hätte gedacht, du wärst auf meiner Seite. Was ist mit dem Emmy?«

      »Hey, ich bin auf deiner Seite, Kleines. Emmy oder nicht. Ich muss dir nicht zustimmen. Es muss einen anderen Weg geben, an diese Story ranzukommen.«

      »Es gibt keinen.« Blake kam mit seiner Kaffeetasse in der Hand ins Wohnzimmer geschlendert. »Ich kenne Nathan. Er ist ein Gewohnheitstier. Das Labor. Dort werden deine Beweismittel sein.«

      Whitney nickte. »Da stimme ich dir zu. George, wusstest du, dass Nathan jedes Jahr mehrere Millionen Dollar an Tafeln und Obdachlosenunterkünfte spendet? Nicht nur das, er steckt Millionen von Dollars in medizinische Versorgung und wissenschaftliche Forschung. Er war sechs Jahre nacheinander Man of the Year und hat es zweimal


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