EMOTION CACHING. Heike Vullriede

EMOTION CACHING - Heike Vullriede


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an dem alles Unschöne abprallte. Selbst ihre Mutter Sofie blieb in seinen Armen eine rührende Unschuld … Es war nicht das Gleiche. Schon allein, weil ihr Vater in Kims Erinnerung niemals alterte. Papa war und blieb wunderbar.

      Robert aber, dieser angegraute Besserwisser mit den Falten am Hals und dem blousonartigen Bauch über der Hose war ein alter Sack!

      Kim stand auf, drehte Papas Foto mit seinem Gesicht zur Wand, damit er sich das Elend nicht länger ansehen musste, ging zum Kühlschrank in die Küche und griff sich einen Joghurt und Löffel. Doch gleich darauf verging ihr der Appetit. Mit zusammengepressten Lippen schleuderte sie den Löffel in die Spüle. Sein Scheppern unterbrach das Rauschen der Dusche im Hintergrund, stellte es aber nicht ab. Vernahm sie da etwa rhythmische Geräusche aus dem Bad in der ersten Etage?

      Mit Wucht schoss ihr Gips nach unten und zerknautschte den Plastikbecher zu einem papierähnlichen Knäuel. Ein Schmerz durchzuckte ihren Arm. Wie in Zeitlupe sah sie fette Tropfen weißen Joghurts durch die Luft fliegen und die pastellfarbene Küchenwand sprenkeln. Irritiert blickte sie auf die Schweinerei auf der Arbeitsplatte. Der Gips war gebrochen und mit Joghurt verschmiert.

       Na super!

      Von oben wieder diese Geräusche.

       Jetzt reicht es!

      Entschlossen stampfte sie zur ersten Etage hinauf in Richtung Bad. Das Rauschen ertönte lauter, je näher sie der geschlossenen Tür des Badezimmers kam. Ohne Rücksicht auf den Schmerz schlug sie ihren verpackten Arm auf die Klinke, stieß die Tür mit dem Fuß auf und ging ohne zu zögern auf die Dusche und die dahinter verschwommenen Schemen zu.

      Kim ließ ihnen nicht einen Augenblick der Vorwarnung, sondern riss die Schiebetür mit einem Ruck auf.

      »Mein Gips ist gebrochen. Vielleicht könnt ihr beiden euch mal um was anderes kümmern, als um euch selbst.«

      Demonstrativ hielt sie den geschundenen Arm in die Höhe.

      Die Mimik des nackten Mannes unter den Wasserstrahlen der Regendusche erinnerte Kim an Szenen in einem Horrorfilm. Robert war vollkommen entsetzt. Mit seinem nass an die Stirn geklatschten Resthaar, den aufgerissenen Augen und dem offenstehenden Mund glich er einem Opfer, das gerade dem grausamsten Ende entgegenblickte, das die Welt gesehen hatte. Der Speck an seinem Bauch, der seinen Kampf gegen die Schwerkraft der Erde nicht verleugnen konnte, hob und senkte sich während seiner geräuschvollen Atmung wie Wackelpudding.

      Ja, freute sie sich, jetzt einen Herzinfarkt und Papa und ich sind dich los!

      Das Gesicht ihrer Mutter hinter ihm ließ allerdings nicht mehr als eine gewisse Überraschung erahnen.

      Während Kim sich über Roberts Scham vor ihrem offensichtlichen Blick auf seine schrumpfende Männlichkeit amüsierte und darauf wartete, dass er endlich tot umkippte, stolzierte Sofie ungeniert unverhüllt aus der Duschwanne. Sie schob die Glastür hinter sich zu, womit sich Robert wieder in einen nebulösen Schatten verwandelte.

      Schade eigentlich.

      Die Gefasstheit, mit der ihre Mutter den Bademantel vom Haken nahm und sich darin einkuschelte, ärgerte Kim. Jeder andere hätte ein Feuerwerk der Entrüstung auf sie einregnen lassen. Aber nein, ihre Mutter warf lediglich einen wissenden Blick und ein unverbindliches Lächeln auf sie herab.

      »Nun Kim, ich denke, du konntest einfach nicht anders«, sagte sie unverschämt ruhig und leise. »Wir reden später darüber«, fügte sie hinzu, als sie mit einem Handtuch ihre Haare trocken rubbelte.

      »Wir reden später darüber?« Kim zog die Brauen hoch. »Ich stehe hier und du da – wir sollten genau jetzt darüber reden!«

      Nun runzelte auch Sofie die Stirn. Sie trocknete mit dem Handtuch ein Ohr. »Ich glaube, du solltest dich erst mal beruhigen.«

      »Ich bin ruhig.«

      »So? Das ist schön. Vielleicht kannst du mir dann auch erklären, wieso du deinen Gips zerbrochen hast.«

      »Kannst du dich nicht selbst befriedigen? Dann müsste ich diesen fremden Ficker nicht ertragen.«

      »Dieser fremde Ficker heißt Robert, wie du weißt, und ist ein sehr netter Mann aus meinem Kollegium. Möchtest du ihm heute nicht Guten Tag sagen, wo du ihn doch schon seit einem Jahr kennst?«

      »Er kann seinen nackten Arsch gerne aus der Dusche schieben und dann umgehend nach draußen.«

      Zaghaft ging die Schiebetür der Dusche für einen Spalt auf und Robert lugte ungewöhnlich schüchtern hindurch. »Wenn ich mal was sagen darf …?«

      Wie aus einem Mund fuhren Mutter und Tochter ihn an. »Schnauze!«

      Roberts Kopf zuckte zurück. Dann jedoch fasste er sich und öffnete die Tür zur Gänze. »Ihr seid ja nicht normal!«

      Anscheinend hatte er beschlossen, dass er sich nicht noch mehr blamieren könnte, als er es bereits getan hatte, und stieg mit einem Räuspern aus der Duschwanne. Er huschte zum Handtuchregal. Das erste Handtuch, das er griff, fiel ihm aus der Hand. Anstatt sich danach zu bücken, packte er schnell ein Neues und bedeckte sich. Das war gut so, denn Kims Blick haftete wie gebannt an seinem behaarten Arsch und sie war sich nicht sicher, ob sie da tiefer hineinsehen wollte.

      Auch Sofie schien sich nicht von ihm losreißen zu können.

      Bald fummelte Robert fluchend an seiner Feinripp-Unterhose, die sich auf seiner feuchten Haut beim Hochziehen eingerollt hatte. Danach hüpfte er einbeinig über die Fliesen, während er versuchte, den anderen Fuß in einen Strumpf zu zwingen. Da sich auch dieses Kleidungsstück immer wieder aufrollte, dauerte alles länger und sein Gehopse sah in Kims Augen ziemlich trottelig aus. Die ganze Situation war einfach so kurios, dass sie glaubte, einer Comedy zu folgen, und sie erwartete fast schon eine eingespielte Lachsalve. Warum um alles in der Welt hatte sie hier keine Kamera installiert?

      Kim sah ihre Mutter von der Seite an und für einen Moment hatte sie das Gefühl, als blickte diese ihm ebenso amüsiert hinterher, wie sie selbst.

      Ihr beider Wortabschlag war in Roberts Auftritt völlig untergegangen. Sie folgten ihm stumm die Treppe nach unten, wo er halb angezogen und bepackt mit dem Rest seiner Kleidung Stufe für Stufe aufpassen musste, dass er nicht auf seine eigenen Sachen trat und wegrutschte.

      Im Wohnzimmer stopfte er schnell sein weißes Hemd in die Hose und zwang fahrig den Gürtel in das letztmögliche Loch. Siehe da, mit jedem Kleidungsstück schien er etwas sicherer zu werden. Beim Umbinden der Krawatte wurde seine Hand ruhiger und sein Gesicht gewann etwas Würde zurück.

      Schließlich schlüpfte Robert in der Diele in seine stinkenden schwarzen Treter.

      Bevor er zur Tür hinaus fliehen konnte, packte Sofie ihn beim Schlips und zog ihn mit einem verheißungsvollen Lächeln zu sich heran. »Bis morgen, Schatz«, sagte sie und küsste ihn zu Kims Abscheu auf den Mund. Er spitzte seine Lippen mehr automatisch und nahm den Kuss genauso entgegen. »Ja, ähm, bis morgen dann.«

      Kim übersah er einfach, und sie wettete, draußen vor der Tür holte er erst einmal ganz tief Luft und fasste sich ans Herz. Vielleicht war es ihr heute ja gelungen, ihn ein für alle Mal zu vergraulen … ansonsten ereilte ihn der Herzinfarkt hoffentlich gleich doch noch. Alt genug war er ja.

      Was er zurückließ, war eine äußerst angespannte Stimmung im Haus. Ihre Mutter ging zum Sideboard und griff nach dem Foto von Kims Vater. »Warum ist das Bild umgedreht?«

      »Weil Papa nicht sehen soll, was hier abgeht.«

      »Was sollte er denn nicht sehen?«

      »Du betrügst ihn.«

      »Papa ist tot. Ich kann ihn nicht betrügen.«

      »Ich hasse die Art, wie du über Papa sprichst. Er ist nicht tot – er ist verschollen. Du hast ihn bloß für tot erklären lassen. Damit hast du ihn getötet.«

      »Was soll ich deiner Meinung nach tun?«

      »Du


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