EUPHORIA Z. Luke Ahearn

EUPHORIA Z - Luke Ahearn


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Wohnung kurz und klein schlug.

      Er riss die Türen des Wohnzimmerschranks ab, nahm die Stühle auseinander und schleppte Möbelstücke in die Küche, wo er sie zu einem Haufen unter dem Tisch und darum schichtete. Dann goss er Benzin darüber und schlug ein Streichholz an. Als er es auf die Steppdecke warf, ging diese brausend in Flammen auf, die bis unter die Decke schlugen. Daraufhin verschwand er, da sich das Feuer rasch ausbreitete, wobei ihm bewusst war, dass das laute Rauschen und Knistern von einer Brunst ausging, die den Leib seiner Liebe verzehrte.

      Als er die Straße erreichte, quoll bereits dichter Qualm aus den Fenstern und der offenen Haustür. Er machte sich ohne Plan auf den Weg in die Innenstadt.

      Sal nahm den Schaden kaum wahr, während er durch die Straßen seiner Siedlung lief. Zuerst befürchtete er, jemanden zu entdecken, den er kannte, doch die Leichen waren dermaßen zerpflückt und im Tod entstellt – durch Schüsse und die Infektion –, dass sich niemand wiedererkennen ließ. Die Straßen und Bürgersteige waren von kleinen Kratern gezeichnet, Autos durchsiebt, und Scheiben aus Fensterrahmen gesprungen. Er brachte mehrere Gebäudeblocks hinter sich, bevor er an einen Kontrollpunkt gelangte. Dort standen drei Soldaten an einer Lücke in der hohen Wand gestapelter Leiber. Sal empfand nichts, während er durch die Öffnung in dieser grausigen Barrikade trat.

      »Halt!«, rief einer der Wachleute. Sie alle richteten ihre Waffen auf Sal, der sich jedoch unbeirrt weiter näherte.

      »Halt! Stopp!« Der junge Mann wusste nicht genau, wie er sich verhalten sollte. »Sir, sprechen Sie Englisch? Können Sie mich verstehen?«

      Sal legte es darauf an, dass sie ihn erschossen, wenn er ihre Aufforderungen lange genug missachtete. Selbst konnte er sich nicht richten, es dafür aber mit Leichtigkeit durch die Hand anderer geschehen lassen. Die Soldaten zogen sich zurück und diskutierten, ohne ihre Waffen herunterzunehmen.

      »Verdammt, was sollen wir machen? Der Kerl sieht nicht wie ein Infizierter aus. Er grinst nicht. Ich glaube, er steht unter Schock.«

      »Wir haben unsere Befehle.« Einer von ihnen zielte genau und drückte ab, doch der Junge, der das Sagen hatte, reagierte schnell: Er schlug das Gewehr seines Kameraden mit seinem Lauf nach oben, sodass die Kugel weit an Sal vorbeiflog. Der Schütze wirkte verdrossen, senkte seine Waffe aber.

      »Verflucht nochmal, schießen Sie nicht, ehe ich es Ihnen erlaube! Treten Sie zur Seite und lassen Sie den Mann durch. Die Stadt ist verloren, und wir warten auf neue Befehle.«

      »Ja, es ist nur eine Frage der Zeit«, pflichtete der dritte Soldat bei. »Wir bewachen hier nichts.«

      Als Sal an ihnen vorbeiging, spielte er mit dem Gedanken, nach einem Gewehr zu greifen, um sich einen Schuss einzufangen, konnte sich aber nicht dazu durchringen. Stattdessen trottete er widerwillig durch die einst beschauliche Kleinstadt, in der er aufgewachsen war – den Ort, an dem sich sein Leben über Jahrzehnte hinweg entfaltet hatte, nur um innerhalb weniger Tage der totalen Zerstörung anheimzufallen. Alle seine Freunde und Angehörigen waren dahin. Er wusste, ausnahmslos jeder hatte sich angesteckt. Sal konnte nicht länger in Monterey bleiben. Stundenlang lief er weiter.

      Später, mitten in der Nacht, näherte er sich Santa Cruz. Als er zur Fernstraße 17 kam, entschied er sich dazu, ihr in die Berge zu folgen, und wandelte in beinahe vollkommener Finsternis weiter.

      Der Schmerz, den ihm die Blasen an den Füßen bereitet hatten, war lange abgeklungen, genauso wie das starke Hungergefühl in seinem Bauch. Er fühlte sich so erschöpft, dass er kaum mehr die Füße heben konnte, zwang sich aber zum Weitergehen in der Hoffnung, er würde sterben, wenn er zusammenbrach.

      - 5 -

      Im Stockdüsteren bei lauter Musik aufzuwachen, war verstörend, doch Panik bekam er wegen des Gefühls zu ersticken. Cooper zog sich das Kissen vom Gesicht und die Stöpsel aus den Ohren. Die darauffolgende Stille erschlug ihn förmlich. Er sprang auf und sah aus dem Fenster. Es war ein schöner Tag. Als er das Fenster öffnete und lauschte, hörte er überhaupt nichts – keine Vögel, kein Hundegebell, kein Verkehrslärm oder Sirenen in der Ferne. Dies verlieh dem angenehmen Wetter eine desolate, bedrückende Atmosphäre. Er fragte sich, wie viele Menschen auf der Welt noch lebten.

      Er sah die Leichen. Sie bildeten ein dichtes Gewirr auf den Straßen, während es ungesund nach Fäkalien und Fäulnis stank. Sie zählten zu denjenigen, die nicht durch Schüsse, sondern aufgrund der Infektion den Tod gefunden hatten. Ihre Körper sahen verheerend aus, zerfetzt von den aufgeplatzten Geschwülsten. Die Straße triefte vor Blut und anderen Körperflüssigkeiten.

      Cooper spürte, wie sich sein Magen umdrehte. Nachdem er das Fenster geschlossen hatte, fiel er auf die Knie und erbrach sich. Sein Magen hörte nicht auf, sich zu verkrampfen und zu rumoren. Es dauerte eine Weile, bis die Übelkeit nachließ.

      Später fuhr er wieder mit dem Range Rover durch die Stadt, um nach einem Ausweg zu suchen. Er fuhr zwar mit geschlossenen Scheiben, aber der Gestank drang trotzdem ein und verursachte ihm Würgereiz. Leichenberge verbargen die Sicht auf die niedrigen Gebäude im Zentrum. Ein Wall von Toten umgab den Stadtkern, doch sobald er ihn passiert hatte, waren die Straßen frei.

      Die Haufen waren ordentlich aufgeschichtet, doch die Körper sahen furchtbar aus. Es waren gebrochene Glieder, Brustkörbe und ein Wust aus menschlichen Überresten, die diese Wand bildeten. Cooper musste sich zwingen, nicht hinzuschauen. Als er an dem Burger-Imbiss vorbeifuhr, in dem er gearbeitet hatte, stapelten sich auch davor die Leichen. Grauweiße Beine ragten aus dem Wall heraus, zersplitterte Knochen, Köpfe und Arme, überspannt mit Kleidungsstücken. Roter Schlick quoll von dem Berg und floss in den Rinnstein. Als er glaubte, ein Gesicht wiederzuerkennen, wandte er sich schnell ab.

      Cooper blieb bei laufendem Motor sitzen. Seine Welt lag in Trümmern, und ihm wurde bewusst, wie allein er war. Die vielen Menschen, die er täglich getroffen hatte, lebten mit ziemlicher Gewissheit nicht mehr. Wie viele meiner Freunde verrotten auf diesen Haufen? Die Vorstellung traf ihn hart.

      Cooper klammerte sich ans Lenkrad. Panik überkam ihn. Alle Menschen, die er je kennengelernt hatte – Verwandte, Freunde, Fremde und sogar die Arschgesichter der Welt –, die Zutaten seines Lebens, waren für immer verschwunden. Das schnürte ihm die Kehle zu. Er wollte die Flucht ergreifen, doch es gab keinen Ort, an den er sich zurückziehen konnte. Seine Eltern wohnten in einem Camper in der Wüste, außer Reichweite. Coopers Sorge um seine Schwester übertraf seine eigene vergebliche Sehnsucht nach dem Trost des Vertrauten bei weitem.

      Ihm fiel eine Bewegung auf, und als er den Kopf drehte, geriet der Haufen in Wallung. Körper rollten herunter. Zunächst dachte er, ein Tier befände sich darunter und fresse das Fleisch, oder womöglich blähten Gase, die nach dem Tod entstanden, die Leiber auf und brachten sie ins Rutschen. Dann jedoch erkannte er, dass sich die Glieder eines Toten rührten, und fühlte sich wie vom Blitz getroffen. Sein Verstand weigerte sich hinzunehmen, dass sich Menschen bewegten, die nicht mehr lebten. Doch als die erste Leiche vor ihm stand, ließ sich nicht mehr leugnen, dass etwas Unglaubliches vor sich ging.

      Er beobachtete, wie sich eine nackte Frau aufraffte und einen Augenblick lang schwankend stehenblieb, während sie sich langsam umschaute. Sie musste zu Lebzeiten attraktiv gewesen sein, doch jetzt sackte ihr Fleisch grau von den Knochen, Dreck und Müll klebten an ihr, und ihre Kopfhaut war zur Hälfte abgerissen worden, sodass sie wie ein großer Lappen am Schädel hing. Als sie sich umdrehte, sah ihr Hintern aus, als sei das Gewebe dort mit einem Käsehobel geraspelt worden. Gut möglich, dass jemand sie hinter einem Auto hergezogen hatte.

      Weitere Leichen standen mühselig auf. Cooper trat kräftig aufs Gas und würgte den Motor ab. Das Herz klopfte ihm quälend heftig in der Brust. Er betätigte die Zündung, doch nichts passierte – noch ein Riesenschreck, aber er hatte schlicht vergessen, den Schalthebel in Parkstellung zu bringen.

      Nun schaute er wieder zu den auferstehenden Toten. Durch die Infizierten zu fahren, war schauerlich gewesen, doch zu sehen, wie die Leichen sich erhoben, war einfach zu viel. Sie rutschten weiter und regten sich, darunter auch, wie er nun erkannte, sein ehemaliger Chef. Ja, der Betreiber des Imbisses starrte ihn an, was Cooper schockierte. Er glaubte nicht, etwas getan zu haben, das Aufmerksamkeit erregte.


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