TRANSFORMATION (Euphoria Z 2). Luke Ahearn

TRANSFORMATION (Euphoria Z 2) - Luke Ahearn


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dem Gesicht auf dem rauen Asphalt weinte er, als die Schreie seiner Schwester abrupt abbrachen. Er gab seinen Kampf auf, und wartete, dass sie ihn in Stücke rissen beziehungsweise bei lebendigem Leib verzehrten.

      Kapitel 8

      »Geht in Ordnung, Everet. Du bleibst hier, und ich gehe allein zurück, um ihnen zu helfen.«

      Rachael wollte sich nicht mit ihm streiten. Sie wusste, dass er ihr lieber in die immer noch dunklen Wälder folgen würde, als alleine im Haus zu bleiben.

      Bis die Sonne aufging, würde es noch eine ganze Weile dauern, und ihr war daran gelegen, Ben nach Möglichkeit auf dem falschen Fuß zu erwischen. Als sie jedoch in die Nähe der Lichtung kamen, schwelte der Horizont bereits in Zartrosa und Orange. Im Wald blieb es allerdings weiterhin dämmerig. Rachael plante, zuerst Willow umzubringen, bezweifelte allerdings, dass sie ernsthaft das Zeug dazu hatte, jemanden zu töten. Je näher sie kamen, desto ängstlicher wurde sie, weil sie nicht wusste, was sie letzten Endes tun sollte.

      »Da ist sie«, flüsterte Everet und zeigte auf die Stelle, wo der offene Platz begann. Von der Feuerstelle stieg immer noch Rauch auf. Man konnte praktisch dabei zusehen, wie es immer heller wurde.

      »Mir nach.« Rachael ging mit einem gezückten Messer vor Everet her, das sie aus dem Haus mitgenommen hatte. Nach ein paar Schritten waren sie so dicht herangekommen, dass ihr erstmals die Stille auf der Lichtung auffiel. Zuerst dachte sie, alle seien verschwunden, aber dann trat sie auf etwas Weiches, das laut schmatzte.

      »Shit!« Rachael sprang zurück und stieß prompt gegen Everet. Auf dem Boden lag ein Arm!

      Sofort rannte sie auf den Platz, wo sie zu ihrem Entsetzen auf ein wahres Blutbad stieß. Halb gefressene Leichen lagen herum, Körperteile und Blutlachen nahmen die Fläche dazwischen ein. Sie war den Tränen nahe, konnte aber trotzdem nicht weinen.

      »Hey, schau mal.« Mit einem Stock hob Everet vorsichtig einen langen Rastazopf hoch.

      Während Rachael auf der Lichtung herumging, fragte sie sich, was sie machen sollte. Bens Minibus stand noch immer am Waldrand, und wer wusste schon, ob sich jemand darin versteckte?

      »Also gut, wir sollten schnellstmöglich wieder abhauen.« Everet ließ den Haarstrang angewidert fallen und wischte sich die Hände an seinem Shirt ab.

      »Was ist, falls noch jemand lebt und Hilfe braucht?«

      Er zuckte mit den Achseln. Nicht dass er es grundsätzlich abgelehnt hätte zu helfen, aber ihm fiel einfach nichts ein, was sie unternehmen könnten.

      Rachael hob ein Holzstück auf. Als sie den Kopf eines Mädchens fand, steckte sie es in den Boden.

      Sie suchte noch einen Stock, dann einen weiteren, und rammte schließlich für jedes Mitglied des Zirkels, das sie identifizieren konnte, einen in die Erde. Oft waren nur noch fast vollkommen abgenagte Knochen übrig. Außerdem lagen große Hautfetzen herum, die jemand offenbar mit roher Gewalt abgestreift haben musste.

      Es war eine wirklich unschöne Angelegenheit, doch die beiden schafften es, zehn Personen voneinander zu unterscheiden. Somit fehlte nur noch eine, die entweder die Flucht ergriffen oder ihr Leben anderweitig gelassen hatte. Sie glaubten mit ziemlicher Gewissheit, dass es Ben war.

      Willows Überreste fanden sie letzten Endes auch noch. Die Frau war kaum noch zu erkennen. Wären nicht drei Dreadlocks mit den eingeflochtenen Muscheln und Bändchen um ihren Schädel gewickelt gewesen, hätten sie es nicht sicher sagen können. Als es heller wurde, entdeckten sie rings um die Leiche herum noch mehr Haarteile. Sie gingen davon aus, dass Ben zu Fuß getürmt war, und mit etwas Glück würden sie seine Gebeine verstreut am Waldboden, wie jene ihrer Freunde finden.

      Sobald sie wussten, dass sie alle Toten bestimmt hatten, besprachen sie ihren nächsten Zug und kamen darin überein, mit Bens Bus in die Stadt zu fahren, um sich neu zu orientieren. Everet wollte auch noch zu seiner Wohnung, falls es sich irgendwie bewerkstelligen ließ, damit er ein paar Sachen mitnehmen konnte, die ihm wichtig waren. Für Rachael grenzte dies zwar an Wahnsinn, doch sie ließ ihm trotzdem seinen Willen, denn sie brauchten ja schließlich Proviant. Dennoch wollte sie in erster Linie schnell in die Abgeschiedenheit der Luxusvilla zurückkehren und eine unbestimmte Zeit dort verweilen, ohne irgendwelche Untoten und ohne Ben, falls er noch lebte, geradewegs auf ihre Fährte zu locken. Sie fuhren deshalb weit hinaus in die dem Haus entgegengesetzte Richtung nach Monterey. Umdrehen würden sie erst, wenn sie sich sicher waren, dass ihnen niemand folgte.

      ***

      Ben lag immer noch überschwänglich selig von den Schmerzmitteln im Laderaum des Busses. Er konnte kein bisschen abschätzen, wie lange er bewusstlos gewesen war. Sich von der Stelle zu bewegen lag ihm allerdings ganz und gar fern. Nach einer Weile setzte er sich zumindest vorsichtig hin und zog die Seitentür des Wagens auf. Er reckte sich und gähnte, während sich seine Augen an das grelle Sonnenlicht gewöhnten. Dann befühlte er behutsam seine Weichteile, wobei ihm spontan der Name einer lokalen Band einfiel – The Genitals – und ihm ein Schmunzeln abverlangte. Sie hatten tatsächlich nur ein Konzert gegeben und den ersten Song gerade einmal halb gespielt, als das Publikum wütend auf die Bühne gestürmt war. Inmitten des Tumultes hatte jemand einem der Musiker die Kehle durchgeschnitten. Das Messer war hinterher aufgetaucht, der Täter jedoch in der Menge entwischt und nie gefasst worden.

      Bens Hoden taten zwar immer noch weh, doch er würde sie wohl wieder gebrauchen können. Von der Erinnerung daran, Willow sterben zu sehen – seine Langzeitreisegefährtin, Geliebte und Komplizin – hatte er sich bereits deutlich abgekapselt. Das Weibsstück bedeutete ihm nun nichts mehr. Dies traf auch auf alle anderen zu. Er bedauerte es allerdings nach wie vor, sein Messer unter den Zuschauern beim Gig der Genitals verloren zu haben, nachdem er dem einem Kerl die Gurgel aufgeschlitzt hatte. Mit so viel Blut hätte er nicht gerechnet, und dadurch war ihm die Waffe aus der Hand gerutscht.

      Nun stand er vor einem großen viktorianischen Haus mit einer dunklen Fassade.

      Es war also doch kein Traum gewesen, schlussfolgerte er. Der Bus hat sich wirklich bewegt. Er fand sich nun auf der Straße vor Zamfirs Haus wieder. Wer auch immer den Wagen gefahren hatte, war vermutlich gerade drinnen. Ben konnte sich nicht entscheiden, ob er eintreten oder sich lieber klammheimlich verpfeifen sollte. Ein paar weitere Optionen gab es allerdings auch noch.

      ***

      »Oh scheiße«, flüsterte Rachael. »Scheiße, scheiße, scheiße!«

      »Was ist?« Everet stand hinter ihr.

      »Pssst«, zischte sie. »Es ist Ben. Wie hat er uns gefunden? Glaubst du …«

      »… dass er die ganze Zeit hinten im Bus gelegen hat?«, ergänzte Everet. »Möglicherweise. Er sieht so aus, als stünde er ein wenig neben sich. Vielleicht war er so high, dass er … Hoffentlich hat er uns nicht belauscht.«

      »Nein. Wäre er mitgefahren und bei Bewusstsein gewesen, hätte er uns bestimmt angegriffen.«

      »Bist du sicher, dass Willow tot ist?« Everet machte den Eindruck, ein Gespenst gesehen zu haben.

      Rachael verdrehte ihre Augen. Sie klopfte ihm auf den Rücken.

      »Denkst du, sie könnte davongekommen sein? Vorstellbar, dass sie auch schon im Haus ist.« Der alte Mann zitterte. Vor Willow graute ihm noch mehr als vor Ben. Der war einfach nur irre, doch sie war richtiggehend bösartig.

      Rachael seufzte und klopfte ihm noch einmal auf den Rücken. Manchmal konnte sie nur darüber staunen, wie kindisch er sich benahm. Andererseits war er aber ein herzensguter Mensch, weshalb sie es sich zur Aufgabe gemacht hatte, bei ihm zu bleiben und auf ihn achtzugeben. Er brauchte sie, und bisweilen brauchte sie ihn auch. Seither hatte er sich als treuer Freund erwiesen.

      Rachael schaute misstrauisch zum Fenster hinüber. Sie schob den Vorhang leicht auseinander, um vorsichtig einen Blick auf Ben zu werfen.

      »Everet lass dir gesagt sein: Willow ist tot!«

      Er


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