TRANSFORMATION (Euphoria Z 2). Luke Ahearn

TRANSFORMATION (Euphoria Z 2) - Luke Ahearn


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besser als je zuvor und kam sich trotzdem so fremd wie nie vor. In jedem Fall beschlich ihn das starke Gefühl, dass dies nicht gut enden würde. Eine bestimmte Erkenntnis stand bei alledem allerdings noch aus, ein Blick hinter den Schleier sozusagen. Die bestehende Verbindung machte ihn nicht automatisch zum allwissenden Seher, dem nichts entging, zumindest vorerst nicht. Es war eher ein langsamer Vorgang, der ihm nur vage Eindrücke bescherte, eine willkürliche und rein visuelle Erfahrung. Alles schien sich nur in seinem Kopf abzuspielen, doch die Bande festigten sich nach und nach rapide. Unterdessen fragte sich Taffer allerdings immer wieder, worin genau diese Vereinigung bestand. Handelte es sich dabei um eine organische Entität, eine außerirdische Lebensform oder etwas von Menschen Geschaffenes? Der Verdacht, was er gerade erlebte, sei unnatürlichen Ursprungs, verhärtete sich leider mehr und mehr.

      Mit der Zeit wurde das Bild klarer und die Erfahrung wirklichkeitsgetreuer. Deshalb wirkte es weniger wie ein Hirngespinst und eher so, als befinde er sich tatsächlich an dem jeweiligen Ort, den er gerade betrachtete. Und je länger er dies tat, desto präsenter fühlte er sich. Sein Seh- und Hörvermögen, ja sogar sein Geschmacks- und Tastsinn – gerochen hatte er noch nichts – verbesserten sich und wurden zusehends schärfer.

      Über diese Bande reiste er nun um die ganze Welt, wobei er beliebig zu irgendeinem der vielen Orte abbiegen konnte, die er sich vorstellte. Er flog über Städte und Bauwerke, bisweilen sogar direkt hindurch. So erfuhr er nach und nach eine Menge über die Funktionsweise des Vorgangs an sich. Wie dieser mit den Dingen zusammenspielte, die ihm begegneten, fand Taffer besonders auffällig. Er konnte so die Entwicklung dieses Mechanismus in seiner trägen und unsteten Art fast von Beginn an bezeugen. Er vollzog mit, wie sich die Abläufe irgendwann beschleunigten, und zwar in immer schlüssigeren Bahnen. Was auch immer dieses Bündnis forcierte, zeugte vom Verhalten einer Person, die auf Entdeckungsreise ging und lernte.

      Erst als Taffer eine abgelegene Insel erreichte – so geschwind im Sog der Verbindung, dass alles rings um ihn herum verschwamm – verstand er endlich, was es damit auf sich hatte. An diesem Ort war er schon einmal vorbeigekommen und er schien den Vorgang zu begünstigen. Zuvor hatte er eine andere Richtung eingeschlagen, um die Welt weiter zu erforschen und etwas Bedeutsames zu finden, doch wie es aussah, gab es im Moment mit Hinblick auf das Ende der Menschheit nichts Bedeutsameres auf der Welt als diese Insel.

      Er setzte deshalb zum Tiefflug an, glitt auf der Strömung über die grünen Wiesen, hohen Bergspitzen und das nebelverhangene Blätterdach der Wälder. Plötzlich tat sich eine Kleinstadt voller Leben vor ihm auf. Dort standen parallel aufgereiht Armeezelte, und viele Menschen scharten sich auf den schmalen, geraden Straßen. Auf den ersten Blick wirkte es äußerst idyllisch … eine propere Zeltstadt auf einer Tropeninsel mit einer üppigen Vegetation … doch Taffer flog schnell und sah direkt hinter der Siedlung einen hohen Zaun. Dieser bestand aus einem ungeheuren Gewirr von Metallkabeln zwischen stämmigen Betonpfeilern, die sehr stark verwittert waren, überzogen mit schwarzer Fäulnis und grünen Auswüchsen des Dschungels, so als stünden sie schon seit Jahrzehnten dort. Mehrere der dicken Trossen baumelten lose zwischen Lianen, die überall am Zaun wucherten. Taffer sah nun einen Bereich, der offenbar gerade ausgebessert wurde. Dort brannten die Ranken, Arbeiter reparierten Kabel, und der Boden in der Umgebung wurde geräumt.

      Im Nu war er bei den Zelten angekommen und am Zaun vorbeigerast, allerdings nicht, ohne zu bemerken, dass es sich bei den Menschen in dieser hübschen Kleinstadt wohl um Sträflinge handelte. Die Strömung mied den Zaun anscheinend. Das fand Taffer insofern seltsam, weil sie sich ansonsten durch nichts aufhalten ließ. Ein ums andere Mal war ihm aufgefallen, dass er auf seiner Bahn von bestimmten Hindernissen abgelenkt wurde oder sie einfach umflog, doch welche Faktoren dies bedingten, musste sich ihm erst noch erschließen. Sein Weg schien diese Insel nur zu streifen und über ein kurzes Stück Ozean zu einer weiteren zu führen. Diese war größer, ihr Gebirge höher und der Urwald dichter, aber auch von einer Decke aus Nebel überzogen, die sich ausdehnte und aufbrach, während er sich in den dicken Schwaden kräuselte. Selbst wo er sich lichtete, blieb das, was darunterlag, nahezu unkenntlich.

      Taffer näherte sich nun mehreren großen Zementbunkern, die wiederum genauso grün und schwarz überwuchert waren wie die gigantischen Betonpfeiler, welche die Zeltstadt umgeben hatten. Er erhaschte Blicke auf saubere Sträßchen und kleinere Gebäude im Dickicht des Dschungels.

      Die Strömung verzweigte sich in verschiedene Richtungen, als sei sie darauf bedacht, die Insel zügig abzusuchen. Während sich Taffer mitreißen ließ, offenbarten sich einige interessante Dinge. Nicht nur die Landschaft mit ihren rauschenden Flüssen, steilen Wasserfällen und vulkanischen Höhlen, die ein komplexes System bildeten. Auf einem entlegenen Zipfel des Eilands entdeckte er eine große, verfallende Villa aus viktorianischer Zeit, ein paar Satellitenschüsseln auf einem Berggipfel, um die sich offenbar schon lange niemand mehr kümmerte, und sogar die Ruine eines uralten Tempels, wie es den Anschein hatte. Sie bestand nur noch aus einzelnen Steinen, deren Anlage – sie waren sorgfältig aufeinandergeschichtet worden – allerdings auf eine Treppe schließen ließ. All dies lag verborgen unter dem kaum zu durchdringenden Wald, anscheinend ohne dass die Strömung irgendetwas davon als wichtig erachtete. Taffer wurde bewusst, dass er möglicherweise der erste Mensch seit Jahrhunderten war, der diese Dinge sah. Seine Bahn endete damit, dass er um das größte Betongebäude herumkreiste. Das Band schlang sich nun darum, als wenn es das Gebäude abtasten wollte. Taffer fiel auf, dass die Fenster im Gegensatz zu den Wänden neu und sauber waren. Im Vorbeifliegen konnte er sogar kurz hineinschauen. In ausnahmslos jedem Raum arbeiteten Menschen jedweden Schlages an verschiedenen Gerätschaften.

      Als jemand eine Tür öffnete, beschleunigte die Strömung stärker denn je und bündelte ihre ganze Kraft, um in das Gebäude eindringen zu können. Sie schien die Tür wie ein Festkörper aufzudrücken und anschließend gegen die innere Wand zu schlagen. Taffer hörte sie pfeifen, während sie durch die engen Räumlichkeiten brauste, und dann polterten Gegenstände, die umfielen, als sie darüberfuhr, und die Schreie der Personen ertönten, die sie umschwärmte. Nichtsdestotrotz blieb vieles in dem Gebäude von ihr verschont. Taffer hatte plötzlich den Gedanken, dass Elektrizität dabei eine Rolle spiele.

      Kurz sah er erschrockene und verstörte Gesichter, während sich der Strom verdichtete, Fahrt aufnahm und die Räume durchflutete. Er war einfach nicht aufzuhalten. Offensichtlich versuchte mancher, danach zu schlagen, oder warf sich einfach auf den Boden, um ihm auszuweichen.

      So wie das Band das Gebäude durchdrang und jeden vorhandenen Winkel, jede Nische und Rille sondierte und alle Personen untersuchte, konnte man an eine wilde Hetzjagd denken. Die Informationsfülle, die sich dadurch ergab, überforderte Taffer ganz und gar. Er war vollkommen außerstande, dies zu unterbinden. Es ließ sich einfach nicht ausblenden, weshalb er schon nach wenigen Minuten befürchtete, deshalb den Verstand zu verlieren.

      Es dauerte nicht lange, und er erinnerte sich nicht mehr an seinen eigenen Namen und drohte, auch alles andere zu vergessen, was ihn selbst betraf. An eine Sache klammerte er sich jedoch krampfhaft: an seine unverfälschten Emotionen. Was er noch bewusst wahrnahm, war nur wenig und es versetzte ihn noch dazu in äußersten Schrecken.

      ***

      Als die Sonne aufging, weckte Cooper Ellen. Er zeigte besorgt auf Taffer.

      »Er hat die ganze Nacht über nicht einen Muskel bewegt.«

      Ellen schaute beklommen zu ihm hinüber und dann wieder auf Cooper, wobei sie mit den Schultern zuckte.

      »Was sollen wir denn jetzt tun?«, fragte sie.

      Er ging zu Taffer und betrachtete intensiv sein Gesicht. Was er sah, ließ ihn erschaudern: Die Pupillen waren nach innen verdreht, er wirkte abgehärmt und ausgezehrt, von seiner Leichenblässe mal ganz zu schweigen. Seine Haut war nicht nur bleich, sondern so weiß, als sei er geschminkt worden.

      Als Ellen Coopers Reaktion bemerkte, lief sie schnell zu ihm.

      »Was jetzt?«, drängte sie, doch er zog Taffer bereits nach unten, um ihn behutsam auf den Boden zu legen.

      Dann fing sie an, sanft die Wangen ihres Freundes zu tätscheln.

      ***

      Wie


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