TRANSFORMATION (Euphoria Z 2). Luke Ahearn

TRANSFORMATION (Euphoria Z 2) - Luke Ahearn


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Verbindung mit ihrer Todesangst nahezu überwältigend. Die meisten jungen Frauen weinten, und mehrere von ihnen hatten versehentlich Wasser gelassen.

      Ben ging auf und ab, während er überlegte, an wem aus seinem Gefolge er nun ein Exempel statuieren sollte. Schließlich blieb er vor einem Männerkörper stehen. Dieser zitterte nicht. Anscheinend war ihm nicht ängstlich genug zumute, und die Kälte machte ihm offenbar ebenfalls nicht allzu viel aus. Dadurch wurde er zu einem potenziellen Problem, das dringend ausgemerzt werden musste.

      Er soll es sein, beschloss Ben deshalb. So würde er direkt zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

      Fürs Erste konnte so, alles eitel Sonnenschein bleiben. Bald wollte er weiterziehen. Dass er sich entscheiden musste, den Zirkel entweder nur zum Spaß zu befehligen, oder Zamfir und Rachael gefangen zu nehmen, machte ihn wahnsinnig. Er war auf hundertachtzig, seit dieser Typ Cooper, ihn so übel zugerichtet und dann Reißaus genommen hatte. Die Vorstellung, diesen Kerl nie wieder zu Gesicht zu bekommen und ihm niemals eine Lehre erteilen zu können, regte Ben immer mehr auf.

      Kapitel 3

      »Er sieht so harmlos aus«, brummte Ron achselzuckend, während er von der zweiten Ebene des Parkhauses auf einen gut gekleideten Asiaten hinunterschaute. Fremde erregten nunmehr automatisch sein Misstrauen, doch dieser Mann kam ihm nicht bedrohlich vor. Nichts an ihm stach hervor, was Ron eigentlich hätte stutzig machen sollen. Trotzdem … Er zweifelte mittlerweile an seinem eigenen Urteilsvermögen. Die Tatsache, dass der Mann perfekt Englisch sprach, bereitete ihm noch mehr Kopfzerbrechen, wie er sich eingestehen musste, obwohl er wusste, dass es ungerecht war, dies als Grund anzuführen.

      Dale, der jetzt glatt rasiert war und die Haare kurzgeschoren hatte, stand neben Ron und betrachtete den Mann ein wenig skeptischer, nämlich mit dem erfahrenen Auge eines Polizisten. Er spürte, dass etwas an dieser Sache nicht ganz koscher war.

      »Hey Alvin«, rief er laut und deutlich. »Du sagst, du seist allein?«

      »Ja, sonst ist niemand bei mir.« Seine Gesten, ein Schulterzucken mit offen ausgestreckten Händen, suggerierten Offenheit.

      Dale blieb jedoch noch einiges unklar: Warum bist du dann unbewaffnet? Wo sind deine ganzen Habseligkeiten? Und wieso siehst du aus, als seist du gerade eben vom Herrenausstatter gekommen?

      Er rang mit sich selbst, bis er einsah, dass er niemanden aus diesen Gründen aus ihrer Gemeinschaft ausschließen durfte. Darum würde er diesem Neuankömmling – Alvin – bis zu einem gewissen Grad vertrauen müssen, ihn aber trotzdem genau im Auge behalten.

      Er wünschte sich eine weitere Option, aber nicht um ihrer selbst willen, sondern um sich besser mit dem verschlossenen alten Mann austauschen zu können.

      »Hey Francis, was meinst du?«, fragte er wiederum laut, damit dieser ihn auch hörte, da er gerade unter der offenen Haube eines Autos in der Nähe arbeitete.

      Francis Burwell, auch Weed genannt, zuckte bei der Nennung seines bürgerlichen Namens zusammen. So gerufen zu werden ging ihm immer gegen den Strich, aber ganz besonders dann, wenn dieses Schwein es tat.

      Mach dir keinen Kopf, beschwichtigte er sich selber. Das wird sowieso nicht lange gut gehen, nicht mit deiner Widerborstigkeit und Gewaltbereitschaft. So oder so wird es bald vorbei sein. Wie üblich fiel es ihm leicht, seine wahren Gefühle während des Umgangs mit der Gruppe zu verbergen.

      Weed – so hieß er in erster Linie nach seinem eigenen Selbstverständnis – unterbrach seine Arbeit am Motor kurz und richtete sich auf. Dabei ermahnte er sich noch einmal: Mach dich nicht zu groß. Du sollst wie ein klappriger alter Sack wirken, nicht wie ein Springinsfeld. Wahre den Schein.

      Er fuhr sich erst einmal mit einem Ärmel über die Stirn. Die Rolle des großväterlichen Francis beherrschte er bereits souverän. Er bewegte sich stets langsam und ging gebeugt, wobei er so tat, als würde er Dinge vergessen, die ihn gar nicht genug interessierten, um sie sich überhaupt zu merken. Einen gefährlichen Eindruck machte er auf keinen Fall, und niemand bat ihn je darum, etwas Schweres zu heben. Der durchgeknallte, gewiefte Jungspund hatte ihm aufgetragen, dass er die Batterien aller Fahrzeuge auf der zweiten Ebene ausbauen soll. Als er nun zu ihm hinüberging, hielt er den großen Schraubschlüssel, den er dazu verwendet hatte, in der Hand und schaute Dale fest in die Augen. Mensch, hätte ihn der Cop doch einfach nur in Ruhe gelassen … Er versuchte hier doch nur, zu überleben, genauso wie alle anderen auch, und er wollte nicht, dass es so losging.

      Dale setzte nun wieder diesen Gesichtsausdruck auf – diesen Bullenarschlochblick, wie um zu sagen »unschuldig, bis das Gegenteil bewiesen ist«. Vor dem Fall der Menschheit hatte er als verdeckter Ermittler gearbeitet, und Weed erkannte, dass dieser vermutete, dass hinter seiner Fassade des alten Mannes mehr steckte. Das stimmte natürlich auch, er war weit mehr … oder zumindest war er es gewesen. Der alte Francis hatte lange Zeit sein Bestes versucht, um den Wichser links liegen zu lassen, bis er sich irgendwann wieder beruhigte, sodass er in Frieden weiterleben konnte, doch mit der Zeit war die Stimmung immer gereizter geworden. Weed ging es in erster Linie darum, nicht als Verdächtiger dazustehen, wenn was auch immer irgendwann passierte.

      »Es ist doch recht warm, Großpapa, willst du nicht lieber dein Hemd ausziehen? Oder wenigstens die Ärmel hochkrempeln?« Dies schlug Dale garantiert vor, um auf das Verhalten des alten Mannes aufmerksam zu machen, den sie alle so blauäugig als ungefährlichen Greis akzeptiert hatten.

      »Lass gut sein, Dale«, murmelte Ron zerstreut.

      Dale konnte nicht verstehen, dass Ron zwar komplett paranoid war, was die Aufnahme Fremder in ihre Gemeinschaft anging, aber keine echte Bedrohung erkannte, wenn sie sich genau vor ihnen auftat. Soweit Dale wusste, war er mindestens zwei Mal beinahe von Bikern kaltgemacht worden. Besonders schwer tat er sich damit, dass ihm Ron nicht mehr Vertrauen schenkte, wo er doch bei der Polizei geheime Identitäten angenommen hatte und sich deshalb im Umgang mit gesetzlosen Motorradgangs bestens auskannte. Sal hingegen hängte sein Fähnchen immer nur in Rons Wind.

      Die Zwei bestanden darauf, dass er diesem Mann eine Chance gab.

      Eine Chance, uns alle umzubringen, dachte Dale. Für ihn strahlte der Typ allein schon wegen seines generellen Auftretens etwas Komisches aus. Anhand von Faktoren wie Körperhaltung, Sprechweise und Wortwahl würde er ihn irgendwo in der Unterwelt des Verbrechens einordnen. Dale störten auch Einzelheiten wie die weiße Haut an mehreren Fingern, wo der Kerl recht dicke Ringe getragen haben musste. Er hatte außerdem zahlreiche Piercings in den Ohren, die er noch nicht lange besitzen konnte, weil die Wunden noch dabei waren zu verheilen. Dies hatte Dale in den ersten fünf Minuten erkannt, nachdem Francis aufgekreuzt war. Nicht vergessen durfte man natürlich das langärmelige Flanellhemd, das er während der ungefähr sieben Tage, die er nun schon bei ihnen war, nicht ein einziges Mal ausgezogen hatte. Dale vermutete, dass es einen von Tätowierungen übersäten Körper verbarg, der die Lebensgeschichte des alten Francis erzählte. Außerdem war da noch der breite Verband an seinem Hals, bestimmt zum Verstecken eines weiteren Tattoos, was der Hemdkragen allein wohl nicht vermochte. Er hielt ihn mit großer Wahrscheinlichkeit für einen Biker, obwohl er vielleicht auch nur locker mit solchen in Verbindung stehen könnte. Waren es vielleicht sogar jene, gegen die sich die Gruppe kürzlich erst behauptet hatte? Dale befürchtete, dort draußen könne es noch mehr von ihnen geben.

      Schließlich lächelte er und nickte. »War nur ein Scherz. Ich wollte dich bloß Alvin vorstellen.«

      »Schön.« Francis versuchte, ebenfalls zu lächeln, doch es gelang ihm nicht.

      Scheiß drauf, Weed, ein schönes Gesicht für die Cops zu machen ist eben unnatürlich, dachte er. Stell dich am besten neben den Schwarzen, das macht einen guten Eindruck. Deshalb trat er an Rons Seite, um zu präsentieren, dass er sich wohlfühlte und ihre Kameradschaft schätzte.

      Im Laufe der Jahre hatte er gelernt, dass sich Menschen leicht von zahllosen kleinen Tricks wie diesem steuern ließen. Sie gehörten sogar zu seinem Kampfstil. Da dieser äußerst schmutzig war, denn er selbst war ein abgefeimter, fieser, rundheraus grausamer Mistkerl, tat er sich keinen Zwang an, jemandem zuzulächeln, zum Himmel


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