Schlank durch OP. Faris Abu-Naaj
anzueignen, unser Überleben sicherte. So konnten bereits unsere Vorfahren in »guten Zeiten« ihre Fett- und somit Energiedepots aufbauen, um in »schlechten Zeiten« davon zu profitieren. Mittlerweile gibt es gerade in den Industrieländern ausschließlich sogenannte »fette Zeiten«. Dies bedeutet, dass hier lebende Menschen keine Zeiten erleben, in denen die aufgebauten Fettdepots aufgrund von »Nahrungsknappheit« oder wirtschaftlicher Not aufgebraucht werden. Hinzu kommen noch drei weitere Faktoren:
1.Berufs- und Lebenssituation
In einer Zeit der Automatisierung und Technisierung sinkt der Anteil an körperlichen Tätigkeiten stetig, während Büroarbeiten immer weiter zunehmen. Dies beeinflusst unsere Gewichtssituation erheblich. Auch im Privatleben neigen wir zu immer mehr Bequemlichkeit. So verbringen wir unsere Freizeit zunehmend vor dem PC oder Fernseher und widmen uns einer Vielzahl von medialer Unterhaltung und Kommunikationsangeboten. Dabei bieten sich uns reichlich Gelegenheiten zum Essen und Naschen. Sportliche Tätigkeiten beziehungsweise körperliche Betätigung rücken bei vielen Menschen in den Hintergrund. Passt man nun seine Ernährungsgewohnheiten nicht diesem Minus an Bewegung an, ist ein Plus auf der Waage garantiert.
2.Nahrungsangebot und -qualität
Jeder von uns erlebt fast täglich die Zunahme des Angebotes an fettreicher und zuckerhaltiger Nahrung. Immer mehr neue Snacks und kalorienreiche Lebensmittel begegnen uns mittlerweile nicht nur in Supermärkten, sondern auch in Kinos, Tankstellen, ja sogar Baumärkten. Die Industrie hat schon lange erkannt, dass Fett und Zucker beliebte Geschmacksträger sind und führt diese beiden »Dickmacher« immer mehr Produkten zu. Häufig ist dies für den Verbraucher nicht ersichtlich. So stellen selbst vermeintlich gesunde Lebensmittel häufig wahre Kalorienbomben dar.
3.Ernährungsweise
Neben dem zunehmenden Angebot an Lebensmitteln hat sich auch unsere Ernährungsweise deutlich verändert. Kam Fleisch früher lediglich einer Beilage gleich, rückt es heute immer mehr in den Mittelpunkt. Dies betrifft sowohl die Menge als auch die Häufigkeit des Konsums. Geschuldet ist diese Entwicklung dem stetig sinkenden Preis von Fleischerzeugnissen. So dokumentiert beispielsweise Wikipedia, dass in Deutschland im Jahr 1950 ein Kilogramm Schweinefleisch 1,6 Prozent des monatlichen Nettoverdienstes kostete, während es 2002 lediglich 0,28 Prozent waren. Auch neigen wir in unserer Ernährungsweise zum häufigen Konsum von Schnellgerichten und zuckerhaltigen Getränken. Das bekannte Drei-Mahlzeiten-Modell ist für viele Jugendliche und Erwachsene nicht mehr existent. Zu unserem Alltag gehören heute eine schnelle Wurst an der Bude vor dem Supermarkt oder die Nachos mit Käse-Dip im Kino. Dabei sinngemäß ins Gewicht fällt, dass diese Art der Nahrung keine der Hauptmahlzeiten ersetzt, sondern lediglich ergänzt.
Ist Adipositas eine Krankheit oder nur eine Charakterschwäche?
Adipositas oder krankhaftes Übergewicht ist eine Erkrankung mit vielen unterschiedlichen Ursachen. Wir sprechen von Adipositas, wenn Menschen einen sogenannten Body-Mass-Index (BMI) von über 30 kg/m2 haben. Die Ursache für krankhaftes Übergewicht ist dabei einfach auszumachen: Der Körper bekommt zu viel Energie in Form von Lebensmitteln und verbraucht zu wenige Kalorien in Form von Bewegung. Dadurch entsteht ein Überschuss, der als Fett in den Fettzellen gespeichert wird. Auch wenn sich Mediziner und Wissenschaftler in diesem Punkt einig sind, existieren noch viele andere Bereiche, die nicht vollständig geklärt werden konnten: So gibt uns die Steuerung von Appetit/Hungergefühl ebenso gewisse Rätsel auf, wie die Tatsachen, dass Menschen einen unterschiedlich hohen Energiegrundverbrauch haben und der Stoffwechsel durch viele falsche Diäten ungünstig verändert wird. Auch wenn wir in den vergangenen Jahren große Fortschritte auf diesen Gebieten gemacht haben, besteht nach wie vor ein erheblicher Forschungsbedarf. Gleiches gilt für genetische Faktoren.
Für die Behandlung der Adipositas bedeutet dies, dass die Patienten individuell untersucht und behandelt werden müssen. Diese Krankheit einfach als Charakterschwäche abzustempeln, entspricht oft nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Die American Medical Association (AMA), die größte Standesvertretung US-amerikanischer Ärzte und Medizinstudenten, beschloss 2013, dass Adipositas nicht länger nur als körperlicher Zustand oder Risikofaktor, sondern als eine Erkrankung zu definieren ist. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und viele weitere Institutionen kamen zum gleichen Ergebnis. Es findet demnach auch hier ein Umdenken statt. So wird die Adipositas mittlerweile weltweit als Krankheit wahrgenommen und nicht als Willensschwäche ausgelegt.
Welche Therapieformen für adipöse Menschen sind effektiv?
Die universelle Pille gegen Adipositas gibt es nicht. Dies liegt im Wesentlichen daran, dass diese Krankheit, wie eben beschrieben, viele Ursachen haben kann und meist sogar mehrere Faktoren zusammentreffen.
Zum einen gibt es die konservativen Behandlungsstrategien wie medikamentöse Behandlung, qualifizierte Ernährungsberatung beziehungsweise -therapie und Verhaltenstherapie.
Die Ernährungsberatung zielt auf eine langfristige Umstellung der Ernährungsweise hin zu einer ausgewogenen und gesunden Kost.
Bei einer Verhaltenstherapie geht es darum, zu erkennen, in welchen Situationen man sich falsch ernährt und warum. Wenn man zum Beispiel isst, weil man Stress im Job oder privaten Ärger hat, kann man mit Hilfe eines Verhaltenstherapeuten Strategien entwickeln, welche die seelische Belastung durch andere Instrumente als den Nahrungskonsum abbauen.
Die dritte Säule der konservativen Therapie ist eine sich langsam steigernde, den individuellen Möglichkeiten angepasste Bewegungstherapie.
Erst wenn diese konservativen Behandlungsmethoden versagen und die Gewichtssituation einen BMI von 40 beziehungsweise 35 kg/m2 bei bereits eingetretenen Folgeerkrankungen (Zuckerkrankheit, …) erreicht hat, sollte eine bariatrische Operation in Betracht gezogen werden. Aber auch hier kann der Behandlungserfolg nicht garantiert werden. Vielmehr hängt es von der richtigen Wahl der Operationsmethode, der Mitwirkung des Patienten und dem Gesamtkonzept der Behandlung ab.
Die Praxis zeigte uns, dass auch eine Operation nur zum Erfolg führt, wenn die konservativen Therapien qualifiziert und langfristig in die Behandlung integriert werden.
Es gibt also kein Entweder-oder?
Nein, denn eine operative Maßnahme ist noch lange keine langfristige Therapie. Nach der Operation verlieren unsere Patienten in der Regel sehr schnell und erheblich an Gewicht. Sie fühlen sich wohler und die gesamte gesundheitliche Situation verbessert sich deutlich. Auch Begleiterkrankungen reduzieren sich drastisch oder verschwinden vollständig. Zudem können Ernährungsumstellung und Verhaltensveränderungen durch die einschränkende Komponente der Operation effektiv greifen. Ferner sind Bewegungs- oder Sportprogramme nach einem ersten deutlichen Gewichtsverlust für die Patienten viel leichter realisierbar. Ganz wesentlich ist auch die Motivation unserer Patienten. Der Erfolg durch die Operation motiviert die Betroffenen, die Verhaltens-, Bewegungs- und Ernährungstherapie viel engagierter und zuverlässiger anzunehmen.
Nach einer gewissen Zeit entwickelt der Körper unterschiedliche Mechanismen, welche die malabsorptiven und restriktiven Prozesse verringern. Auch wenn dies erst nach Jahren passiert, so gilt doch, dass derjenige, der dann nicht gelernt hat, seine Ernährung und Bewegungsweise deutlich positiv zu verändern, auch wieder zunehmen wird.
Ich bin davon überzeugt, dass die effektivste Therapie für viele stark übergewichtige Menschen in einer chirurgischen Maßnahme besteht, die in ein breites und kompetentes Therapiekonzept eingebunden sein sollte.
Wird eine operative Maßnahme in Deutschland zu wenig angewandt?
Zumindest belegen Zahlen aus dem Ausland, dass trotz