Mikrochirurgische Endodontologie. Bertrand Khayat
muss kontaktiert und das Risiko gegen den Nutzen der Behandlung abgewogen werden.
Hat der Patient eine durchschnittliche Dosis von mehr als 35 Gy an dem Knochen des Zahns oder der Zähne erhalten, die zu behandeln sind, ist der apikalchirurgische Eingriff kontraindiziert.
2. Risiko einer medikamentös bedingten Kieferosteonekrose
Patienten unter antiresorptiver (intravenöse oder orale Bisphosphonate und RANKL-Inhibitoren) oder antiangiogener Medikation (zur Behandlung von Osteoporose und bestimmten Krebsarten, wie Brust-, Prostata- oder Lungenkrebs) unterliegen nach chirurgischen Eingriffen einem erhöhten Osteonekroserisiko. Aktuelle Empfehlungen definieren folgende vier Risikopatientengruppen mit absteigendem Risiko15:
Patienten, die im Rahmen einer Krebstherapie intravenöse Bisphosphonate oder antiangiogene Medikamente erhalten
In dieser Patientengruppe besteht ab der ersten Injektion ein Osteonekroserisiko von 1 %. Apikale Chirurgie ist kontraindiziert.
Patienten, die seit mehr als 4 Jahren orale Bisphosphonate zur Osteoporosebehandlung einnehmen
Das Osteonekroserisiko ist gegenüber gesunden Patienten erhöht, aber deutlich verringert als bei Patienten, die Bisphosphonate intravenös erhalten (100-mal geringer)16.
Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass die Erfolgsrate der Behandlung einer Bisphosphonat-induzierten Osteonekrose größer ist, wenn die Medikation vor dem chirurgischen Eingriff ausgesetzt wird17.
Die Einnahme sollte unterbrochen werden, bis eine vollständige Knochenheilung eingetreten ist.
Wenn die Gesundheit des Patienten dies zulässt, wird empfohlen, nach Konsultation mit dem behandelnden Arzt die Bisphosphonateinnahme 2 Monate vor dem Eingriff abzusetzen.
Patienten, die seit weniger als 4 Jahren orale Bisphosphonate in Kombination mit Kortikosteroiden oder antiangiogenen Medikamenten zur Osteoporosebehandlung einnehmen
Die zusätzliche Einnahme von Kortikosteroiden oder Antiangiogenen erhöht das Osteonekroserisiko.
Hier ist wie bei Patienten, die seit mehr als 4 Jahren Bisphosphonate einnehmen (vorige Gruppe), zu verfahren.
Patienten, die seit weniger als 4 Jahren orale Bisphosphonate zur Osteoporosebehandlung einnehmen und bei denen keine weiteren Risikofaktoren vorliegen
Auch hier kann nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt die Bisphosphonateinnahme 2 Monate vor dem Eingriff ausgesetzt werden.
Bei Patienten, die mit oralen Bisphosphonaten behandelt werden, sollte sich die Verschreibung einer antibiotischen Prophylaxe vor einer Wurzelspitzenresektion primär nach dem Infektionsrisiko, nicht nach der oralen Bisphosphonattherapie richten.
Der Eingriff wird wie bei Patienten durchgeführt, die keine Medikamente einnehmen.
D. Kontraindikationen aufgrund eines kardiovaskulären Risikos
Die arterielle Hypertonie ist eine kardiovaskuläre Erkrankung, die durch einen systolischen Blutdruck von über 140 mmHg und einen diastolischen Blutdruck von über 90 mmHg charakterisiert ist. Sie ist die häufigste Ursache für kardiovaskulär bedingte Todesfälle18. Vor jeder Operation ist insbesondere bei Patienten mit Hypertonie der Blutdruck zu bestimmen, um sicherzustellen, dass dieser gut eingestellt ist. Die einfachste Möglichkeit besteht in einer Blutdruckmessung beim Beratungstermin und einer zweiten Messung am Tag der Intervention. Eine Hypertonie wird nur dann diagnostiziert, wenn wiederholt hohe Werte gemessen werden. Da Anstrengung und Stress zu einer Erhöhung des Blutdrucks führen, ist die Blutdruckmessung am ruhenden Patienten durchzuführen (Abb. 1).
Abb. 1 Handgelenk-Blutdruckmessgeräte sind eine einfache Möglichkeit, um den Blutdruck des Patienten vor dem Eingriff in der Praxis zu bestimmen.
Bei zu hohem Blutdruck sollte der Eingriff verschoben und der Patient an seinen Arzt überwiesen werden, um abklären zu lassen, ob eine medikamentöse Behandlung erforderlich ist.
Liegt der Blutdruck systolisch über 150 mmHg und diastolisch über 120 mmHg, ist der Eingriff kontraindiziert.
II. Lokale Kontraindikationen
A. Anatomische Kontraindikationen
1. Dicke und Anatomie des Knochens
Wenn der zu entfernende Knochen zu dick ist und keinen adäquaten Zugang zur Wurzelspitze gestattet, kann der Eingriff nicht durchgeführt werden. Diese Situation tritt häufig an den zweiten Unterkiefermolaren auf (Abb. 2)19. In der Molarenregion hat die bukkale Kortikalis eine größere Dicke und neigt sich zudem stärker horizontal (Abb. 3).
Abb. 2a Röntgenaufnahme eines Zahns 37, die keine Informationen zur Dicke der bukkalen Kortikalis und der Position der Wurzelspitzen liefert.
b Im DVT-Schnitt werden die enorme Dicke der bukkalen Kortikalis und die linguale Position des Apex sichtbar.
Abb. 3 Veränderung der bukkalen Knochendicke vom ersten zum dritten Molaren.
Ähnlich ist die Situation im Bereich der zweiten Oberkiefermolaren. Der Winkel des Processus zygomaticus kann hier einen adäquaten Zugang zu den Wurzelspitzen verhindern (Abb. 4). Auch die Spina nasalis anterior kann abhängig davon, wie weit sie protrudiert, den chirurgischen Zugang behindern (Abb. 5).
Abb. 4 Der DVT-Schnitt zeigt einen sehr horizontalen Verlauf des Processus zygomaticus maxillae, der einen chirurgischen Zugang verhindert.
Abb. 5a Zahn 11 mit kalzifiziertem Wurzelkanal und einer periapikalen Läsion.
b Der DVT-Schnitt zeigt eine deutliche Protrusion der Spina nasalis anterior, die keinen adäquaten chirurgischen Zugang gestattet.
Werden die Apikalregionen anhand von DVT-Schnitten analysiert, können diese anatomischen Strukturen bewertet werden.
Ähnlich problematisch kann sich der palatinale Zugang zur palatinalen Wurzel des ersten oberen Molaren gestalten. Ist die Wurzel lang und der Gaumen flach, lässt die große Knochendicke einen adäquaten Zugang zum apikalen Drittel nicht zu.
Wenn Läsionen auf die palatinale Wurzel oberer erster Molaren beschränkt sind, ist ein bukkaler Zugang kontraindiziert, wenn die Wurzeln zu stark divergieren und die Osteotomie durch die Kieferhöhle verlaufen würde