Mikrochirurgische Endodontologie. Bertrand Khayat
Behandlung bleibt der Zahn strukturell geschwächt und die Überlebensrate sinkt. Daher ist hier der chirurgische Ansatz die konservativste Lösung, denn der Zahn wird weder durch eine Zugangskavität noch durch die Suche nach der Kanalöffnung geschwächt. Der apikale Anteil des Wurzelkanals, der den größten Durchmesser aufweist, ist gut zugänglich. Da der Kanal vollständig gereinigt, aufbereitet und gefüllt werden kann, ist die Erfolgsrate sehr hoch (Abb. 16). Zudem bleibt die mechanische Festigkeit des Zahns erhalten.
Abb. 16a Obliterierter Wurzelkanal und endodontisch bedingte periapikale Läsion nach Trauma an einem Zahn 22.
b Der Zahn wurde ausschließlich chirurgisch behandelt. Da keine Zugangskavität angelegt wurde, bleibt die ursprüngliche Festigkeit der Zahnkrone erhalten.
c Heilung nach einem Jahr.
B. Dens invaginatus
Der Dens invaginatus oder Dens in dente ist eine Anomalie, die durch partielle, unterschiedlich tiefe Einstülpung (Invagination) des Schmelzorgans während der Zahnentwicklung entsteht. Am häufigsten sind die oberen lateralen Schneidezähne betroffen. Normalerweise besteht keine direkte Verbindung mit der Pulpa.
Die Behandlung solcher Zähne ist immer anspruchsvoll. Eine präoperative Beurteilung und der Einsatz eines dreidimensionalen Bildgebungsverfahrens sind unabdingbar18. Die konventionelle Wurzelkanalbehandlung ist besonders kompliziert, in manchen Fällen sogar unmöglich. Der chirurgische Ansatz ist einfacher und ermöglicht einen optimalen Zugang über den Apex, womit das Dentin und der koronale Schmelz geschont werden (Abb. 17). Die Struktur und ursprüngliche mechanische Festigkeit des Zahns bleiben erhalten.
Abb. 17a Dens invaginatus und endodontisch bedingte Läsion an einem Zahn 12.
b Präparation des interradikulären und des intraradikulären Raums.
c Retrograde Füllung der präparierten Bereiche.
d Röntgenkontrolle der Präparation und Füllung.
e Vollständige Heilung nach einem Jahr.
C. Unreife Zähne
Unreife Zähne mit Pulpanekrose und periradikulären Läsionen können auf verschiedene Weise behandelt werden. Bei sehr unreifen Zähnen mit kaum entwickelten Wurzeln und sehr dünnen Wurzelwänden bildet die Revaskularisation die Behandlung der Wahl. Wenn die Wurzeln dagegen ihre definitive Länge fast erreicht haben und die Wurzelwände ausreichend dick sind, kommt als übliche Lösung die Apexifikation infrage19.
Die Revaskularisation nekrotischer unreifer Zähne hat das doppelte Ziel, eine Heilung der endodontisch bedingten Läsion herbeizuführen und vitales Gewebe im Kanal zu regenerieren, um eine Verdickung der Kanalwände und einen apikalen Verschluss zu erreichen. Die Zuverlässigkeit dieser Technik im Hinblick auf das zweitgenannte Ziel wird in der aktuellen Literatur allerdings unterschiedlich bewertet20. Kommt es zu einer Verdickung der Wurzelwände, geschieht dies häufig apikal des im Kanal platzierten MTA-Zements (Mineral Trioxid Aggregat).
Das MTA wird meist auf Höhe des Zahnhalses platziert, manchmal auch weiter apikal. Daher verdicken in der Regel nicht die Wurzelwände im Zervikalbereich, in dem der Zahn jedoch besonders verstärkt werden müsste, um weniger frakturanfällig zu sein. Die Apexifikation führt zu guten Erfolgsraten, aber die Zähne zeigen sich mittelfristig frakturanfällig mit einer hohen Frakturrate nach 4 Jahren21. Wenn nekrotische unreife Zähne mindestens zwei Drittel ihrer endgültigen Länge erreicht haben, kommt eine chirurgische Behandlung in Betracht. Vorteil dieser Option ist, dass der Zugang zum Kanal über die breiteste Öffnung erfolgt, keine Zugangskavität präpariert werden muss und die Krone unversehrt bleibt. Weil die Zugangskavität fehlt, ergibt sich zudem ein optimaler koronaler Verschluss (Abb. 18).
Abb. 18a Endodontisch bedingte Läsion nach Trauma eines unreifen Zahns 11 mit intakter klinischer Krone.
b Vestibulooraler DVT-Schnitt zur Bewertung der Länge und Dicke der Wurzelkanalwände.
c Intraoperatives Bild der resezierten Wurzel und Wurzelkanalfüllung.
d Postoperative Röntgenkontrolle.
e Vollständige Heilung der Läsion nach einem Jahr.
Zusammenfassung
Die apikale Chirurgie ist indiziert, wenn eine periradikuläre Läsion nach der Wurzelkanalbehandlung persistiert, und zwar nach einer adäquaten Behandlung aus folgenden Gründen:
●anatomische Hindernisse einer adäquaten Instrumentierung,
●extraradikuläre Infektion,
●echte Zyste.
Nach einer inadäquaten Wurzelkanalbehandlung kommen folgende Gründe infrage:
●orthograde Revision nicht möglich,
●Stufe, Instrumentenfraktur apikal einer Kurvatur, Perforation,
●vorhandene prothetische Rekonstruktion,
●vorhandener Stiftaufbau.
Die apikale Chirurgie kann zudem nach dem Misserfolg eines früheren apikalchirurgischen Eingriffs indiziert sein, der mit einer herkömmlichen Technik durchgeführt wurde.
Schließlich kommt dieser chirurgische Ansatz als primäre Therapie anstelle einer konventionellen Wurzelkanalbehandlung bei kalzifizierten Wurzelkanälen, einem Dens invaginatus oder an einem unreifen Zahn in Betracht.
Literatur
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4.Carr GB, Schwartz RS, Schaudinn C, Gorur A, Costerton JW. Ultrastructural Examination of Failed Molar Retreatment with Secondary Apical Periodontitis: An Examination of Endodontic Biofilms in an Endodontic Retreatment Failure. J Endod 2009;35(9):1303–1309.
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