Crossover. Fred Ink

Crossover - Fred Ink


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auf die weißen Dinger da auf, Harry. Brennen wie Sau, wenn man sie anfasst.«

      Der alte Knacker schenkte Tom einen finsteren Blick. »Mein Name ist Harald«, grummelte er.

      »Harry klingt lockerer«, entschied Tom.

      Der Alte schnaubte, sagte aber nichts. Und das war Tom ganz recht so. Harry hatte schon so einiges erzählt, seit sie zusammen unterwegs waren, und nichts davon hatte ihm gefallen.

      »Ich glaube nicht, dass du halluzinierst, weil du Drogen genommen hast«, hatte er gesagt. »Ich sehe dieselben Dinge, und ich glaube kaum, dass ich solche Substanzen konsumieren würde. Zuerst habe ich törichterweise angenommen, dies wäre so etwas wie die Hölle oder zumindest ein Ort jenseits des Lebens, aber deine Anwesenheit zeigt mir, dass es eine weniger fantastische Erklärung geben muss. Du hast ebenfalls das Gedächtnis verloren, sagst du?«

      »Ja«, hatte Tom nickend erwidert, »aber ich glaub, es kommt langsam zurück. Mir ist vorhin wieder eingefallen, wer meine Mom ist und was ich so mache.«

      Dass Mom im Cougars strippte und seine Hauptbeschäftigung aus Schulschwänzen bestand, hatte er aber für sich behalten.

      »Dieses Gefühl habe ich ebenfalls«, hatte Harry gekrächzt und auf einen mit Schleim bedeckten Metallklumpen gezeigt. »Ich erkenne dieses Gerät. Es handelt sich um eine Zentrifuge, oder zumindest um ihre Überreste. Und das dort hinten war einmal ein Abzug. Darin konnte man Dinge aufbewahren, die giftige Dämpfe abgesondert haben – sie wurden durch diese Leitungen dort abgesaugt, siehst du? So etwas gehört in ein Labor, und ich vermute, dass ich früher mit solchen Geräten gearbeitet habe.«

      Tom hatte keinen Plan gehabt, was ein Zentri… Dings war, aber er hatte es sich nicht anmerken lassen. Harry quasselte ihn auch so permanent mit langweiligem Scheiß voll.

      Der Alte war klapprig und schwach, seine Arme und Beine bestanden praktisch nur aus Knochen und Leder. Und weil er barfuß unterwegs war, musste er höllisch aufpassen, wo er hintrat. Das alles bedeutete, dass sie verschissen langsam waren. Und die ganze Zeit über sabbelte Harry vor sich hin. Wenn einen Opa zu haben bedeutete, so einen Rotz öfter ertragen zu müssen, war Tom froh, dass er keinen Opa hatte. Den einen hatte er nie gesehen, er war wohl genauso ein Arschloch wie Dad, und der andere hatte ins Gras gebissen, als Tom noch eine Teppichratte gewesen war.

      Kann ich mich zur Abwechslung vielleicht mal an was Cooles erinnern?, dachte er.

      Langsam – so verdammt langsam! – tasteten sie sich tiefer in das Gebäude vor. Harry bestand darauf, Räume mit Fenstern zu meiden, falls das möglich war, weshalb es um sie herum meist ziemlich düster zuging. Strom gab es nicht, und selbst wenn es welchen gegeben hätte, wären da keine intakten Lampen gewesen.

      Der Alte war überhaupt verdammt vorsichtig. Er schielte um jede Ecke, blieb immer wieder stehen und legte den Zeigefinger an den Mund, um zu lauschen. Er war ein echter Schisser. Und so jemand nannte ihn eine Memme!

      »Mann, was suchen wir eigentlich?«, maulte Tom schließlich. Das sinnlose Rumgewackel ging ihm auf die Eier, und außerdem war sein Hunger inzwischen echt übel geworden.

      Harry blieb stehen. Er sah sich nach allen Seiten um, ehe er antwortete: »Anhaltspunkte. Ich möchte herausfinden, wo wir sind.«

      »Dann geh raus und kuck’s dir an. Da gibt’s doch bestimmt irgendwo ein Schild oder …«

      Harry blieb stehen und funkelte ihn an. »Ich habe dir doch gesagt, was da draußen ist! Ich setze keinen Fuß vor diese Mauern, es sei denn, mir bleibt keine andere Wahl.«

      »Mann, was soll das denn für ein Vieh gewesen sein? Godzilla oder wie?«

      Harry schwieg einige Sekunden lang. »Nach allem, was ich gesehen habe, wäre das durchaus möglich«, flüsterte er schließlich, und aus irgendeinem Grund lief Tom bei den Worten ein Schauer über den Rücken.

      »Und du sagst, daran wären keine Pilze schuld? Alter, das kannst du doch nicht wirklich glauben!«

      »Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Aber ich weiß, was ich tun werde: Ich werde mich wie ein Wissenschaftler verhalten. Ist dir klar, wie ein Wissenschaftler vorgeht, wenn er etwas nicht versteht? Wenn er den Dingen auf den Grund gehen möchte?«

      Er macht irgendwelches langweiliges Zeugs?, dachte Tom, sagte aber nichts und schüttelte stattdessen den Kopf.

      Harry verzog den Mund. War das etwa ein Lächeln? Hatte der alte Furz Spaß daran, ihm Vorträge zu halten?

      »Er beobachtet. Er sammelt Informationen. Das ist es, was wir gerade tun. Wir erforschen diesen ehemaligen Laborkomplex. Dadurch erhalten wir hoffentlich genügend Informationen, um zum nächsten Punkt der wissenschaftlichen Arbeitsweise überzugehen: Wir erstellen eine Hypothese.«

      Tom wollte nicht fragen. Aber irgendwie wusste er, dass er sowieso keine Ruhe haben würde, bevor Harry alles losgeworden war. »Hypo… was?«

      Harry hob einen Finger. Ein alter Mann in fleckiger Unterhose, der tat, als sei er der größte Schlaumeier der Welt, sah echt verschickt aus, fand Tom. Wenigstens hatte er sich inzwischen an Harrys Pissegestank gewöhnt.

      »Hypothese. Das bedeutet, dass wir uns überlegen, was zu den Phänomenen geführt haben könnte, die wir beobachten. In unserem konkreten Fall sollten diese Überlegungen Fragen beinhalten wie: Warum ist alles dermaßen heruntergekommen? Weshalb gedeihen hier Gewächse, die wir niemals zuvor gesehen haben? Warum ist der Himmel lila und nicht blau? Aus welchem Grund sind an diesem lilafarbenen Himmel zwei Sonnen zu sehen? Und natürlich: Was war das für eine Kreatur, der ich vorhin begegnet bin?«

      »Alter, so ein Hypoding hab ich dir doch schon lange gegeben«, stöhnte Tom.

      Harry hob eine Augenbraue. »Ach ja? Und wie lautet sie?«

      »Pilze.«

      »Pfff, Pilze!« Der Alte winkte ab und wurde sauer. »Das ist keine ernstzunehmende Hypothese!«

      »Ach ja?« Tom ließ fast seinen Hoodie fallen, als er die Hände in die Hüften stemmte. »Und warum nicht?«

      Diesmal war er sicher, dass Harry lächelte. »Weil du sie nicht beweisen kannst. Das ist nämlich der nächste Schritt, wenn man wissenschaftlich arbeitet: Man versucht, die Hypothese durch Experimente zu untermauern. Gelingt das nicht, muss man die Hypothese ändern. Es gibt viel zu viele Menschen, die glauben, eine Erklärung für etwas gefunden zu haben. Sie posaunen diese sogenannte Erklärung als Wahrheit in die Welt hinaus, ohne sie je wirklich hinterfragt zu haben. Solange wir gemeinsam unterwegs sind, werde ich so etwas nicht dulden.«

      Tom war langsam echt genervt. Er breitete die Arme aus und drehte sich um die eigene Achse. »Alter, hier sind tonnenweise Beweise.«

      »Pah.« Harry sah ihn mit diesem herablassenden Blick an, den nur Lehrer draufhatten. »Mit dem gleichen Recht könnte ich behaupten, Gott wäre für alles verantwortlich. Oder, oder …« er bückte sich ächzend und hob etwas auf. »Dieser Knochen hier. Seit er hier herumliegt, ist alles anders, da bin ich mir sicher.«

      »Mann, du erzählst gequirlte Kacke.«

      »Soll ich dir sagen, was gegen deine sogenannte Hypothese spricht?«

      »Lass raus.«

      »Wenn wir uns im Drogenrausch befänden, sollten wir uns dann nicht verändert fühlen? Beschwingt oder euphorisch? Spürst du etwas dergleichen? Nein? Ich auch nicht. Und außerdem sollte die Konzentration der Droge, die durch unsere Adern zirkuliert, doch allmählich nachlassen, habe ich recht? Wenn das stimmt, sollten die Halluzinationen dann nicht weniger werden? Sieht es für dich so aus, als würde sich unsere Umgebung verändern? Ich sag dir was, Tom, und ich sage es so, dass du es verstehst: Deine Hypothese ist Mist.«

      Tom sperrte mehrmals den Mund auf, schloss ihn aber immer wieder, ohne etwas gesagt zu haben. Der alte Sack hatte ihn an den Eiern.

      »Und was ist dann dein Hypothesaurus, hä?«

      »Es ist noch zu früh dafür«, stellte Harry fest. Als ob das irgendwen


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